Tour de France: John Degenkolb siegt nach dramatischem Verlauf
Der deutsche Radprofi sprintet bei der neunten Tour-Etappe in Roubaix zum Sieg. Der Tag wird von mehreren Stürzen auf dem Kopfsteinpflaster überschattet.
Durchgeglüht und ausgedörrt, aber sehr glücklich kam John Degenkolb als erster aus der sogenannten „Hölle des Nordens“ heraus und bog auf die Zielgerade in Roubaix ein. Die 15 Kopfsteinpflasterpassagen hatte er am schnellsten bewältigt und triumphierte vor dem Mann im Gelben Trikot, Greg van Avermaet. Zahlreiche Rundfahrtenfavoriten ließen Federn, der Australier Richie Porte musste nach einem bösen Sturz sogar das Rennen aufgeben.
Einen Vorgeschmack darauf bot schon der Startort Arras. Die Tour de France hatte ihr Lager unmittelbar neben einem Denkmal für den Ersten Weltkrieg aufgeschlagen. Als „Hölle des Nordens“ bezeichneten die Radprofis, die bei der ersten Ausgabe des Klassikers Paris-Roubaix nach dem Ersten Weltkrieg antraten, die zerstörten Orte und Landschaften rings der Strecke im Norden Frankreichs.
Der Begriff „Hölle“ hat sich in späteren Jahrzehnten vom Kriegskontext gelöst. Als höllenhaft galten nun die Leiden, denen die Profis ausgesetzt waren. „Es ist eine komplett andere Belastung. Es geht vor allem auf Hände, Arme und Gelenke“, beschrieb Nikias Arndt, durchaus ein Klassikerfreund in Diensten von Team Sunweb, die Herausforderungen. Arndt war erleichtert, dass keine Regenwolken den Himmel verdunkelten. Denn wenn der Himmel die Schleusen öffnet, werden die Pflastersteinabschnitte von Roubaix zur wirklichen Hölle. Dann legt sich Schlamm auf die Gesichter und droht, Kette und Bremsen zu blockieren. Nur die Härtesten der Harten kommen dann durch.
Degenkolb gewann in Roubaix schon 2015
Am Sonntagnachmittag hatte das Wetter ein Einsehen. Die Sonne strahlte. Für die Radprofis standen an jedem Kopfsteinpflaster-Sektor Helfer bereit, mit Laufrädern zum Wechseln, mit Trinkflaschen und Energieriegeln. Wenig konnten sie allerdings tun bei Sturzpech. Porte stürzte früh, brach sich wohl das Schlüsselbein, und musste unter Tränen aufgeben.
Den letztjährigen Tourdritten Romain Bardet ereilte zwischen dem ersten und zweiten Pflastersteinabschnitt ein Defekt. Er musste viel Kraft aufwenden, um wieder vorn aufzuschließen. Auf dem fünften Abschnitt des Tages wurden gleich sechs Klassementfahrer durch einen Sturz ausgebremst. Es betraf Vincenzo Nibali, Rigoberto Uran, Rafal Majka, Jakob Fuglsang und Adam Yates. Sie alle schlossen zwar bald wieder auf. Die Kraftanstrengungen aber waren enorm, weil Team Sky an der Spitze Druck machte wie sonst nur von den Bergetappen gewohnt. Beim achten Sektor kam dann aber auch Chris Froome zu Fall. Der Brite stieg aber schnell wieder aufs Rad und jagte dem immer kleiner werdenden Feld hinterher.
Die Entscheidung leitete auf dem vorletzten Pflastersteinabschnitt dann der Roubaix-Sieger von 2015, Degenkolb, ein. Gemeinsam mit den beiden Belgiern van Avermaet und Yves Lampaert zog er davon und setzte sich im Sprint durch. „Ich bin so glücklich, dass mir mein erster Etappensieg bei der Tour ausgerechnet hier in Roubaix gelang“, sagte er. Die bislang durchwachsene Saison 2018 strahlt endlich auch für ihn.