zum Hauptinhalt
Draufhauen und schauen. Johannes Vetter warf im vergangenen Jahr fast 90 Meter beim Istaf. Dieses Mal versucht er noch ein bisschen was draufzupacken.
© Kai Pfaffenbach/Reuters

Leichtathletik: Johannes Vetter ist plötzlich berühmt

Weltmeister Johannes Vetter soll die neue Attraktion der deutschen Leichtathletik werden. Aber will er das auch?

Johannes Vetter will bei einer Presserunde anlässlich des am 27. August stattfindenden Berliner Leichtathletik-Meetings Istaf gerade erklären, dass das viele Drumherum um seine Person auch für ihn eine neue Sache sei. Dass man auch Verständnis haben müsse, wenn der eine oder andere Satz nicht so geschliffen, wenn der Mund manchmal trocken sei. Da wird er unterbrochen. Eine Flasche Wasser steht ungünstig für einen Fotografen. Vetter stellt sie beiseite. Der Mund wird wieder trocken, Vetter kommt ins Stocken.

Es ist ein sich wiederholendes Phänomen auch und gerade in der Leichtathletik: Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften befördern bis dahin weitgehend unbekannte Menschen mit einer enormen Wucht in die Öffentlichkeit. Im Gegensatz etwa zu den im Umgang mit den Medien geschulten Fußballprofis sind diese dann überfordert mit der Situation.

Vetter hat das deutsche System gerettet

Der Speerwerfer Vetter hat bei den am vergangenen Sonntag zu Ende gegangenen Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London als einziger Sportler der deutschen Mannschaft eine Goldmedaille gewonnen. Ohne Vetters Wurf auf 89,89 Meter wären die deutschen Leichtathleten ziemlich blamiert dagestanden. So aber fällt die WM-Bilanz versöhnlich aus. Verknappt kann man in so einem Fall durchaus sagen: Vetter hat das deutsche Team gerettet.

Es ist daher kein Wunder, dass der 24-Jährige seit seinem Gold bringenden Wurf einen Medienmarathon bestreitet, den er noch nie zuvor hinter sich bringen musste. „Klar, ich würde nun auch mal am liebsten auf der Couch liegen oder auf die Terrasse treten und die Ruhe genießen“, sagt er. „Ich bin es einfach noch nicht gewohnt, mit dem ganzen Trubel umzugehen.“

Er ringt um den Ton

Vetter bereut inzwischen die eine oder andere von ihm getätigte Aussage unmittelbar nach seinem Erfolg. Die Dresdner würden sich jetzt in den Allerwertesten beißen, hatte er gesagt und meinte damit im Besonderen seinen früheren Verein Dresdner SC, den er vor drei Jahren offenbar im Unfrieden verlassen hatte. „Die Worte im Eifer der Euphorie waren ein Ausrutscher. Das sei mir verziehen, ich will da ja kein Fass aufmachen“, sagt er zunächst bei der Istaf-Presserunde am Donnerstag, um kurz darauf hinzuzufügen. „Anhand der Reaktionen, die nach dem Sieg aufkamen, kann man natürlich sagen: Ja, sie haben sich in den Arsch gebissen.“

Man merkt, er ringt noch um den richtigen Ton und auch darum, wie viel von Johannes Vetter noch in seinen Aussagen stecken soll und wie viel er schon herausnehmen muss, wenn er seine Worte an die Öffentlichkeit richtet, die sich bis vor Kurzem nur sehr marginal für ihn interessierte.

"Ich muss jetzt kein Bad Boy oder so werden“

Es ist eine fragwürdige Erwartungshaltung, die inzwischen an erfolgreiche Sportler herangetragen wird, wenn sie keine hochbezahlten Profis sind. Ein schneller Lauf oder ein weiter Wurf allein genügen nicht. Zum Topathleten, erinnert ein Journalist am Donnerstag, sei heutzutage die Leistung das eine, es gehe auch um die Persönlichkeit, darum, sich darzustellen, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Ob er, Johannes Vetter, darüber schon einmal nachgedacht habe.

Vetter lässt ausrichten, dass er das getan habe. Das Ergebnis seiner Überlegungen: „Ich will mich nicht verstellen. Ich will wie gewohnt auftreten. Ich muss jetzt kein Bad Boy oder so werden“, sagt er. Wenn das den Leuten dann zu langweilig sei, dann sei das halt so. „Ich bin dann nicht so, dass ich dem verlorenen Interesse groß nachtrauere. Vielleicht ist es auch schön, mal eine ruhigere Zeit zu haben.“

Was die kommenden Tage betrifft, dürfte das ein frommer Wunsch sein. Beim Istaf am Sonntag in einer Woche soll Vetter nicht nur den Speer am besten gleich auf 90 Meter werfen und seinen Vorjahressieg wiederholen. Vetter soll vorher auch noch den einen oder anderen Medientermin wahrnehmen. Er soll sich präsentieren, schlagfertig sein, ein richtiger Typ sein eben. Oder besser noch: zur Marke werden.

Vetter wäre vermutlich am glücklichsten, müsste er nur Speerwerfen. „Anlaufen, draufhauen und schauen, wo er stecken bleibt.“ Im Moment ist das die kleinere Übung für ihn.

Zur Startseite