Der Bundestrainer im Gespräch: Joachim Löw: "Wir brauchen vorne keinen Hrubesch"
Nach dem 2:1 der Nationalelf gegen Georgien bemängelt Joachim Löw erneut die Chancenverwertung seiner Mannschaft. Einen großen, kopfballstarken Stürmer wünscht sich der Bundestrainer aber nicht.
Es war ein hartes Stück Arbeit. Wie erklären Sie die Probleme zum Qualifikations-Abschluss gegen Irland und Georgien?
Eigentlich können wir das gleiche Lied singen wie vor drei Tagen in Dublin. In der ersten Halbzeit haben wir es versäumt, mit den sehr guten Chancen achtsamer umzugehen. Im Verlaufe des Spiels hat sich dann ein gewisser Frust breitgemacht. Der Gegner bleibt in dieser Situation wach, weiß, wir können vielleicht mit einer Aktion einen Gegenschlag machen. Wir sind im Moment wie ein Boxer, der viele Treffer landet, aber nicht frühzeitig den K.o. schafft.
Wie beurteilen Sie die gesamte Qualifikation?
Wir haben jetzt die Gruppe gewonnen, damit können wir sicherlich zufrieden sein. Mit den letzten zwei Spielen kann ich und bin ich nicht zufrieden, das muss man mit aller Klarheit sagen. Wie wir gespielt haben gegen Irland und Georgien, das ist nicht unser Anspruch. Wir wissen, dass wir da in den nächsten Monaten schon noch einige Arbeit vor uns haben, um wieder auf das Niveau wie bei der WM zu kommen.
Wie sehen Sie die Ausgangslage für die EM-Endrunde, was macht Sie zuversichtlich?
Das ist noch lange hin. Bei so einem Turnier weiß man, man hat die Mannschaft wieder länger in der Vorbereitung, was uns normalerweise gut tut. Wir werden im November einige Spieler testen. Rein im sportlichen, im taktischen Bereich müssen wir uns schon die eine oder andere Überlegung machen und müssen daran arbeiten, dass wir da besser werden.
Die deutsche Mannschaft hat jetzt noch mehr als sechs Großchancen für ein Tor benötigt. Braucht man gerade gegen so defensiv eingestellte Mannschaften nicht doch einen Vollstrecker?
Der Schnitt liegt jetzt bei sieben oder acht Torchancen, die wir brauchen. Es war ja bislang immer so bei den Qualifikationen zuvor und natürlich auch bei der WM, da waren wir schon effizient. Und unsere Spieler haben schon Vollstreckerqualitäten, Marco Reus, Thomas Müller oder André Schürrle, normalerweise.
Braucht man also einen zentralen Stürmer?
Grundsätzlich, wenn ein Spieler da ist, der die Form hat und das Selbstbewusstsein, da bin ich um jeden Stürmer froh, der für seinen Verein regelmäßig trifft. Und natürlich ist es gut, wenn man so einen Stürmer hat, der die Qualitäten im Sechzehner besitzt. Aber man braucht jetzt nicht glauben, dass man einen großen, kopfballstarken Spieler braucht - einen Horst Hrubesch.
Fehlt auch etwas das Spiel über die Außen?
Das Problem ist schon im Moment, dass wir stark über die Mitte spielen. Wir haben natürlich Außenverteidiger, die hoch stehen und nach vorne gehen, die aber in ihren Vereinen schon defensiv geschult sind. Uns fehlt die Variante, dass wir von diesen Positionen außen durchbrechen mit viel Tempo. Wir brechen ab und spielen in die Mitte. Aber ich kann den Spielern keinen großen Vorwurf machen, sie sind nicht geschult. Da müssen wir auch Lösungen finden gegen so defensive Mannschaften. Das ist wie Feldhandball.
Waren Sie überrascht, die Qualifikation nach hinten raus nochmal so mühsam war?
So erwartet habe ich das nicht. Im September haben wir zwei gute Spiele gemacht, in den einfach auch diese Effizienz hatten. Jetzt ist uns das nicht gelungen, das war in beiden Spielen offensichtlich. Dass wir wahnsinnig viele Chancen brauchen und die Mannschaft dann irgendwie den Faden verliert, ist nachzuvollziehen. Wenn du 2:0, 3:0 in Führung gehst, spielst du mit einem ganz anderen Gefühl gegen solche Mannschaften. Hätten wir die Chancen genutzt, wären die Spiele auch anders gelaufen. (Aufgezeichnet von Jens Mende/dpa)