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Alle für ein Ziel. Bei der EM 2020 wartet auf die deutsche Fußball-Nationalmannschaft eine harte Vorrundengruppe.
© Federico Gambarini/dpa

Die große Aufgabe des Fußball-Nationalteams: Joachim Löw und das Jahr der Wahrheit

Joachim Löw muss jetzt beweisen, dass er es noch kann – und der Richtige für den Posten des Bundestrainers ist.

Vor ziemlich genau einem Monat, als Jürgen Klinsmann für viele überraschend als Trainer von Hertha BSC vorgestellt wurde, hatte er sich verplappert. Zu seinem neuen Trainerteam gehöre auch Andy Köpke, der seit 2004 die Torhüter der deutschen Nationalmannschaft trainiert, sagte Klinsmann. Köpkes Engagement in Berlin sei schon allein deswegen unproblematisch , weil es bei der Nationalmannschaft gerade nicht so wahnsinnig viel zu tun gebe. Klinsmann benutzte in diesem Zusammenhang das Wort Urlaub.

Vielleicht hat der 55-Jährige sich auch gar nicht verplappert, sondern ausgesprochen, was viele denken, die sich in diesem Land für Fußball interessieren: Der Job des Bundestrainers, das weiß Klinsmann aus eigenem Erleben als Löws Vorgänger, hält eine fantastische Work-Life-Balance bereit. Zwischen dem letzten Länderspiel des Jahres gegen Nordirland Mitte November und dem ersten im kommenden Jahr im März in Spanien liegen zum Beispiel mehr als vier Monate.

Die nächsten Spiele sind im März

So viel kann Joachim Löw in dieser Zeit auch gar nicht tun. Er kann ein paar ausgesuchte Begegnungen seiner Nationalspieler besuchen und mithin darauf hoffen, dass sich keiner der Kandidaten ernsthaft verletzt. Bis zur Europameisterschaft, die im kommenden Sommer in elf europäischen Städten sowie in Baku ausgetragen wird, ist es dann nicht mehr weit.

Die Mannschaft von Joachim Löw trifft dabei in der Vorrunde auf Weltmeister Frankreich (2018) und Europameister Portugal (2016). Viel schlimmer hätte es den Weltmeister von 2014 nicht treffen können. Dass Deutschland beide Spiele am 16. und 20. Juni in München austragen darf, ist ein kleiner Vorteil, muss aber auch nicht viel bedeuten.

Fakt ist, dass bis dahin noch jede Menge zu tun ist, die Aufgabe schwierig wird – und nicht viel Zeit bleibt. „Wir werden schon im Januar in die Köpfe der Spieler setzen, dass Meisterschaft und Champions League wichtig sind, aber dass im Sommer eine ganz große Aufgabe wartet. Wir dürfen in der Vorbereitung kein Prozent liegen lassen“, sagte unlängst Oliver Bierhoff als Direktor der Nationalmannschaften.

Deutschland ist kein Favorit

Für die beiden Testspiel-Termine im kommenden März hat sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) starke Gegner ausgesucht. Für den 26. März ist ein Spiel in Madrid gegen Spanien vereinbart. Am 31. März empfängt das Nationalteam den viermaligen Weltmeister Italien in Nürnberg. „Unserem jungen Team ermöglichen die Länderspiele in Spanien und gegen Italien weitere Erfahrungen auf höchstem internationalen Niveau“, sagte DFB-Präsident Fritz Keller. Direkt vor dem Turnier wird die deutsche Mannschaft ein Trainingslager in Seefeld (Österreich) abhalten, dann sind zwei weitere Testspiele geplant, davon eins gegen die Schweiz.

„Umso stärker die Gegner sind, umso besser für uns. Das sind Spiele, die wir jetzt brauchen. Die Mannschaft ist noch jung. In der Qualifikation haben wir uns gut aus der Affäre gezogen“, ließ Löw wissen. „Das sind die Herausforderungen, an die sich unsere Spieler gewöhnen müssen. Jeder muss ans Limit gehen, wenn er eine Chance haben will.“

Der Vergleich mit Holland ging daneben

Der Bundestrainer sieht bei der EM Deutschland nicht in der Favoritenrolle. Die schreibt er Frankreich, England, Holland oder Belgien zu. Immerhin aber gibt Löw sich kämpferisch: „Die letzten Turnierspiele sind in London, das ist unser Ziel.“ Auch Bierhoff formulierte hohe Erwartungen: „Die Ansprüche an uns sind immer groß, auch wenn du so eine Gruppe hast. Wenn man ein Turnier spielt, will man bis zum Ende marschieren.“

Das zurückliegende Länderspieljahr hat einige gute Ansätze geboten, gleichwohl darf die letztlich ordentliche EM-Qualifikation nicht der Maßstab sein. Den direkten Vergleich mit den Holländern, dem einzig ernsthaften Gruppengegner, verlor die Nationalelf. Löw weiß, dass seine Mannschaft und auch er nun wieder liefern müssen.

Nach dem Fiasko bei der letzten Weltmeisterschaft in Russland, als die Deutschen als Gruppenletzter erstmals schon in der Vorrunde ausschieden, muss der Bundestrainer beweisen, dass er noch der Richtige ist – oder aber zurücktreten. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat Joachim Löw zumindest an der Basis viel Kredit verspielt.

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