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Joachim Löw beim Training in Evian.
© dpa

EM-Halbfinale gegen Frankreich: Joachim Löw hat einen Plan

Im Halbfinale muss Joachim Löw nicht nur gegen den EM-Gastgeber bestehen, sondern auch drei Stammkräfte ersetzen. Doch er hat Namen im Kopf und keine Angst.

Joachim Löw huschte am Montagmittag unter dem Rasensprenger hindurch. Dabei war es ihm eine große Freude, den Wasser-Auswurfrhythmus des Sprengers genau kalkuliert und somit den ganzen Apparat ausgetrickst zu haben. Fehlte bloß noch, dass der Sprenger ein italienisches Modell gewesen wäre. Es hätte sich so wundervoll in die Löwsche Turnierstimmung gefügt. „Ich habe das Gefühl, das Turnier hat gerade erst begonnen“, sagt der Bundestrainer selbst.

Von Joachim Löw weiß man, dass er sich nicht sonderlich viel aus den Spielen einer Turniervorrunde macht, sondern erst aufblüht, wenn es in die K.-o.-Runde gegen große Mannschaften geht und er sich gefordert sieht. „Ich liebe solche K.-o.-Spiele“, sagt er.

Löw wirkt aufgedreht, leicht übergeschnappt

In einer beschwingten Laune aus Ei-war-das-ein-Fest (gegen Italien) und Ei-wird-das-erst-ein-Fest (gegen Frankreich) kam der Bundestrainer auf der Pressekonferenz am Montag rasch ins Plaudern. Der 56-Jährige geriet ins Genießerische, als er noch mal seine Überlegungen ungefragt offenlegte, die die Italiener bezwungen hatten. Eigentlich war er gefragt worden, wie er nun gegen Frankreich am Donnerstag zu spielen gedenkt. Aber so schnell denken wollte Löw in diesem Moment nicht, es gab reichlich, was er loswerden wollte. Dass er dabei gelegentlich die Namen des vergangenen Gegners mit dem des kommenden Gegners verwechselte, war vielleicht Absicht, vielleicht auch Versehen. Man gewann jedenfalls den Eindruck, Löw würde am liebsten auf der Stelle das Halbfinale gegen den Turniergastgeber spielen.

Löw wirkte aufgedreht und leicht übergeschnappt. „Das ist super“, sagte er und presste dabei den Daumen gegen Zeige- und Ringfinger, wie es die Italiener tun. „Ja klar“, die Franzosen seien nun eingespielt, dazu der Heimvorteil, und nach ihrem grandiosen 5:2-Sieg gegen Island sei das ganze Land erwacht. Das würde ihnen Energie schenken und überhaupt. Löw hatte seine Rechte mittlerweile zu einer Beckerfaust verwandelt. „In Brasilien waren es 200 Millionen im Halbfinale“, die hinter ihrer Mannschaft gestanden hätten, „und wir sind damit klargekommen. Das werden wir auch am Donnerstag.“ Gegen 66 Millionen Franzosen.

Joshua Kimmich kommt nicht als Khedira-Ersatz

Aber wer wird das wir dann sein? Die Schlacht gegen Italien hat Spuren im Team hinterlassen. Mats Hummels ist für das Franzosenspiel gesperrt, Mario Gomez kann gar nicht mehr spielen, und auch Sami Khedira muss für Donnerstag definitiv passen. Mon Dieu, sagten Löws Augen, was ist das schon gegen einen tollen Matchplan? Es hätte nicht viel gefehlt, und Löw hätte ihn vor aller Welt hinausposaunt. Doch dann lächelte er ins Mikrofon.

Dabei ist es spannend, wer für Hummels, Gomez und für Khedira in die Startelf rutschen wird. Bei Bastian Schweinsteiger, der im Viertelfinale ebenfalls getroffen wurde und nun angeschlagen ist, müsse man einfach abwarten. Löw wurde kategorisch: „Spieler, die angeschlagen sind und nicht zu einhundert Prozent in die Zweikämpfe gehen können, lasse ich definitiv nicht spielen.“ Zumindest schloss der Bundestrainer aus, den gelernten defensiven Mittelfeldspieler Joshua Kimmich als Khedira-Ersatz in die Zentrale zu versetzen. Der 21 Jahre alte Münchner habe sich im Turnierverlauf als rechter Außenspieler festgespielt.

Vieles spricht für Can vom FC Liverpool

Bleiben Emre Can und Julian Weigl, die bisher noch gar nicht eingegriffen haben. Aber auch das sei kein Problem, der Bundestrainer vertraue auch denen, die bisher nur fleißig trainiert hätten, weil das wiederum in hoher Qualität und Intensität geschehe.

Vieles spricht für Can vom FC Liverpool. Der sei körperlich stark und technisch gut, wie Löw sagte. „Der Julian“ hätte natürlich auch geschickte Füße, löse die Aufgaben aber anders. Der junge Dortmunder ähnele in seinem Positionsspiel zu sehr Toni Kroos, aber an dem werde sowieso nie gerüttelt.

Den Job von Mats Hummels in der Innenverteidigung dürfte Benedikt Höwedes erledigen, der schon in der Dreierkette gegen Italien „überragend gut“ gespielt hat, wie es Löw sagte. Der bringe zudem eine gute Körperlichkeit mit und könne in verschiedenen Abwehrsystemen mehrere Positionen spielen. „Der ist für mich Gold wert.“

"Wir haben Respekt vor den Franzosen"

Im Prinzip sei das aber alles nicht ganz so wichtig. Die Mannschaft nehme die Situation so an, wie sie sei. Ausfälle und Verletzungen seien nicht thematisiert worden. Wie auch die Spiel-Historie. „Ganz ehrlich, ich weiß das nicht mehr“, antwortete Löw auf die Frage, wo er anno 1982 das historische WM-Halbfinale gegen Frankreich erlebt habe, das Deutschland im Elfmeterschießen gewann? Er werde dieses Spiel genauso wenig aus der Erinnerung herausziehen wie das jüngste Turnierduell mit den Franzosen, das WM- Viertelfinale 2014 in Rio. Auch das gewann die deutsche Mannschaft, das helfe ihr aber jetzt nicht mehr.

Außerdem würden die Franzosen unter Trainer Didier Deschamps ein bisschen anders spielen, was sie grundsätzlich weniger ausrechenbar mache als die Italiener. Gerade die Offensivspieler des EM-Gastgebers haben es Löw angetan, sie würden oft die Positionen wechseln und dabei anständig Dynamik, Kraft und Wucht auf den Platz bringen. Aber wenn schon, vermeldete Löws Laune. „Wir haben Respekt vor den Franzosen, aber wir wissen auch, was wir tun müssen.“

Dann ging Löw auf den Trainingsplatz, wo er noch zwei, drei gelbe und rote Stangen nachjustierte, die zuvor seine beiden Assistenten in den Trainingsplatz gebohrt hatten – und schließlich den Sprenger austänzelte.

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