Hertha BSC nach Sieg auf Schalke dicht vor dem Klassenerhalt: Jessic Ngankam sorgt für Befreiungsschlag im Abstiegskampf
Die Berliner drehen bei Schalke 04 einen Rückstand und haben am Ende reichlich Glück. Personalsorgen werden immer größer.
Die Nachspielzeit lief. Der FC Schalke 04 griff noch einmal an. Shkodran Mustafi kam zum Kopfball – und traf den Pfosten. Direkt danach kam Benito Raman zum Schuss – und traf den Pfosten. Es war eine unglaubliche Szene. Wenig später war das Spiel zu Ende. Hertha BSC gewann auf Schalke 2:1 (1:1) und macht einen Riesenschritt Richtung Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga.
„Wir haben aufs Jahr gesehen so viele Gegentore durch Sonntagsschüsse oder nach prallenden Bällen bekommen, obwohl wir gut gespielt haben. Irgendwann dreht sich das. Nun hat der Fußballgott etwas zurückgegeben“, sagte Herthas Trainer Pal Dardai – der sich nach Abpfiff die Gelbe Karte wegen eines Disputs mit Schiedsrichter Markus Schmidt abgeholt hatte – mit Blick auf die Schlussphase: „Aber es war ein verdienter Sieg.“
Diesen sicherte der eingewechselte Stürmer Jessic Ngankam durch sein Tor in der 74. Minute. „Ich bin seit meinem sechsten Lebensjahr hier, bin ein richtiger Herthaner. Da ist man umso stolzer, der Mannschaft ein bisschen geholfen zu haben“, sagte der 20-Jährige.
Hertha klettert auf Tabellenplatz 13, ist seit sieben Spielen ungeschlagen und hat seit der Rückkehr aus der Quarantäne acht Punkte in vier Partien geholt. Gelingt am Samstag im Heimspiel gegen den Tabellenvorletzten 1. FC Köln ein Sieg, ist der Klassenerhalt sicher, da unter anderem die hinter Hertha stehenden FC Augsburg und Werder Bremen noch aufeinandertreffen.
Trainer Dardai hatte am Mittwoch wie erwartet die Rotationsmaschine wieder voll angeworfen. Es gab acht Veränderungen in der Startelf im Vergleich zum Spiel am Sonntag gegen Arminia Bielefeld. Lediglich Torwart Alexander Schwolow, Lucas Tousart und Krzysztof Piatek standen erneut von Beginn an auf dem Rasen. Da Matheus Cunha und Jhon Cordoba verletzt ausfielen, fehlten die zusammen mit Piatek besten Torschützen dieser Saison (alle sieben Treffer).
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Neu dabei waren unter anderem Abwehrspieler Marvin Plattenhardt, der erstmals nach seiner Coronainfektion spielte, und Mittelfeldspieler Mathew Leckie. Der Australier war zuletzt Mitte März aufgelaufen.
Bei Schalke hatte es jüngst drei positive Coronatests gegeben, zudem mussten vier weitere Spieler in Quarantäne. Aber die Partie fand wie geplant statt.
Schon früh gibt es für Hertha einen Rückschlag
Die erste Chance hatte Hertha, Javairo Dilrosun schoss jedoch knapp drüber. Kurz danach folgte der Rückschlag: Klaas-Jan Huntelaar legte den Ball für Amine Harit ab, Herthas Abwehr wirkte unentschlossen und Harit brachte den Ball mit Berührung des Innenpfostens im Tor unter. Der Treffer schien die Gäste einige Minuten zu beschäftigen.
Knapp eine Viertelstunde nach dem Rückstand brachte Plattenhardt einen Freistoß in den Strafraum. Niemand achtete auf Dedryck Boyata, der wuchtig einköpfte.
Danach passierte vor den Toren wenig. Stattdessen stand Kampf im Mittelpunkt. Als der Ball doch wieder im Schalker Tor lag, hatte Piatek zuvor klar im Abseits gestanden. Kurz vor der Pause probierte es Dilrosun noch zweimal, beide Male ging der Ball über die Latte.
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Hertha schaffte es im vierten Spiel innerhalb von zehn Tagen bis dahin nicht, die in dieser Saison oft verunsichert und kaum konkurrenzfähig aufgetretenen Schalker konsequent unter Druck zu setzen. Die Gastgeber wären sogar fast zum zweiten Mal in Führung gegangen. Doch Matthew Hoppe traf aus elf Metern den Ball nicht voll, anschließend jagte ihn Huntelaar drüber.
In der zweiten Hälfte spielte über weite Strecken nur Hertha. Ohne sich dabei zunächst ganz große Gelegenheiten herauszuarbeiten. Der starke Nemanja Radonjic traf mit einem Schuss das Außennetz, ein Boyata-Kopfball klatschte an den Pfosten. Schalke wurde für lange Zeit nur einmal gefährlich, als sich Boyata im eigenen Strafraum einen Fehler leistete, Huntelaar diesen aber nicht ausnutzte. Und es wurde hektischer: Nach einer Rudelbildung verteilte Schiedsrichter Schmidt drei Gelbe Karten.
Ngankam nimmt mit rechts an, trifft mit links
Dardai wechselte wie auch in den letzten Spielen viel, brachte unter anderem Ngankam, der zuletzt meist nicht einmal im Kader gestanden hatte. Diesmal wurde er sehr wichtig: Dodi Lukebakio spielte auf Radonjic, dieser auf Ngankam, der den Ball mit rechts annahm und mit links im Tor unterbrachte.
Da Radonjic später mit einem versuchten Lupfer an Fährmann scheiterte, durfte Schalke bis zum Schluss hoffen. Und bekam wirklich noch die Riesenchancen zum Ausgleich. Aber der Pfosten half Hertha zweimal.
„Jetzt haben wir zwei Matchbälle und dann schaffen wir das. Jetzt müssen wir alle positiv bleiben und auch die Regeneration wird einfacher“, blickte Dardai schon kurz nach Schlusspfiff nach vorn. Die Personalsorgen sind allerdings noch einmal größer geworden: Vladimir Darida sah seine fünfte Gelbe Karte, der eingewechselte Lukebakio musste kurz vor Schluss mit Gelb-Rot vom Platz. Und bei Piatek besteht der Verdacht auf eine Bänderverletzung am Sprunggelenk. (Tsp)