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Jan-Lennard Struff macht auch auf Rasen in diesem Jahr eine gute Figur.
© AFP

Deutschlands zweitbester Tennisspieler: Jan-Lennard Struff ist so gut wie noch nie

Auch auf Rasen ist Jan-Lennard Struff in diesem Jahr stark unterwegs. Das sind gute Vorzeichen für Wimbledon, obwohl in Halle im Achtelfinale Schluss war.

Jan-Lennard Struff hat ein ambivalentes Verhältnis zu Halle. Bis zu diesem Jahr hatte er alle seine sechs Erstrundenspiele beim höchstdotierten deutschen Tennisturnier verloren, war damit sieglos bei seinem Heimturnier, wie er es selbst nennt. Zwar kommt der 29-jährige Struff aus Warstein im Sauerland, das liegt rund 100 Kilometer südlich von Halle, doch spielte er in der Tennis-Bundesliga für den TC Blau-Weiß Halle.

Zumindest bis Ende 2018, als der renommierte Verein, der in den vergangenen fünf Jahren dreimal deutscher Meister geworden war, sich aus der Bundesliga abmelden musste. Grund dafür sind die finanziellen Schwierigkeiten des Hauptsponsors Gerry Weber, der aus demselben Grund die Namensrechte am ATP-Turnier in diesem Jahr an die Firma Noventi abgegeben hat. Gespielt wird aber weiter im Gerry-Weber-Stadion.

Und ausgerechnet im Jahr eins nach Bundesliga-Tennis mit Halle gelang Struff in eben jenem Stadion der Durchbruch. Am Mittwoch gab er zu, zufrieden zu sein „hier eine Runde gewonnen und den Fluch gebrochen zu haben“. Allerdings wurmte ihn auch, dass dann doch schon im Achtelfinale gegen den jungen russischen Weltranglistenneunten Karen Chatschanow nach drei engen Sätzen Schluss war.

„Das war insgesamt ein sehr guter Rasensaisonstart, so gut wie nie“, sagte Struff nach der Generalprobe für das Wimbledon-Turnier, das am 1. Juli startet. „Es gab ja Saisons, da bin ich nach Wimbledon gekommen und hatte auf Rasen kein Match gewonnen. Es gab auch Jahre, in denen habe ich auf Rasen gar kein Match gewonnen“, erklärte Struff. Das war allerdings schon im vergangenen Jahr anders, als er in London erstmals in eine dritte Runde bei einem Grand-Slam-Turnier einzog und dort keinem Geringeren als Roger Federer unterlag.

Auf den ersten Finaleinzug im Einzel bei einem ATP-Turnier muss Struff aber weiter warten. In der vergangenen Woche war er in Stuttgart schon mal nah dran, scheiterte erst im Halbfinale – schon zum zweiten Mal in diesem Jahr. Im Doppel hat er mit seinem japanisch-neuseeländischen Partner Ben McLachlan hingegen bereits zwei Turniersiege vorzuweisen. Dass er in diesem Jahr zur deutschen Nummer zwei im Einzel hinter Alexander Zverev werden würde, hatten ihm nicht viele zugetraut. Inzwischen ist Struff Weltranglisten-35. und ist damit so hoch wie noch nie platziert.

Ein Sieg mehr in Halle und Struff wäre in Wimbledon wohl gesetzt gewesen

Eine große Rolle spielt dabei seine Familie, die ihn in Halle unterstützt und die vor wenigen Wochen Zuwachs bekommen hat. Struff ist nun Vater. Das scheint ihm zusätzlichen Auftrieb zu geben. Er selbst nennt einen Schlüssel zur Erfolgswelle der vergangenen Monate, dass er emotionaler geworden sei. Er habe gemerkt, dass das die Gegner beeindrucken kann. Das war auch in Halle wieder zu beobachten, als er sich nach jedem knappen Punkt demonstrativ selbst anfeuerte und die Faust ballte.

Dazu kommt noch die Selbstverständlichkeit, mit der er sein Spiel durchzieht und auch nach Fehlern am Netz unbekümmert erneut zum Serve-and-Volley ansetzt. Auf Rasen ist das, gepaart mit seinem kraftvoll-dynamischen Aufschlag, eine echte Waffe. Noch vor wenigen Monaten, berichtet Struff, sei er in Matches gegen auf dem Papier bessere Gegner mit der Einstellung hereingegangen, dass er es sowieso nicht schaffen könne. Dass er das abgelegt hat, war auch bei den French Open zu erkennen, als erstmals bei einem Grand-Slam-Turnier ins Achtelfinale einzog und als ungesetzter Spieler den an Position 13 gesetzten Borna Coric schlug, den Titelverteidiger von Halle.

Das Turnier in Halle war Struffs letzte Chance, sich über die Weltrangliste eine gute Ausgangsposition zu sichern, um unter die 32 gesetzten Spieler für das wichtigste Rasenturnier der Welt zu rutschen. Damit würde er in den ersten beiden Runden in Wimbledon den anderen gesetzten Spielern aus dem Weg gehen. Doch es sieht derzeit danach aus, als ob es knapp nicht gereicht hat. „Ich hatte im Halbfinale in Stuttgart die Chance und auch heute, das habe ich verpasst. Ich muss jetzt abwarten“, sagte Struff – und fügte hinzu: „Aber vielleicht sagt ja noch jemand ab.“

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