Ein Lauferlebnislager als Buch: Jan Fitschen führt durchs Wunderläuferland Kenia
Warum nur rennen uns die Kenianer immer davon, hat sich Europameister Jan Fitschen gefragt und für ein lesenswertes Buch spannende Antworten gefunden.
Es könnte vielleicht günstigere Momente geben, um ein Buch über das „Wunderläuferland Kenia“ zu veröffentlichen. Der Weltverband der Leichtathleten ermittelt gerade gegen Sportfunktionäre aus Kenia wegen großer Mängel im Doping-Kontrollsystem, und mehr als 40 Leichtathleten sind in den vergangenen drei Jahren positiv getestet worden. Wer will da noch an Wunder glauben?
Vielleicht konnte es aber auch keinen besseren Zeitpunkt für dieses Buch gegeben. Weil es so viel Natürliches am kenianischen Laufwunder gibt, dass die künstliche Leistungssteigerung einiger Spitzenathleten eben nur ein paar Ergebnisse entzaubern kann. Aber nicht gleich die ganze kenianische Kultur des Laufens. Kenia kann kompetenten Beistand jedenfalls derzeit gut brauchen. Dieses Buch läuft auch nicht vor dem Doping weg, sondern greift es am Wegesrand auf und versucht Schritt zu halten mit den schnellsten Ausdauerläufern der Welt.
Jan Fitschen ist vor neun Jahren Europameister über 10 000 Meter geworden, die besten Kenianer sind aber auch ihm immer davon- gerannt. Warum eigentlich?, wollte er wissen und nimmt auf der Suche nach Geheimnissen gleich noch seine Leser mit. Sein Buch ist wie ein Lauferlebnislager in Kenia, bildreich und erfahrungsreich. Seine Erlebnisse verbindet Fitschen mit vielen Hinweisen, und trotzdem ist es viel mehr als ein Ratgeber, wie man laufend länger durchhält oder einfach schneller wird.
Fitschen lässt sich ganz auf Kenia ein, er begegnet dort Menschen, die für, mit und vom Laufen leben. Die Schlüssel zum kenianischen Laufwunder findet Fitschen unter anderem am Boden, in der Luft, am Tisch und im Bett. Am Boden, weil hier der Untergrund oft uneben ist, fast nie flach und somit die Fußmuskeln und die Koordination mit jedem Schritt schult und den Laufstil dynamischer macht. In der Luft, weil die Höhe die Ausdauer natürlich steigert. Am Tisch, weil die Ernährung eine besondere ist, kaum versteckter Zucker, wenig Fleisch und meist gekocht statt gebraten. Und im Bett, weil in Kenia nicht nur das Training besonders exzessiv betrieben wird, sondern auch die Regeneration: „Train hard, win easy“, lautet das Motto, das sich ergänzen lässt durch „Rest harder“: „Wer ausreichend Zeit hat, neben dem Training noch jeden Tag 12 Stunden zu schlafen, regeneriert natürlich effektiver“, schreibt Fitschen.
Er ist zwar Europameister, trotzdem läuft er auch stellvertretend für Hobbyläufer durch Kenia. Denn er stellt ähnliche Fragen, gerät ebenfalls außer Puste bei all den unterschiedlichen Trainingsformen, Bergläufen, kurzen und langen Dauerläufen, Intervallläufen und Entspannungsläufen. Und Fitschen glaubt nicht alles und jedem. Er weiß, dass der Anreiz zum Dopen in einem Land besonders hoch ist, in dem man mit dem Preisgeld eines Wettkampfs eine große Familie monatelang ernähren kann. Laufen hat in Kenia etwas viel Existenzielleres. Gute Gründe für den Erfolg hat er dennoch auf seiner Reise gefunden und sagt: „99 Prozent der Läufer haben keinen Kühlschrank zu Hause. Da lassen sich auch keine Dopingmittel kühlen.“
Es geht Fitschen mit Kenia gerade wie dem Tischtennisspieler Timo Boll mit China. Die Liebe zu ihrer Sportart verbindet sie auch emotional mit dem wichtigsten Land ihres Sports. Manchmal müssen sie das Land daher verteidigen, etwa gegen den Vorwurf, dass der Erfolg nur vom Drill komme. Erlebt haben sie beide jedoch auch jede Menge Spaß und Leidenschaft für und an ihrem Sport. Fitschen will diese Erfahrung teilen, mit diesem Buch, aber auch mit Reiseangeboten nach Kenia. In jedem Lauf warten Überraschungen und Herausforderungen. Laufen in Kenia ist das Gegenteil von Trott.
Wunderläuferland Kenia. Die Geheimnisse der erfolgreichsten Langstreckenläufer der Welt. Jan Fitschen, Unimedica. 360 Seiten, 19,80 Euro.
Friedhard Teuffel
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