Berliner Zweitligist: Ist Union schon reif für die Bundesliga?
Hilfe, wir steigen auf! Die Köpenicker sind derzeit Zweiter der Zweiten Liga. Kader, Trainer, Stadion, Umfeld, Finanzen: Wir analysieren, ob es für die Erstklassigkeit reicht.
Wäre die Saison dieser Tage beendet, würde der 1. FC Union Berlin demnächst in der Bundesliga spielen. Vor dem Spiel am Freitag beim FC St. Pauli (18. 30 Uhr) liegen die Berliner auf dem zweiten Tabellenplatz, der zum Aufstieg berechtigt. Wir analysieren, wie bundesligatauglich Union schon ist.
FORM
Fünf Siege aus den vergangenen sechs Spielen bedeuten die beste Rückrunden-Ausbeute aller Zweitligisten. „Union ist eine absolute Top-Mannschaft und im Moment das stärkste Team“, sagt St. Paulis Trainer Ewald Lienen. Die erfolgreichen Resultate haben den Spielern viel Selbstvertrauen gegeben, mittlerweile lässt sich die Mannschaft nicht mehr so leicht aus der Bahn werfen. Sie vertraut fest auf die eigenen Stärken und das eigene System. „Wir haben derzeit einen guten Lauf“, sagt Unions Trainer Jens Keller. Aber: Der Spielplan meinte es bisher auch gut mit den Berlinern. Union spielte größtenteils gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel oder gegen solche, für die es nur noch bedingt um etwas geht. Pflichtsiege also. Das Spiel am Millerntor gegen einen ebenfalls formstarken Gegner ist die bisher anspruchsvollste Aufgabe dieses Jahres. Leichter wird es für Union danach nicht. Gegen die direkten Konkurrenten Stuttgart, Hannover und Braunschweig muss Kellers Mannschaft jeweils auswärts antreten.
KADER
Bereits im Sommer gelang den Verantwortlichen mit der festen Verpflichtung von Felix Kroos ein entscheidender Schritt zur Qualitätsverbesserung. Die Rückkehr von Sebastian Polter im Winter hob das Niveau dann zusätzlich an. Union verfügt über einen homogenen, für Zweitligaverhältnisse hervorragend besetzten Kader, der den Anforderungen eines Bundesligisten aber nicht in Gänze genügt. Abgesehen von Kroos, Polter und Stephan Fürstner hat kaum ein Spieler dauerhafte Erfahrung in der höchsten Spielklasse, die meisten verfügen schlicht über gar keine. Gerade in diesem Punkt wird Union nachbessern müssen, vier bis sechs Gestandene dürften es schon sein. Zumal Spieler wie Benjamin Kessel, Eroll Zejnullahu oder Fabian Schönheim, die in dieser Saison wenig zum Einsatz kommen, sich mit Wechselgedanken befassen werden.
TRAINER
Im Gegensatz zu seinen Fußballern verfügt Jens Keller über reichlich Erfahrung auf höchstem Niveau, als Spieler und als Trainer. Beim FC Schalke hat er nachgewiesen, in welche Sphären er eine Mannschaft führen kann. Keller hat dem 1. FC Union mit Unterstützung durch seine Assistenten Henrik Pedersen und Sebastian Bönig eine sportliche Identität und eine klare Spielstruktur verpasst, bei der Mannschaft ist er beliebt und respektiert.
UMFELD
„Scheiße, wir steigen auf“, sangen die Fans vergangenes Wochenende, so als könnten sie immer noch nicht glauben, was da auf sie zukommt. Lange herrschte unter den Anhängern ein Gefühl der Zufriedenheit über den Status quo, manch einer lehnte einen Aufstieg gar ab, weil er um die besondere Identität des Klubs fürchtete. Deren Zahl aber hat sich mittlerweile minimiert, gesunde Skepsis schwingt trotzdem immer noch bei vielen mit. Weil bei Union zumindest nach außen hin nichts oder wenig gefordert wird, sind Spieler und Trainer in einer komfortablen Situation. „Wenn man das Druck nennen will, dann ist es ein schöner Druck“, sagt Keller. „Ich spiele gerne um den Aufstieg und bin oben dabei.“
INFRASTRUKTUR/FINANZEN
Union ist in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt gewachsen, nicht nur sportlich. Das Stadion hat sich inzwischen zu einem echten Schmuckstück entwickelt, das rund 22.000 Fans Platz bietet. Demnächst soll weiter aufgestockt werden, zu groß sind der Andrang und das Interesse am Klub. Finanziell steht Union gut da, in den vergangenen Jahren konnte regelmäßig ein Überschuss erwirtschaftet werden. Momentan lässt sich der Klub seine Profimannschaft rund 14 Millionen Euro kosten, im Falle eines Aufstiegs dürfte in dieser Hinsicht nachgebessert werden. Trotzdem würden die Berliner mit ihrem Etat noch zum unteren Drittel der Bundesliga gehören.