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Der Portugiese Andre Gomes (links) und der Isländer Gylfi Sigurdsson kämpfen um den Ball.
© dpa

Spiel gegen Portugal bei der EM: Island: Ein unberechenbarer Außenseiter

Der Torwart dreht sonst Zombiefilme, der Kabinen-DJ spielt Hardrock und die Fans schüchtern den Gegner ein. Island mischte mit einem 1:1 die EM auf.

Nur 22 Sekunden nach dem Anpfiff genügten. Da fegte Islands langjähriger Kapitän Aron Gunnarsson dem portugiesischem Star Cristiano Ronaldo den Ball vom Fuß und beugte sich herunter, um Ronaldo aus nächster Nähe eine Ansage zu verpassen. Es sollte nicht die letzte gewesen sein.

In einem temporeichen Spiel trotzte der EM-Neuling Island den etablierten Portugiesen einen Punkt ab. Die Führung von Nani in der 32. Minute glich Islands Birkir Bjarnason nach der Pause aus. Noch 20 Minuten nach dem Abpfiff feierten die isländischen Fans ihr Team mit dem Sprechchor „Come on Island“, bis die Spieler noch einmal aus der Kabine kamen. Cristiano Ronaldo stand hinterher frisch geduscht mit seinen glänzenden Kopfhörern um den Hals in der Interviewzone und mokierte sich: „Sie feiern hier, als hätten sie irgendetwas gewonnen. Deshalb sind sie klein.“ Er selbst hat alleine einen vier Mal so hohen Marktwert wie das komplette isländische Team – doch der Fußball schert sich manchmal herzlich wenig um solche Feinheiten.

Dieses Team ist nicht normal

Islands Torwart Hannes Halldorsson, der mit spektakulären Paraden das Unentschieden sicherte, hatte vor einigen Jahren noch nebenbei Zombiefilme und das Video des isländischen Beitrages für den Eurovision Song Contest gedreht. Auf der rechten Seite verteidigte Birkir Saevarsson, der Kabinen-DJ mit ausgeprägter Vorliebe für Hardrock. Dieses Team ist nicht normal und gerade deswegen so ein unberechenbarer Außenseiter.

Die Isländer wollten den Gegner vom Start weg einschüchtern. Schon in der dritten Minute preschte Gylfi Sigurdsson in den Strafraum der Portugiesen und scheiterte zwei Mal am portugiesischen Torwart. Die Mannschaft startete so unerschrocken in ihre Turnierpremiere wie die Fans auf den Rängen, die mit ihrem Ruf „Áfram Ísland!“ dem Lautstärkelevel britischer Fans in nichts nachstanden.

Alt und Jung im Wettkampfmodus

Fast jeder zehnte Bewohner Islands soll sich gerade in Frankreich befinden. Und wer dabei die Kinder, frisch gebackenen Eltern und Rentner rausrechnete, der irrte sich gewaltig. Zum ersten Gruppenspiel reisten ganze Familien an. Mütter schoben Kinderwagen mit der Nationalfahne, Großväter humpelten am Krückstock, aber in Trikot durch Saint-Étienne. Auf der Tribüne allerdings waren Alt und Jung im Wettkampfmodus: So beharrlich, wie sie den portugiesischen Verteidiger Pepe bei jedem Ballkontakt auspfiffen, boykottierten sie die Laola des restlichen Stadions.

Die elf Isländer auf dem Rasen widersetzten sich gleichsam tapfer, gerieten aber nach einer Viertelstunde zusehends unter Druck. Torwart Halldorsson musste erst einen Distanzschuss, dann einen Kopfball von Nani mit glänzender Fußparade abwehren. Jener Nani schloss in der 32. Minute dann jedoch einen sehenswerten Angriff über die rechte Seite trocken zum 1:0 ab.

Ronaldos Abschüsse wurden meist geblockt

Die Portugiesen probierten es sehr oft mit Flanken von außen. Der 24 Jahre alte Danilo vom FC Porto stielte mit klugen Bällen auf die Außen die Angriffe ein. Cristiano Ronaldo zeigte nicht mehr als seine bekannten Übersteiger, seine Abschlüsse wurden meist geblockt. „Viele Spieler waren verantwortlich für Ronaldo, nicht ein einzelner. Das haben wir sehr gut verteidigt“, erklärte Islands Trainer Heimir Hallgrímsson später.

Seinem Team gelang in der 52. Minute der Ausgleich. Johann Gudmundsson setzte eine herrlich geschnittene Flanke, die allerhöchsten Manni-Kaltz-Ansprüchen genügte, in Richtung des zweiten Pfostens. Bjarnason traf den Ball mit dem Schienbein zum 1:1 ins Tor.

Sie zogen mit ihren Grätschen Furchen in den Rasen

Torwart Halldorsson musste danach immer wieder klären, einmal gegen Pepe, zweimal gegen Ronaldo. Seine Vorderleute schmissen sich in jeden Ball, hämmerten auf den Boden und zogen mit ihren Grätschen Furchen in den Rasen. Als Ragnar Sigurdssson sich am eigenen Tor einen Schluck Wasser gönnte, peitschte er mit den Händen die ohnehin ekstatischen Fans an. So brachten sie das Unentschieden über die Zeit. Gerade in den Schlussminuten wirkte es nicht so, als sei jeder zehnte Isländer vor Ort. Sondern alle 300 000 Einwohner am eigenen Sechzehner.

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