Absage an Fan-Rückkehr in der Bundesliga: Irritierende Signale aus der Politik
Die Politik erteilt der Rückkehr der Fans in die Stadien eine Absage. Dies widerspricht aber der Eindämmungsverordnung der Länder. Die Verwirrung ist groß.
Der Sport ist es gewohnt, auf Zahlen zu blicken. Doch so ausgeprägt wie in diesen Wochen und Monaten war das Interesse dafür wohl noch nie. Es geht dabei nicht um Statistiken, in denen Ergebnisse, Torschützen oder Tabellen aufgeführt sind. Sondern um Neuinfektionen mit dem Coronavirus. An ihnen hängt die existenzielle Zukunft vieler Klubs, Veranstaltungen und ganzer Ligen.
Wie gut Deutschland noch vor ein paar Monaten dagestanden hatte. Die Kurve der Infizierten ging so weit nach unten, dass die Fußball-Bundesliga als eine der ersten Profiligen in Europa wieder ihre Mannschaften aufs Spielfeld schicken konnte – wenn auch ohne Zuschauer. Deutschland, so der Tenor, bekommt die Krise mit am besten hin, auch im Sport.
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Doch die Kurve der Infizierten dreht sich inzwischen in die falsche Richtung, und der Sport muss seine Hoffnungen auf mehr Normalität, sprich: Veranstaltungen mit Zuschauern, vorerst wohl aufgeben. Am Montag verständigten sich die Gesundheitsminister der Länder bei ihrer Konferenz einhellig darauf, dass eine Öffnung der Stadien für die Fans bis zum 31. Oktober nicht zu befürworten sei.
Das war noch kein Beschluss und wenig konkret. Überdies dürften sich die Klubs nun die Frage stellen, wie das mit den Eindämmungsverordnungen der Länder zusammenpasst. In Berlin etwa sind laut dieser bis zum 24. Oktober im Freien bis zu 5000 Menschen bei Großveranstaltungen erlaubt. Gilt das nun alles nicht mehr? Oder doch? Die Verwirrung ist groß. Am 18. September soll jedenfalls die neue Bundesliga-Saison starten.
Klar dürfte sein: Aus dem von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) flugs erarbeiteten Konzept für eine Teilzulassung von meist weit mehr als 10.000 Zuschauern für die nächste Spielzeit wird erst einmal nichts werden. Für die Bundesliga ist das ein großer Rückschlag. Der finanzielle Druck lastet trotz der üppigen TV-Einnahmen auf den Klubs. Deshalb war es durchaus bemerkenswert, mit welchem Verständnis die unmittelbar Betroffenen auf den Rückschlag reagierten.
Labbadia: „Die Gesundheit steht an erster Stelle“
„Dass wir alle – nicht nur im Fußball – freier leben wollen, das ist normal“, sagte am Dienstag etwa der Trainer Bruno Labbadia von Hertha BSC. „Aber die politische Führung hat auch eine Gesamtverantwortung und muss das Gemeinwohl im Blick haben. Die Gesundheit steht an erster Stelle.“ Ähnlich klang die Mitteilung der Deutschen Fußball-Liga. „Die DFL hat immer betont, dass die Eindämmung des Coronavirus höchste Priorität haben muss“, hieß es darin. Sie respektiere daher selbstverständlich die Position der Gesundheitsminister.
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Die Frage wäre ohnehin gewesen, ob die Zuschauer in Massen zum geplanten Saisonbeginn gekommen wären. So sollten die Tickets laut dem DFL-Konzept nur personalisiert vergeben werden. Zudem sollten die Stehplätze nicht besetzt und – für viele Fußballfans ein absolutes No-Go – keine alkoholischen Getränke ausgeschenkt werden.
Und dann ist da noch die Angst der Menschen, sich in einem Fußballstadion oder auf der Fahrt dorthin mit dem Virus zu infizieren. Der Pharmakologe Fritz Sörgel warnte im Gespräch mit dem Tagesspiegel schon vor Wochen, dass bei einer Teilzulassung von Fans die Gefahr bestehe, sich durch sogenannte Superspreader anzustecken. Zumal von den Klubs Zuschauerzahlen von bis zu 30.000 diskutiert worden waren. Unter all diesen Bedingungen kann einem der Spaß am Bundesliga-Fußball vergehen.
Dazu passte auch eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, nach der sich 44 Prozent der Teilnehmer generell gegen Spiele vor Publikum aussprachen. Die Skepsis ist also groß. Bevor die Fußball-Bundesliga die Politik davon überzeugen muss, dass Fans wieder zugelassen werden sollten, muss sie es womöglich bei den Menschen tun.
Bundesligisten jammern vergleichsweise auf hohem Niveau
Dabei ist es bei den Bundesliga-Klubs im Fußball noch Jammern auf hohem Niveau. Die TV-Gelder dürften ihnen zumindest das Überleben sichern. Anders sieht es in Randsportarten hierzulande aus, wie etwa im Volleyball. Das Signal, das von der Politik am Montag ausging, war klar: Wenn schon der Sport im Freien keine Zuschauer verträgt, dann erst recht nicht der in der Halle.
Kaweh Niroomand, Manager der BR Volleys, geht mit Blick auf die aktuellen Eindämmungsverordnungen in Berlin dennoch davon aus, dass der Berliner Volleyball-Bundesligist bis 24. Oktober 1000 Zuschauer in die Max-Schmeling-Halle lassen kann. Danach, so sagte er am Dienstag, „arbeiten wir daran, dass vielleicht nicht 5000, aber doch deutlich mehr als 1000 Zuschauer kommen dürfen“. Der 67-Jährige vergaß aber nicht, fast nach jedem Satz zu sagen, „dass alles vom Pandemiegeschehen abhängt“. Der bange Blick auf die Zahlen geht weiter.