Halbfinale der Champions League: Immer diese Spanier – FC Bayern unterliegt Real Madrid 1:2
Die Münchner haben im Hinspiel Verletzungspech und viele Tormöglichkeiten. Am Ende jubelt aber Real und hat gute Chancen auf das dritte Finale in Folge.
Jupp Heynckes strich sich durch sein mittlerweile doch recht ergrautes Haupthaar und blickte Richtung Himmel. Es schien fast so, als ob der Trainer des FC Bayern den Kontakt zu einer höheren Instanz suchte, zum Fußballgott etwa oder wer den Münchnern in den letzten Jahren auch immer beigestanden haben mag. Eine gute halbe Stunde war da absolviert im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals zwischen dem deutschen Rekordmeister und dem spanischen aus Madrid, Franck Ribery hatte gerade leichtfertig eine Großchance zum 2:0 versiebt – und womöglich ahnte Heynckes bereits, dass diese Szene hinterher Gegenstand diverser Nachfragen und Analysen sein würde. Was wäre wohl passiert, wenn der Ball dem Franzosen nicht so versprungen wäre wie an einem handelsüblichen Flipperautomaten? Der Abend wäre sicherlich anders verlaufen.
So mussten sich die Münchner hernach den Vorwurf gefallen lassen, in ihrer besten Phase kurz vor dem Seitenwechsel nicht auf 2:0 gestellt zu haben. Ribery, Mats Hummels und Robert Lewandowski – um nur einige zu nennen – besaßen entsprechende Gelegenheiten, scheiterten jedoch allesamt. Real hingegen stellte sich deutlich cleverer und vor allem effektiver an und hat nach dem 2:1 (1:1) nun glänzende Aussichten, zum vierten Mal in den vergangenen fünf Jahren ins Finale des renommiertesten Europapokalwettbewerbs einzuziehen. Den Bayern hingegen droht vor dem Rückspiel im Estadio Santiago Bernabeu am 1. Mai ein fast schon altbekanntes Schicksal: In den vergangenen vier Jahren war die Endstation in der Champions League stets eine spanische Abordnung.
„Die Kaltschnäuzigkeit, die uns in den letzten Wochen ausgezeichnet hat, ist uns heute abhanden gekommen“, sagte Thomas Müller nach dem Abpfiff bei „Sky“. „Wir haben sie leben lassen“, ergänzte der Nationalspieler. Und Joshua Kimmich befand: „Ich hätte nie gedacht, dass wir uns gegen Real so viele Chancen erspielen würden. Aber wir waren im Abschluss viel zu naiv.“
Bayern lässt sich auskontern
Der für die Bayern größte Fußball-Abend dieser an Spannung sonst so überschaubaren Saison begann vor 70.000 Besuchern in der ausverkauften Münchner Arena schon denkbar ungünstig für die Gastgeber; es dauerte keine fünf Minuten, da humpelte Arjen Robben verletzt vom Feld, später tat es ihm Jerome Boateng gleich. Der Ausfall des Niederländers lähmte den Tabellenführer der Bundesliga merklich; Real attackierte früh, drängte den Gegner tief in die eigene Hälfte und zwang ihn zu erstaunlich vielen Fehlpässen im Aufbauspiel. Allerdings schlugen die Bayern in bester Bayern-Manier zurück. Mitten hinein in Reals Drangphase finalisierte Rechtsverteidiger Joshua Kimmich einen Konter zum 1:0 – allerdings unter tatkräftiger Mithilfe von Reals Schlussmann Keylor Navas. Der Costa-Ricaner spekulierte auf eine Hereingabe Kimmichs, tatsächlich schlug der Ball aber in der kurzen Ecke ein. Das überraschende und zu diesem Zeitpunkt durchaus schmeichelhafte Tor bestärkte die Münchner und verlieh ihnen Sicherheit – bis sich das Skript der Anfangsphase wiederholte und umdrehte: Mitten hinein in die beste Phase der Bayern traf Reals brasilianischer Linksverteidiger Marcelo per Distanzschuss zum 1:1-Pausenstand. Manuel Neuers ständige Vertretung im Tor, Sven Ulreich, konnte nur machtlos hinterherschauen.
Nach der Pause blieben die Münchner druckvoll und erarbeiteten sich eine Reihe guter Gelegenheiten; weder Müller noch Ribery noch James waren aber im Stande, die optische Überlegenheit in Zählbares umzumünzen. Das Tor fiel stattdessen auf der Gegenseite: Rafinha leistete sich in der Vorwärtsbewegung einen kapitalen Fehlpass in die Füße von Lucas Vasquez, der den Ball umgehend an Marco Asensio weiterleitete; mit einem gekonnten Schlenzer in die lange Ecke vollendete der Angreifer zum 1:2. Es war Reals fünfter Torschuss bis dahin.
In der Schlussphase warfen die Bayern noch einmal alles nach vorn, um die Ausgangslage vor dem Rückspiel erträglicher zu gestalten. Die größte Chance zum Ausgleich ließ Robert Lewandowski verstreichen, der vier Minuten vor Schluss am nun überzeugenden Keylor Nevas im Tor der Spanier scheiterte.
Immerhin fand Thomas Müller nach der Niederlage noch einen positiven Aspekt. „Das Spiel hat aufgezeigt, was alles drin ist“, sagte er, „an der Möglichkeit, Tore zu erzielen, wird es auch im Rückspiel nicht mangeln. Aber dann müssen wir halt auch da sein.“ (Tsp)