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Mann mit Mentalität: Der Norweger Per Skjelbred zählt seit fast sieben Jahren zu den stabilisierenden Faktoren Herthas.
© Soeren Stache/dpa

Das aufpassende Gewissen bei Hertha BSC: Im Derby sind Typen wie Per Skjelbred gefragt

Einstellung, Fleiß und Hingabe – mit diesen Attributen hilft Per Skjelbred seinem Team seit beinahe sieben Jahren. Im Derby werden sie umso wertvoller sein.

Der Fußball hält bisweilen irrwitzige Statistiken bereit. Eine ist etwa die, wonach eine Top-Ten-Liste jener Bundesligaspieler erstellt wird, die am längsten auf einen erzielten Treffer warten. Per Skjelbred führt diese Liste an, als Rekordhalter sozusagen. Laut Fachmagazin „Kicker“ hat Herthas zentraler Mittelfeldspieler seit 156 Bundesligaspielen nicht mehr getroffen. Per Skjelbred trifft diese Statistik nicht, er lächelt sie weg.

Sein bisher letztes Tor war Herthas ewigem Norweger im Februar 2014 gegen den VfL Wolfsburg gelungen. Eine Randnotiz. Was aber wäre, wenn er am kommenden Freitagabend die vielleicht herrlichste Gelegenheit nutzen könnte, daran etwas zu ändern?

Man stelle sich vor, Per Skjelbred träfe ausgerechnet im wichtigsten Spiel des Jahres gegen den Stadtrivalen 1. FC Union. „Das wäre schon cool“, sagt er in einer Gesprächsrunde über Skype. Um dann gleich in seiner ihm eigenen Art selbstlos nachzuschieben: „Es wäre vielleicht deswegen wichtig, weil ich dann so der Mannschaft helfen würde. Aber meine eigentliche Aufgabe ist es, meinen Mitspielern zu helfen.“

Per Skjelbred kann erhaben sein über schlichte Trefferstatistiken. Sein Wert für die Mannschaft wird in anderen Einheiten gemessen. Seine Währung sind Einsatz, Fleiß und Hingabe. Spieler wie Skjelbred verrichten ihre Arbeit verlässlich und souverän im Schatten der Stars, der Künstler, der Torjäger. Doch sind Spieler mit den Attributen Skjelbreds unverzichtbar für jede Mannschaft. Skjelbred ist derjenige, der Räume zuläuft, der Bälle erobert, auch sogenannte zweite Bälle.

Er ist eine Art aufpassendes Gewissen. Seine erste Aufgabe ist es, möglichst viel von der eigenen Abwehr fernzuhalten, also Situationen zu bereinigen, bevor sie überhaupt gefährlich werden. „Mit der Zeit entwickelst du ein Gespür dafür, was als nächstes geschehen könnte“, hat er einmal erzählt, „du bist ständig am Beobachten, schaust, analysierst, alles im Bruchteil von Sekunden. Das hat viel mit Erfahrung zu tun.“

Maskiert: Auch bei Herthas 3:0-Sieg gegen Hoffenheim stand Per Skjelbred (links) auf dem Platz.
Maskiert: Auch bei Herthas 3:0-Sieg gegen Hoffenheim stand Per Skjelbred (links) auf dem Platz.
© Poolfoto/Imago

Die Position des zentralen defensiven Mittelfeldspielers ist vielleicht die wichtigste im modernen Fußball. Die Möglichkeiten, diese Position zu interpretieren, sind vielfältig. Es gibt kluge Strategen, Ideengeber oder Spieler, „die einfach die Drecksarbeit machen“, wie er es einmal sagte. Spieler, die gern viel laufen, Löcher für die Mitspieler stopfen, Fehler ausbügeln und immer da sind, wenn sie gebraucht werden. „Mir macht es großen Spaß, so zu spielen.“

Per Skjelbred wird im Juni 33 Jahre alt. Nach dieser Spielzeit wird er Hertha verlassen und in seine norwegische Heimat zurückkehren. Als er vor drei Monaten seinen Abschied von Hertha verkündete, ging auch diese Nachricht etwas unter. Jürgen Klinsmann war bei Hertha gerade aus dem Traineramt getürmt, was die Berliner unvorbereitet ins Chaos versinken ließ und noch Tage nachhallte.

Skjelbred kehrt zu seinem Heimatverein Rosenborg Trondheim zurück, wo er seine Karriere startete und noch bis Ende 2022 weiterspielen wird. Beinahe sieben Jahre werden dann vergangen sein, die er für Hertha gespielt, oder besser: zerrissen hat. „Bei Schelle weiß man immer, was man kriegt: 100 Prozent Einsatz“, hat Herthas Rekordspieler und langjähriger Cheftrainer Pal Dardai einmal gesagt.

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Gegen den 1. FC Union wird das Olympiastadion, das unter normalen Umständen ausverkauft wäre, leer bleiben. „Es ist für alle komisch, wenn die Fans nicht da sind“, sagt Skjelbred, „dieses geile Gefühl fehlt, wenn sie nicht da sind.“ Aber natürlich wissen er und seine Mitspieler, „was im letzten Jahr gewesen ist“. Hertha hatte sich beim Hinspiel in Köpenick mutlos präsentiert und 0:1 verloren.

„Für die Fans ist das Spiel eine Riesennummer“, sagt er. Aber auch für ihn ist es von großer Bedeutung. Es wäre sein 200. Bundesligaeinsatz, dabei stand er 181 Mal in der Startelf. „So viele Derbys habe ich auch noch nicht erlebt“, sagt er. In seiner Heimatstadt Trondheim gibt es keinen zweiten großen Verein. „Vielleicht rettet dieses Spiel noch nicht unsere Saison, aber es ist extrem wichtig.“

Per Skjelbred wird sich wie immer akribisch auf das Duell vorbereiten und wenn er spielt, alles reinwerfen was er hat. Pal Dardai hat ihn einmal als „Mentalitätsspieler“ bezeichnet. Der Fußball hält neben Statistiken eben auch besondere Wortschöpfungen parat. Aber es ist ja etwas dran.

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