Nach dem 0:2 gegen den FC Bayern: Der 1. FC Union denkt schon ans Derby bei Hertha BSC
Eine Niederlage gegen die großen Bayern ist nichts, wofür sich Union schämen muss. Auch deshalb geht der Blick schon zum ungleich wichtigeren nächsten Spiel.
Die Polizisten waren anscheinend in der 85. Spielminute nicht mehr da. Vor dem Spiel hatten berittene Kräfte noch durch das Waldstück rund um die Alte Försterei patrouilliert, um die mancherorts befürchteten Fanansammlungen zu unterbinden. Einen ganzen Abend lang hatten sie sehr wenig zu tun, doch kurz vor Schluss ertönten dann doch ein paar geisterliche Stimmen aus dem Wald.
„Eisern!“ rief der eine. „Union!" antwortete der andere. Lauter schrien an diesem leisen Abend nur Unions Co-Trainer Markus Hoffmann und Sebastian Bönig, deren Anweisungen an der Seitenlinie wahrscheinlich bis nach Charlottenburg zu hören waren. Doch es nutzte alles nichts. Ohne ein ganzes Stadion im Rücken konnte sich Union in den letzten Minuten des Spiels nicht zurückkämpfen. Die Mannschaft vom abwesenden Trainer Urs Fischer verlor 0:2 gegen den großen FC Bayern: ein Fehlstart zum Bundesliga-Neustart.
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Wenn es ein Fehlstart war, dann war es aber ein ziemlich guter Fehlstart. Für eine Niederlage gegen die Bayern muss man sich ohnehin nicht schämen, vor allem wenn man so tapfer und kämpferisch verliert wie Union am Sonntag. Über lange Phasen hielten die Köpenicker ihren Gegner in Schach. Bis zum Schluss kämpften sie um jeden Ball, genau wie sonst im vollen Stadion.
„Ganz unabhängig von den Fans: Bayern ist Bayern – da gibt es einen Klassenunterschied,“ sagte Verteidiger Neven Subotic der ARD nach dem Spiel. Im Vorfeld hatte er sich kritisch über den Umgang mit den Spielern bei der Gestaltung des Re-Starts geäußert. Dann war es auch noch sein Fehler, der beim ersten Tor der Bayern zum Elfmeter führte. Sein Fazit fiel trotzdem gut aus. „Es war für uns alle ein großes Wunder, wieder zu spielen. Ich glaube, keiner hat das wirklich fassen können, bis wir dann wirklich auf dem Platz standen und der Anpfiff kam. Wir haben uns gut gezeigt gegen einen starken Gegner, und deshalb gehen wir mit ein bisschen Stärke und Dynamik in die nächsten Spiele.“
Vor diesem Spiel wurde mehrmals die Frage gestellt, ob es eine gute oder eine schlechte Sache sei, direkt gegen den stärksten Klub der Liga anzufangen. Das könne man nicht voraussagen, lautete dann immer wieder die dröge Antwort. Im Nachhinein ist es aber sicherlich kein Nachteil, das Bayern-Spiel mit einer guten Leistung schon erledigt zu haben. Obwohl: Nach der Niederlage stehen die Berliner zwar nur sieben Punkte vor dem Relegationsplatz. Der Kampf um den Klassenerhalt ist noch lange nicht vorbei. Gegen Bayern habe man aber zumindest gezeigt, „dass wir physisch durchaus mithalten können, und dass wir bereit sind“, sagte Hoffmann am Sonntag.
Hertha liegt in der Tabelle mittlerweile vor Union
Für den Klassenerhalt brauche man „Punkte, und nicht gute oder schlechte Spiele“, warnte der Co-Trainer zugleich. Andererseits war es bei Union in dieser Saison oft so, dass wenn die Leistungen erst einmal stimmten, die Ergebnisse schnell folgten. Das Hinspiel gegen Bayern hatten die Berliner auch nach einer kämpferischen Topleistung verloren. Danach gewannen sie gleich vier Spiele hintereinander.
Jene Serie begann mit dem Derbysieg an der Alten Försterei. Auch deswegen richtet sich der Blick nun auf Freitag zum nächsten Bundesliga-Derby gegen Hertha. Durch das 0:2 gegen die Bayern liegt Union mittlerweile hinter dem Stadtrivalen. Davon lasse man sich „nicht beeindrucken“, betonte Hoffmann, es gehe „nur um den Klassenerhalt“.
Trotzdem wird es für das Hertha-Spiel „eine neue Vorbereitung geben, vielleicht auch eine andere taktische Ausrichtung“. Dann wird Cheftrainer Urs Fischer voraussichtlich wieder auf der Bank sitzen. Er soll nach dem Trauerfall in seiner Familie Anfang dieser Woche wieder zur Mannschaft stoßen können.
An dem Derby-Plan arbeiteten Fischer und Hoffmann aber schon am Sonntagabend. Zumindest sah es so aus, als der Co-Trainer eine Stunde nach dem Spiel auf dem Parkplatz vor der Haupttribüne stand, und diesmal sehr leise ins Telefon sprach. Zu diesem Zeitpunkt gab es keinen Polizisten mehr an der Alten Försterei. Der Wald war inzwischen leer, nur vor dem „Hauptmann von Köpenick“, der Eckkneipe am Bahnhof, saßen noch ein paar Unioner und quatschten über das erste Geisterspiel. Geschrien wurde allerdings nicht mehr. Erstens hatte man ja verloren. Und zweitens musste man vor dem wichtigen Spiel am Freitag die Stimme schonen.