Ronaldo, Messi und Neymar bei der WM: Ihr Nervensägen!
Ronaldo, Messi und Neymar sind die besten Spieler der Welt. Doch mit ihrer Attitüde machen sie viel kaputt – und lassen den Fußball wie ein durchgestyltes Werbeprodukt erscheinen.
Allein schon das Gesicht. Entschlossen, furchtlos, rotzfrech. Ante Rebic ist, das darf man neuerdings ruhig so sagen, ein ziemlicher rebellischer Hund, wenn es darum geht, die ganz Großen zu ärgern. Vor ein paar Wochen, im Pokalfinale von Berlin, hat es der kroatische Nationalspieler in Diensten Eintracht Frankfurts dem FC Bayern nach allen Regeln der Kunst gezeigt – der bisherige Karrierehöhepunkt für Rebic.
In sein allererstes WM-Spiel ist dieser Ante Rebic, 24, nun mit zwei erklärten Zielen gegangen. Erstens: den Gegner ärgern, nerven, piesacken, überraschen. Kennt er ja – und ist bisher erstaunlicherweise wieder gutgegangen. Kroatien gewann zum Beispiel das Spiel gegen Argentinien 3:0. Und dann hatte sich Rebic noch vorgenommen, nach dem Abpfiff das Trikot dieses argentinischen Flohs namens Messi zu ergattern. Für einen Freund, einen „großen Bewunderer“, wie er zu Protokoll gab. Allerdings hätten die Argentinier einen solch schlechten Eindruck hinterlassen, „dass ich das Trikot nicht mehr haben wollte“, erzählte Rebic später in einem Interview. Es gibt ein wunderbares Bild von dieser Szene: Messi stiefelt vom Platz, dicht gefolgt von Rebic, der ihm einen bösen Blick hinterherwirft. Nach dem Motto: dann behalt deinen Sch... halt allein! Frankfurts Pokalheld unterstellte den Südamerikanern provokatives Verhalten. „Man muss auch verlieren und dem Sieger gratulieren können“, sagte er.
Kindsköpfe in überathletischen Körpern
Nun sind die Kroaten selbst bestimmt keine Kinder von Traurigkeit (Mario Basler gefällt das!) und man muss aus dieser Anekdote nicht alles ableiten. Sie fügt sich allerdings in das Bild, das die drei besten und populärsten Fußballer dieses Turniers – Messi, Ronaldo und Neymar – zuletzt abgegeben haben. Der Perfekt ist in diesem Fall zwangsläufig angebracht, weil Ronaldo, 33, und Messi, 31, seit Samstag bekanntlich draußen sind aus dem Turnier. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden sie bei der Wüsten-Weltmeisterschaft 2022 in Katar nicht mehr mit dabei sein. Es wäre auch das Ende einer Ära.
Klar, Messi und Ronaldo sind die herausragenden Spieler ihrer Zeit; als Fan sollte man sich eigentlich freuen, zwei derartige Ausnahmekönner in einer Epoche zu sehen, ja, bestaunen zu dürfen. Auch Neymar kann im durchstrukturierten Fußball des 21. Jahrhunderts jederzeit den Unterschied machen und Moves auspacken, auf die nicht einmal der kreativste Videospiel-Entwickler auf Drogen kommt. Bei aller sportlichen Klasse und Erhabenheit sind besagte Herren aber vor allem eines geworden: unfassbare Nervensägen, Kindsköpfe in überathletischen Körpern. Sie stehen für vieles, was den Lieblingssport der Welt angreifbar gemacht hat, was ihn wie ein durchgestyltes Produkt erscheinen lässt, das vor allem zwei Zwecken dient: der Gewinnmaximierung und der Selbstinszenierung.
Die Attitüde erinnert mehr und mehr an die Strukturen in der US-amerikanischen National Basketball Association (NBA): Dort gibt es den sogenannten „Franchise-Player“, also das Gesicht des Vereins, der von diversen Rollenspielern flankiert wird. Alle sind ersetzbar – nur eben nicht der „Franchise Player“, dem das Team nach allgemeinem Dafürhalten gehört, der es anführt und lenkt, ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten.
Messis Masterplan konnte nicht aufgehen
Kommt Ihnen bekannt vor, oder? Herzlich willkommen zur Fußball-WM! Fangen wir mal mit Lionel Messi an: Die narzisstische Ader des Argentiniers ist zwar nicht ansatzweise so ausgeprägt wie Ronaldos oder Neymars, oft wirkt er sogar wie ein Gegenentwurf. Zurückhaltend, schüchtern, introvertiert. Und doch hat Messi seine Ticks und Macken. Wie überall zu lesen war, kam die Aufstellung der Argentinier bei dieser WM nicht von ihrem Trainer Jorge Sampaoli, sondern eben von Messi. Solche Privilegien genießt sonst nur Turki al Sheikh, der saudi-arabische Sportminister. Bei allem Verständnis für Messis Frust und den Umstand, dass er seit 2005 acht Nationaltrainer über sich ergehen lassen musste, kann niemand ernsthaft gutheißen, dass einer komplett über den Dingen steht und einer, nämlich der offizielle Entscheidungsträger, offenbar komplett darunter. Zumal Messi – anders etwa als Argentiniens ewiger Held Diego Maradona 1986 – beileibe nicht von Holzfüßen orchestriert wird, sondern von richtig guten Kickern. Etwa von Sergio Agüero, Paulo Dybala, Gonzalo Higuaín oder Javier Mascherano.
Argentiniens – oder sollte man besser sagen: Messis? – sensationeller Masterplan für die WM sah so aus: Zehn Leute laufen, kämpfen und grätschen für einen, der wiederum in der Rückwärtsbewegung keinen Finger krumm macht. Es ist wenig überraschend, dass sich dieser Ansatz anno 2018 als kaum praktikabel und zielführend erweisen sollte. Am Ende stand für den Finalisten von 2014 das Aus im Achtelfinale – sogleich das schlechteste Abschneiden seit der WM 2002.
Eine ähnliche harte Landung auf dem Boden der Tatsachen hat am Samstag, wenige Stunden nach dem argentinischen Aus, auch Europameister Portugal erleben müssen. Während der 90 Minuten gegen Uruguay (1:2) führte Ronaldo mal wieder alle Zirkusstückchen auf, die sein umfassendes Repertoire hergibt: vor Freistößen stand er so breitbeinig da, als hätte ihm jemand eine Packung Viagra in den morgendlichen Kaffee geschüttet (wobei noch zu klären wäre, ob der Asket Ronaldo derart ungesundes Gesöff überhaupt konsumiert). So weit, so vorhersehbar. In den Schlussminuten zeigte Ronaldo jedoch sein hässliches Gesicht. Wie er den Schiedsrichter in der Nachspielzeit anging, war eines dreifachen Weltfußballers unwürdig. Ronaldo bestätigte mit seinem Verhalten die alte Binse, dass sich die wahre Größe eines Sportlers nicht im Sieg zeigt, sondern im Moment einer bitteren Niederlage (siehe Messi und Rebic).
Ein Egomane in einem Teamsport
Damit zur nervigsten Nervensäge des Turniers, zu Neymar. Die größte Sorge des 26-Jährigen scheint darin zu bestehen, der Weltöffentlichkeit in fast jedem Spiel einen neuen Look zu kredenzen. Zum Auftakt gegen die Schweiz trug er eine, nun ja, Frisur, die optisch an das Stadion der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking erinnerte. Im Volksmund heißt die Arena auch Vogelnest, aber das nur am Rande. Ein paar Tage später jedenfalls war von dieser modischen Schandtat nicht mehr viel übrig, Neymar trug deutlich kürzeres Haupthaar über den Platz und man fragte sich schon: Hat der Typ keine anderen Aufgaben?
Natürlich muss man ihm auch das zugestehen, Freizeit- und Haupthaargestaltung sind schließlich jedem selbst überlassen, auch bei einer Fußball-WM. Allerdings darf sich Neymar auch nicht wundern, dass er stets ganz genau beäugt wird, vielleicht noch genauer als Messi und Ronaldo. Und dass manche dabei so über das Ziel hinausschießen, dass Neymar auf die Tränendrüse drückt, die Welt zu seinem Gegner erklärt und viele Reporter Lügner schimpft.
Wohl gemerkt jener Neymar, der Paris St. Germain 222 Millionen Euro wert war. Der sich vertraglich zusichern ließ, bei seinem neuen Arbeitgeber sämtliche Elfmeter ausführen zu dürfen. Die eigene Quote muss schließlich stimmen. Dieser Mann muss ein übler Egomane sein, der in einem Teamsport unterwegs ist – und leider, leider wohl noch einige Zeit im Turnier vertreten sein wird. Dann doch lieber Ante Rebic.
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