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Shootingstar. Arne Maier ist im Mittelfeld der Hertha gesetzt.
© Imago

Arne Maier von Hertha BSC: „Ich wusste, dass ich auf vieles verzichten muss“

Hertha-Stammspieler Arne Maier im Interview über die Verpflichtung dem Talent gegenüber, seine Zahnspange als Markenzeichen und die Kritik vom Großvater.

Arne Maier ist eine der positiven Überraschungen der Bundesliga-Saison. Er hat sich mit seinen 20 Jahren bereits einen Stammplatz bei Hertha BSC erkämpft. Wir haben mit ihm gesprochen.

Herr Maier, wie gut können Sie schwimmen?
Schwimmen? Es ist gerade nicht das passende Wetter, aber sonst kann ich sehr gut schwimmen. Vor allem Brust und Rücken. Kraul geht so. Warum fragen Sie?

Weil Ihre Schwester eine ganz gute Schwimmerin gewesen sein soll.
Das stimmt. Sie war in der Jugend sehr erfolgreich, sogar Landesmeisterin in Brandenburg. Bei ihren Wettkämpfen bin ich oft in der Halle gewesen und habe zugeschaut. Aber irgendwann hat sie sich dann leider gegen das Schwimmen entschieden und sich auf ihr Abitur konzentriert.

Ihre Schwester ist sechs Jahre älter. Haben Sie damals schon einen Eindruck davon bekommen, wie viel sie für den Leistungssport investieren musste?
Eigentlich nicht, weil ich da noch ziemlich jung war. Später war sie von uns beiden diejenige, die immer in ihrem Zimmer saß und für die Schule gelernt hat. Ich war dagegen eher auf dem Fußballplatz zu finden. Schwimmen habe ich auch mal probiert – aber da war ich nur zwei Mal, dann bin ich wieder aus dem Verein ausgetreten, weil es mir einfach keinen Spaß gemacht hat. Von da an gab es eigentlich nur Fußball.

Ist es eigentlich leichter, als Jugendlicher durchzuhalten, wenn man weiß, dass sich die ganze Mühe am Ende auch finanziell auszahlen kann?
Wenn man, wie man so schön sagt, sein Hobby zum Beruf machen kann, lohnt sich die Mühe auf jeden Fall. Als ich zu Hertha gewechselt bin, wusste ich, dass ich auf vieles verzichten muss, dass ich morgens früh aus dem Haus muss, abends spät nach Hause komme und meine Freunde aus Ludwigsfelde nicht mehr so oft sehen kann. Aber so, wie es gelaufen ist, ist es schon ganz gut.

Gab es in Ihrer Karriere trotzdem mal einen Punkt, an dem Sie gezweifelt haben, ob sich der ganze Aufwand lohnt?
Die Phase, als ich dauernd Schmerzen an der Leiste hatte und die Ärzte die Ursache lange Zeit nicht gefunden haben, die war nicht einfach für mich.

Bis bei Ihnen ein Beckenschiefstand diagnostiziert und zur Korrektur eine Zahnspange verpasst wurde.
Genau. Das war ein Segen. Trotzdem bin ich froh, wenn die Spange rauskommt. Ich hoffe, im Sommer ist es endlich so weit. Wobei viele sagen, ich sollte sie drin lassen.

Wieso das?
Weil sie inzwischen mein Markenzeichen ist (lacht).

Wann ist Ihnen bewusst geworden, dass Sie ein Talent besitzen, das Sie aus der Masse heraushebt?
Als ich bei Hertha als Jugendspieler meinen ersten Fördervertrag unterschrieben habe. Da war ich, glaube ich, 14 oder 15. Aber du merkst das natürlich auch bei Turnieren in der Jugend, wenn du als bester Spieler ausgezeichnet wirst, als bester Torschütze. Und in der Jugend hast du ja fast jedes Wochenende ein Turnier.

Haben Sie es als eine Art Verpflichtung empfunden, diesem Talent gerecht zu werden?
Es gab sicher auch mal Tage, an denen du nicht so gut drauf bist und vielleicht ein bisschen weniger machst. Aber für mich war das schon eher eine Verpflichtung. Ich wusste: Fußball muss es sein. Etwas anderes gab es nicht. Und dafür, dass ich jahrelang um sechs Uhr morgens aufgestanden bin, hat es sich gelohnt.

Sie sind ein junger Bursche und bekommen von allen Seiten viel Lob. Wie verarbeiten Sie diesen Hype?
Indem ich versuche, immer meine Leistung zu bringen. Sonst steht in der Zeitung auch ganz schnell was Negatives über dich. Aber es ist nicht immer einfach, das alles richtig einzuschätzen. Natürlich helfen mir meine Freunde, mit denen ich schon zusammen im Kindergarten war, meine Familie und auch der Verein.

Michael Preetz, Herthas Manager, hat gesagt, Sie würden vielleicht eines Tages zu groß für Hertha werden. Was macht ein solcher Satz mit Ihnen?
Nichts so wirklich. Es freut mich, aber ich kann das ganz gut einordnen. Jeder Spieler hat Ziele in seiner Karriere, und mit Hertha die Champions League zu gewinnen, wird vermutlich schwer.

Und was meint Ihr Mitspieler Per Skjelbred, wenn er sagt: Arne Maier hat Fußball in seinem ganzen Körper?
Fußball ist bisher das Einzige im Leben, was ich habe. Fußball ist immer bei mir. Und überall, wo ich hingehe. Ich komme zum Training – Fußball. Ich gehe zu meinem Kumpel – Fußball. Überall ist Fußball.

Seite 2: Maier, der Familienmensch

Arne Maier, 20, wurde in Ludwigsfeld geboren. Deutschlandweit gilt er als eines der besten Talente.
Arne Maier, 20, wurde in Ludwigsfeld geboren. Deutschlandweit gilt er als eines der besten Talente.
© imago/Jan Huebner

Wie viele Bälle haben Sie in Ihrer Wohnung?
Einer ist in einer Vitrine ausgestellt, und einer liegt auf dem Boden. Den haue ich ab und zu mal gegen die Wand, wenn mir danach ist. Aber der ist aus Schaumstoff, keine Angst.

Angeblich wollte Manchester United Sie schon mit 13 verpflichten. Wie muss man sich das vorstellen?
Bevor ich einen Berater hatte, haben die Vereine immer bei meinem Vater angerufen. Manches habe ich mitbekommen, aber meine Eltern haben mir auch nicht alles erzählt. Das war wahrscheinlich auch besser so. Aber für mich stand sowieso nie zur Debatte, so früh den Verein zu wechseln. Ich habe mir auch in Deutschland einige Nachwuchsleistungszentren angesehen, bevor ich zu Hertha kam. Aber eigentlich gab es nur Hertha.

Weil Sie den Rückhalt Ihrer Familie brauchen?
Auf jeden Fall. Wenn ich freihabe, fahre ich zu meinen Eltern nach Ludwigsfelde, erst diese Woche war ich noch da. Meine Familie hat mich immer unterstützt, nicht nur meine Eltern, auch meine Großeltern. Sie haben mich zum Training gefahren, sind bei jedem Auswärtsspiel dabei gewesen, bei jedem Turnier. Heute können sie sich meine Spiele im Fernsehen anschauen. Das ist für sie schon deutlich entspannter geworden.

Geht Ihr Vater kritischer mit Ihnen um als Ihr Großvater?
Beide sind stolz, und beide kritisieren mich.

Ihr Opa auch?
Das habe ich erst diese Woche noch erfahren dürfen, als ich zu Hause war.

Und: Hatte er recht?
Na ja, unser Auftritt am vergangenen Wochenende in Düsseldorf war jetzt nicht so, dass man nichts Kritisches findet. Wir müssen uns steigern, wenn wir in der Rückrunde besser abschneiden wollen.

Was haben Sie sich persönlich vorgenommen?
Noch mehr Verantwortung auf dem Platz zu übernehmen. Und Scorerpunkte zu sammeln natürlich.

Was heißt das konkret: noch mehr Verantwortung übernehmen?
Mehr Initiative ergreifen, wenn es mal nicht so gut läuft, nicht resignieren, sondern einfach weiter machen.

Und die Scorerpunkte?
In der Jugend habe ich ständig getroffen und Tore vorbereitet. Dass mir das bei den Profis nicht gelingt, das ärgert mich mega. Ehrlich. Natürlich habe ich eine etwas andere Rolle. Ich spiele hier defensiver als in der Jugend. Trotzdem: In der Rückrunde sollte endlich das erste Tor fallen. Muss fallen (lacht).

Wann hat Ihre Familie sich mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, dass Sie mal Profi werden?
Sehr früh schon, in der U 8 oder U 9, als ich noch in Ludwigsfelde zur Schule gegangen bin und meine Eltern mich fast jeden Tag nach Berlin gefahren haben. Die Wege waren schon intensiv. Damals hat Herthas Jugend noch am Nordufer gespielt. Das war schon stressig für meine Eltern. Um kurz vor sieben ging es los. Meine Mutter hat mich erst nach Berlin gebracht und ist dann weiter zu ihrer Arbeit nach Potsdam. Und das vier Jahre lang. Heute können wir darüber lachen.

Haben Sie im Auto geschlafen?
Jeden Morgen.

Inzwischen haben Sie eine eigene Wohnung in Berlin. Wie machen Sie sich als Hausmann?
Meine Wohnung ist blitzeblank sauber.

Wie sieht es mit Kochen aus?
Eier und Nudeln kann ich. Alles was einfach ist und schnell geht.

Was würden Sie auftischen, wenn wir zu Besuch kämen?
Wahrscheinlich würde ich was bestellen (lacht).

Dem deutschen Fußball-Nachwuchs wird nachgesagt, ein bisschen verwöhnt zu sein, weil den jungen Spieler alles abgenommen wird. Wie empfinden Sie diese Diskussion?
Alles wird den Spielern ja nicht abgenommen. Spielen musst du schon selber. Da steht kein anderer für dich auf dem Platz, läuft für dich oder schießt ein Tor für dich.

Und außerhalb des Platzes?
Da wird uns natürlich vieles abgenommen. Wir bekommen hier beim Klub zum Beispiel ein Frühstück, Mittagessen.

Und wenn Sie zum Amt müssen, sich ummelden zum Beispiel: Machen Sie das selbst?
Das mach ist selbst, ja.

Ist das Ihr Wunsch, um den Kontakt zum normalen Leben nicht zu verlieren?
Ich wusste gar nicht, dass es auch anders geht.

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