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Einmaliger Besuch. Joachim Gauck (Mitte, 3. v. r.) begeisterte sich für die Olympischen Spiele in London 2012 – Sotschi aber will er fern bleiben.
© Imago

Athletensprecher Breuer über Gaucks Fernbleiben: „Ich wünsche mir ein Statement“

Bundespräsident Gauck will nicht zu den olympischen Winterspielen nach Sotschi fahren. Athletensprecher Christian Breuer bemängelt die Symbolpolitik auf Kosten des Sports.

Herr Breuer, Sie sollen im Februar als Athletenvertreter nach Sotschi fahren. Haben Sie schon mal über einen Boykott der Winterspiele nachgedacht?

Ein persönlichen Boykott von meiner Seite? Nein, habe ich nicht. Ich bin hauptsächlich dort, um für die Sportler Dinge zu regeln, die das Organisationsbüro nicht leiste kann. Außerdem würde ich damit die Athleten allein lassen, die anreisen. Das stand für mich nie zur Diskussion.

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck fährt nicht nach Sotschi, was von vielen als Boykott gewertet wird.

Ich glaube, dass man dem Bundespräsidenten nicht das Wort Boykott in den Mund legen braucht, wenn er es selber nicht ausspricht. Er setzt damit ein Zeichen, aber er boykottiert, so glaube ich, nicht die Spiele. Wenn ein Bundespräsident etwas boykottieren will, dann sagt er es auch.

Viele verstehen aber sein Nichtkommen als Kritik an der russischen Politik. Sie auch?

Ich finde es schwierig, das so auszulegen. Wenn Herr Gauck in einem Satz gesagt hätte, ich möchte nicht auf einer Tribüne neben Herrn Putin gesehen werden, würde ich das so deuten. Aber ich weiß auch, dass eine Reise nach Sotschi nie bei ihm auf dem Kalender stand.

Christian Breuer ist Athletensprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes.
Christian Breuer ist Athletensprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes.
© dpa

Hätten Sie sich eine klarere Aussage von Herrn Gauck gewünscht?

Wenn sein Nichterscheinen in Deutschland eine Diskussion auslöst, die in der Vorbereitung der Sportler aufkocht, dann würde ich mir schon wünschen, dass er das Ganze durch ein klareres, den Sport entlastendes Statement entschärft. Es wäre schön, wenn nicht wieder andere oder der Athletensprecher definieren müssen, warum Herr Gauck nicht hinfährt.

Wie kann man die Sportler auf diese politischen Spiele vorbereiten?

Wir haben es in Peking so gehalten, dass wir unsere Vorbereitungen nicht medienwirksam publiziert haben. Damals hat ein Journalist, der seit zehn Jahren in Peking lebte, ein Art Sprechstunde im Deutschen Haus durchgeführt.

Welche Themen werden in Sotschi wichtig? 

Wir werden den Athleten zeitnah zu den Spielen Informationen bieten. Sei es zur Gesetzgebung in Russland oder der möglichen Ausbeutung auf Baustellen. Aber es ist die Frage, was noch dazu kommt. Wir haben zwar nur noch 60 Tage, aber zurzeit schwelt zum Beispiel ein Konflikt in der Ukraine, das ist Weltpolitik, das können wir nicht kontrollieren.

Amnesty International erwartet von Sportlern und Funktionären, dass sie Menschenrechtsverletzungen gegenüber Putin deutlich ansprechen. Erwarten Sie das auch?

Eine super Idee. Das hört sich leider so an, als würden wir jeden Morgen mit Putin frühstücken, was völlig unrealistisch ist. Diese Aussage soll den Ernst in keiner Weise schmälern. Ich verstehe das Anliegen, es ist auch richtig, wenn ich die Gelegenheit dazu habe. Aber ehrlich: Muss das einer in der Jogginghose tun? Haben wir nicht ganz andere Leute dafür?

Zum Beispiel wen?

Wir haben einen hochbezahlten diplomatischen Korps, der alle Gepflogenheiten kennt. Und wir schicken unsere Sportler in Turnschuhen vor. Das schmeckt mir nicht. Dass wir Sportler von unserem Land vorgeschickt werden, um diese Probleme anzusprechen. Und die Personen, die tagtäglich mit Russland zu tun haben, bleiben unangetastet. In unserer Wirtschaft gibt es viele Unternehmen, die sicherlich Homosexuelle beschäftigen. Sind die mal gefragt worden, ob sie etwas bei ihren russischen Vertragspartnern kritisch angesprochen haben? Die fragt man nicht, weil das schwieriger ist als beim Sport.

Zeigen die Diskussionen nicht auch, welch große Plattform die Spiele sind?

Das ist auch gut. Wir richten mit den Spielen das Augenmerk auf Länder, in einer Weise, dass auch Probleme angesprochen werden. Aber meine Kritik dabei ist: Der Sport wird dabei schnell geopfert. Was gebe ich als Person auf, die den Zeigefinger erhebt, wenn ich den Sport vorschicke? Schicke ich die Wirtschaft vor, dann kostet mich der Strom im nächsten Jahr nicht 30 Cent pro Kilowattstunde, sondern 60 Cent. Beim Sport aber opfert man nichts. Das mit der Plattform stimmt, aber man muss immer noch sehen, weswegen wir in erster Linie als Athleten in Sotschi sind. Und das ist immer noch der Sport.

Das Gespräch führte Benedikt Voigt.

Christian Breuer, 37, ist Polizist und Athletensprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes. 2006 beendete er seine Eisschnelllaufkarriere, in der er 15 Mal Deutscher Meister wurde.

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