Fifa: Kandidat Michael van Praag: „Ich will keine goldenen Türklinken“
Der Holländer Michael van Praag will im Mai Joseph Blatter als Fifa-Präsident ablösen. Im exklusiven Interview mit dem Tagesspiegel erklärt er, warum und wie er das möchte.
Herr van Praag, Sie sind nicht nur fußballbegeistert. Sie spielen auch Klavier, Schlagzeug und Tuba. Welche Melodie beschreibt die Fifa derzeit am besten?
Eine sehr, sehr langsame in Moll. Ich spiele Schlagzeug in einer Big Band. Und ich will, dass die Fifa wie ein Swing klingt, mit vielen Trompeten und Posaunen.
Warum wollen Sie Joseph Blatter als Fifa-Präsident ablösen?
Das große Problem ist doch: Der Fifa-Präsident ist ein exekutiver Präsident, er trägt für alles die finale Verantwortung – für die guten und schlechten Dinge. Die meisten Menschen denken aber nur schlecht von der Fifa. Sie verbinden sie mit Korruption, Bestechung, Nepotismus und Geldverschwendung. Wenn man diese verfahrene Situation verbessern will, wird das nur mit einem neuen Präsidenten erfolgreich sein. Das hat nichts mit Blatters Kompetenzen zu tun, aber es ist einfach vorbei für ihn. Das habe ich ihm auch schon mehrmals gesagt. 2014 auf dem Fifa-Kongress in Sao Paulo und danach im Oktober, als ich ihn in seinem Büro in Zürich besucht habe.
Wie hat er darauf reagiert?
Gar nicht. Er war freundlich wie immer. Wir mögen uns ja auch, aber hier geht es einfach um unterschiedliche Ansichten. Im Januar habe ich ihn übrigens noch einmal in seinem Büro besucht und ihn gebeten, nicht noch einmal zu kandidieren. Aber er hat das abgelehnt.
Was möchten Sie als Präsident verändern?
Es darf nicht mehr so viel Macht in der Hand des Präsidenten sein. Zudem muss man offenlegen, warum und wofür all das Geld ausgegeben wird. Im vergangenen Jahr bekam jeder Verband eine Bonuszahlung in Höhe von 500.000 Euro. Warum genau 500.000? Warum nicht 200.000 oder 800.000? Die Fifa sollte nicht vergessen: Das Geld, das sie ausgibt, gehört ihren Mitgliedsverbänden. Doch sie gibt es für einen Promotion-Film über Blatter und die Fifa-Gründer mit Schauspieler Tim Roth aus. Mehr als 20 Millionen Euro hat das gekostet, und dieses Geld wurde ohne das Wissen der nationalen Verbände ausgegeben. Nicht mal das Fifa-Exekutivkomitee wusste davon. Ich will die Fifa transparenter machen. Auch mein Präsidentengehalt würde ich offenlegen.
Sie wollen den Verbänden aber auch mehr Geld geben: eine Million Dollar pro Jahr statt bisher 250 000 Dollar. Öffnet das nicht die Tür, dass die Verbände damit Misswirtschaft betreiben?
Nein, ich will ja nicht einfach Geld verschenken. Ich will ja auch, dass die Fifa den Verbänden mehr über die Schulter schaut, was sie damit anstellen. Ich will keine goldenen Türklinken in den Verbandszentralen. Das Geld muss für die Fußballentwicklung ausgegeben werden. Außerdem will ich die Kosten bei der Fifa reduzieren. Bisher hat noch niemand bei der Fifa darüber geredet, die allgemeinen Ausgaben zu senken. Aber das ist eine der Grundlagen, wenn man eine Organisation führt. Und als Resultat kann man den Verbänden mehr Geld zukommen lassen.
"40 WM-Teilnehmer ist eine gute Zahl"
Außerdem wollen Sie die WM von 32 auf 40 Mannschaften erweitern.
Auch das ist nicht nur ein Geschenk. 40 ist eine gute Zahl, denn das entspricht nur 20 Prozent der Mitgliedsverbände. Im europäischen Verband Uefa nimmt fast schon die Hälfte der Mitglieder an der EM teil. Ich möchte jeder Konföderation einen weiteren festen Startplatz geben, so dass auch Ozeanien endlich einen hat. Und nicht irgendwelche Ausscheidungsspiele gegen Länder anderer Kontinentalverbände austragen muss. Zusätzlich soll der Titelverteidiger einen festen Startplatz erhalten.
Sie fordern, den Report des Fifa-Ermittlers Michael Garcia zu veröffentlichen. Sind Sie auch dafür, neue, wirklich unabhängige Untersuchungen über die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 einzuleiten?
Was heißt unabhängiger? Ich möchte jetzt wirklich etwas klarstellen: Die untersuchende Ethik-Kommission ist unabhängig, sie kann gar nicht unabhängiger sein. Alle Personen in den Disziplinargremien sind unabhängig. Vielleicht mögen wir nicht das Ergebnis, aber die Fifa-Ermittler haben nun mal dieses Ergebnis nach zwei Jahren Arbeit vorgelegt.
Was würden Sie als Fifa-Präsident im Hinblick auf die schlechten Arbeitsbedingungen auf den Baustellen in Katar tun?
Dieses Thema verfolge ich schon lange. Bei einer Sitzung des Uefa-Exekutivkomitees habe ich angeregt, der Fifa vorzuschlagen, von nun an bei jeder Vergabe die Situation der Menschen- und Arbeitsrechte in dem jeweiligen Land zu berücksichtigen. Wir haben diese Idee an die Fifa weitergeleitet, aber ich weiß nicht, ob die Fifa das umsetzen wird. Wenn ich Präsident werde, wäre das einer der ersten Beschlüsse, die ich treffen würde.
Glauben Sie, dass Sie eine echte Chance haben?
Das ist ja immer die entscheidende Frage im Sport. Wenn ein kleiner Verein gegen Bayern München spielt, scheint er zunächst chancenlos. Aber es passiert dann doch ziemlich oft, dass der Außenseiter gewinnt. Um ehrlich zu sein, beschäftige ich mich gerade eher damit, dass ich meinen Wahlkampf so gut wie möglich führe. Aber wenn Sie mich kurz vor der Wahl am 29. Mai noch mal fragen, kann ich eine verlässliche Antwort darauf geben, wie meine Chancen aussehen.
Wann wollen Sie einen schärferen Ton in diesem Wahlkampf anschlagen – auch gegenüber den zwei anderen Herausforderern Prinz Ali bin al-Husein und Luis Figo?
Ach nein, ich möchte mich jetzt vor allem darauf konzentrieren, die nationalen Verbände für meine Ideen und Beweggründe zu begeistern. Der Uefa-Kongress in Wien war ein Anfang. Aber der Wahlkampf geht doch jetzt erst richtig los.
Uefa-Präsident Michel Platini hat Ihnen und den anderen Kandidaten Redezeit gegeben. Hat er Sie auch ermuntert, überhaupt zu kandidieren?
Niemand hat mich gebeten. Das war meine eigene Initiative. Ich hatte das eigentlich gar nicht geplant. Ich hatte darauf gewartet, dass Europa einen aussichtsreichen Kandidaten ins Rennen schickt. Dann erfuhr ich kurz vor Weihnachten, dass die Fifa-Präsidentenwahl so ablaufen könnte wie vor vier Jahren: ohne einen Gegenkandidaten für Blatter. Das wollte ich nicht. So voranzugehen ist einfach in meinem Blut, ich kann daran nichts ändern. Wenn also niemand den Handschuh hinwirft, mache ich es eben. Ich bin kein Uefa-Kandidat – niemand der Bewerber ist das.
"Ich spüre viel Unterstützung"
Welche Verbände stehen hinter Ihnen?
Ich spüre die Unterstützung vieler Verbände, unter anderem von Deutschland. Aber ich kann hier nicht offen verkünden, wer im Detail mir seine Stimme geben will. Im Fußball will sich niemand exponieren. Was ich jedoch sagen kann: In vielen Gesprächen zeigen sich die anderen Verbände offen. Manche sagen dann gleich von selbst: „Wir brauchen Veränderung.“ Andere sind aber auch zurückhaltender und finden, es sei mit der Fifa nicht so schlecht wie alle erzählen. Ich muss das alles eben herausfinden und so viele wie möglich von meiner Philosophie überzeugen.
In Afrika und Asien dürfte das nahezu unmöglich werden.
Es ist wahr, dass manche Konföderationen Blatter bereits offen ihre Unterstützung zugesagt haben. Aber das muss nichts heißen.
Warum nicht?
Ich kenne diese Situation von meiner Wahl als Präsident des Niederländischen Verbands 2008. Da bin ich als Kandidat des professionellen Fußballs gegen einen Kandidaten des Amateurlagers angetreten. Zwei Vertreter der Amateure haben dann trotzdem für mich gestimmt, obwohl sich das Amateurlager darauf geeinigt hatte, im Block abzustimmen. Man weiß also nie, wen man alles noch überzeugen kann. Es ist eine geheime Wahl.
Sie wollen ein Kandidat des Übergangs sein und nur vier Jahre im Amt bleiben. Wäre Michel Platini danach ihr Wunschkandidat?
Ich habe keine Wunschkandidaten für die Zeit ab 2019. Ich muss ja erst mal die erste Hürde überspringen. Sollte ich tatsächlich gewinnen, hoffe ich, dass wir uns alle gemeinsam schon ab 2017 überlegen, wer mein Nachfolger sein könnte. Damit ich mit ihm zusammen die nächsten Schritte angehen kann. Für die Kontinuität der Fifa wäre das ideal, weil mein Nachfolger und ich uns schon abstimmen könnten und es nach mir nicht wieder von vorne losgeht, weil er meine Ideen blöd findet.