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Gegen den FC Bayern bekam es Lukas Klünter (links) mit Kingsley Coman zu tun.
© Matthias Balk/dpa

Herthas Lukas Klünter im Interview: "Ich hatte nicht vor, Profi zu werden"

Lukas Klünter über sein Studium, seinen ungewöhnlichen Weg in den Profifußball und die neue Ausrichtung von Hertha BSC unter Cheftrainer Ante Covic.

Herr Klünter, Sie sind langsamer geworden, haben wir uns sagen lassen.
Wer hat das gesagt?

Der „Kicker“ hat es geschrieben: Ihr Top-Speed in der vorigen Saison lag bei 35,40 Kilometern pro Stunde – Spitzenwert der gesamten Liga. In diesem Jahr sind es nur 34,45 und Platz vier ...
Ja, nach dem ersten Spieltag! Den Bestwert habe ich in der abgelaufenen Saison auch erst spät geschafft.

Was bedeuten Ihnen solche Zahlen?
Über das Fußballerische sagen sie natürlich nicht viel aus, aber Geschwindigkeit ist ein wesentlicher Baustein in meinem Spiel. Ich kann nach hinten viele Bälle ablaufen, aber auch nach vorn Tempo machen.

Sie sind mal 10,6 Sekunden über 100 Meter gelaufen.
Da können Sie an der Sporthochschule in Köln nachfragen, das war im Leichtathletik-Kurs. Ich hatte mir extra Spikes gekauft. Ich wollte es wirklich wissen. Es ist bis heute so, dass ich kein Laufduell verlieren will. Auch nicht im Training.

Haben Sie Ihre Schnelligkeit von der Mutter, vom Vater oder vom Himmel?
Eher vom Himmel. Ich kann tatsächlich nicht sagen, woher es kommt.

Was lässt sich mit 23 Jahren einfacher erlernen: Geschwindigkeit oder Technik?
Eine gewisse Grundschnelligkeit muss man mitbringen. Mir wurde immer gesagt, dass die technischen Sachen einfacher aufzuarbeiten sind. Technisch habe ich nicht die beste Ausbildung erhalten, weil ich quer eingestiegen bin. Da musste ich mich noch entwickeln und dieser Prozess ist auch immer noch nicht abgeschlossen.

Ein Schritt zurück: Ist Ihnen als Kind schon aufgefallen, dass Sie schneller sind als alle anderen oder dass Sie besser kicken können als die allermeisten?
Eher, dass ich schnell bin. Mir liegen generell Ballsportarten, aber für den Aufnahmetest zum Studium an der Sporthochschule in Köln muss man breit aufgestellt sein.

Sie studieren Sport, Erlebnis und Bewegung. Der Test ist nicht ohne.
Ich sage nur Kugelstoßen. Und Schwimmen war nicht so meins.

Wie weit sind Sie mit der Kugel gekommen?
Schon ein Stückchen über den Mindestwert. Ich bin schon sportlich begabt, aber hatte in jungen Jahren nicht vor, Fußballprofi zu werden. Danach habe ich nicht gestrebt und auch nicht danach gelebt.

Ihr Traum war es nicht?
Erst als ich in einem relativ schnellen Tempo immer wieder den nächsten Schritt machen konnte. Da habe ich gemerkt, dass die Chance besteht, Profi zu werden, und dann wurde es auch mein Traum.

Ihre Karriere verlief anfangs eher über Dorfklubs.
Ja, nach einem Superjahr beim TSC Euskirchen konnte ich zum Bonner SC in die A-Jugend-Bundesliga wechseln. Das war ein kleiner Schritt.

Es hat sich dann einfach so ergeben mit dem Profidasein?
So kann man es auch ausdrücken. Erst als ich die Chance wirklich wahrgenommen habe und beim 1. FC Köln in der U 19 gelandet bin, wollte ich den Profifußball auch erreichen. Zum FC bin ich anfangs mit dem Gedanken, mal zu schauen, wie es läuft.

Wie lief es?
Ein halbes Jahr später durfte ich mit den Profis ins Trainingslager nach Orlando fahren. Dort konnte ich mich Trainer Peter Stöger gut präsentieren und durfte immer mal wieder mittrainieren. Ich hatte aber relativ lange einen Amateurvertrag.

"Dann bin ich wohl eine Rarität"

Seit Saisonbeginn wird Klünter bei Hertha von Ante Covic trainiert.
Seit Saisonbeginn wird Klünter bei Hertha von Ante Covic trainiert.
© Soeren Stache/dpa

Was wären Sie sonst geworden?
Gute Frage. Ich hatte den Plan zu studieren und dann ins Sportmanagement oder in den Sporttourismus zu gehen. Und ich habe ganz früher mal ein Praktikum als Koch gemacht.

In einem Restaurant?
Sie werden lachen, in einem Sternerestaurant in meinem Heimatort Erftstadt. War echt gut. Ich koche sehr gern.

Jetzt studieren Sie. Aber nicht, weil Sie dem Braten Profifußball immer noch nicht trauen, sondern ...
... ich mache das für den Kopf. Als ich noch in Köln spielte, war es bedeutend einfacher, Sport und Studium unter einen Hut zu bringen. Im Studium herrscht Anwesenheitspflicht. Ich bin aber mit der Hochschule in Kontakt und möchte es zu Ende bringen. Vielleicht kann ich es in Berlin fortführen.

Wie weit sind Sie?
Im achten Semester, aber wegen der Umstände erst ungefähr im dritten.

Sie sind als Quereinsteiger eine Ausnahme im deutschen Fußball der Jetztzeit. In Köln haben Sie mit Jonas Hector zusammengespielt, auf den das auch zutrifft. Kennen Sie aber den Urahn der Quereinsteiger?
Nein, aber Sie werden es mir sagen.

Miroslav Klose. Der Rekordtorschütze der deutschen Nationalmannschaft hat nie ein Nachwuchs-Bundesleistungszentrum betreten, keine Akademie, nichts davon.
Ja, dann bin ich wohl auch eine Rarität.

Welche Nachteile bringt das mit sich?
Fehlen tut mir nichts, aber meine größte Qualität ist die Schnelligkeit, dafür sind andere Sachen nicht auf diesem Niveau mitgewachsen oder entwickelt. In Leistungszentren lernt man da deutlich mehr in jungen Jahren. Ich habe zu der Zeit aber noch ein bisschen auf Asche gezockt und auf dem hohen Gras die Blümchen gepflückt. Aber ehrlich gesagt würde ich das nicht anders wollen im Nachhinein. Ich konnte meine Kindheit und Jugend in vollen Zügen genießen. Die meisten, die jetzt Profis sind, konnten das nicht.

Unterhalten Sie sich mit Gleichaltrigen, die durch die Leistungszentren gelaufen sind?
Ja, klar. Ich kenne viele, die in frühen Jahren schon umziehen mussten, das wäre für mich nie infrage gekommen, selbst wenn es die Chance gegeben hätte.

Weil Sie nicht besessen dieses Ziel verfolgt haben?
Weil ich es nicht gesehen habe, dieses Ziel. Die Möglichkeit war lange gar nicht vor meinen Augen.

Glauben Sie, dass dem deutschen Fußball talentierte Quereinsteiger verloren gehen?
Ich glaube kaum, dass es heute viele Talente gibt, die den Scouts nicht auffallen. Heute werden ja schon Kinder gesichtet und gescoutet. Dass da mal einer durchfällt, ist doch sehr selten.

Hat man Sie übersehen, verkannt oder wollten Sie einfach nicht in ein Leistungszentrum?
Ich weiß nicht genau, wie alt ich war, aber ich hätte mal ein Probetraining beim 1. FC Köln machen können.

Stimmt es, dass Sie nicht hingegangen sind, weil Sie glaubten, nicht gut genug zu sein?
Ja. Ich spielte bei meinem Heimatverein der Spielgemeinschaft Friesheim/Weilerswist und habe wirklich nicht gedacht, dass ich das schaffen könnte. Den Versuch hätte man ja mal starten können, aber irgendwie war ich nicht bereit dafür.

Wie meinen Sie das?
Ich dachte, das kann nicht klappen. Eben weil ich mich nicht bereit gefühlt habe. Das habe ich meinem damaligen Trainer auch so gesagt.

Was hat Ihr Umfeld gesagt?
Die haben das alle verstanden. Meine Eltern sowieso, die unterstützen mich in allem. Sie sind ganz bodenständig und eher ein bisschen vorsichtig

Haben Sie noch Kontakt zu Jungs aus Ihren ersten Vereinen?
Mit mehreren. Wir waren eine richtige Clique. Vom Talent her hatte ich nicht das Gefühl, dass ich extrem raussteche.

Ihr früherer Nachwuchstrainer Volker Sauré hat mal gesagt, Sie hätten alle Anlagen gehabt. Aber er hatte die Sorge, dass Sie für das Profigeschäft zu zurückhaltend, zu höflich und zu schüchtern seien. Erkennen Sie sich wieder?
Damals schon. Wir haben immer noch Kontakt, weil er der Onkel meines besten Freundes ist. Ich habe mit ihm mehrmals darüber gesprochen. Er dachte immer, ich sei zu lieb, zu nett, aber ich habe ihn mittlerweile davon überzeugt, dass ich mich ganz gut durchsetzen kann.

Jetzt spielen Sie gegen Spieler wie Kingsley Coman vom FC Bayern, den Sie beim 2:2 von Hertha zum Saisonstart ziemlich alt haben aussehen lassen.
Er ist ein extrem guter Spieler und deswegen kann ich das auch wertschätzen. In diesem Spiel hat alles gepasst. Ich konnte die Zweikämpfe meistens für mich entscheiden, dadurch habe ich ihn genervt. Das ist ein tolles Gefühl, so einen guten Start hinzulegen. Wenn du bei den Bayern nicht gleich voll da bist, kannst du schnell vier oder fünf Dinger bekommen.

Die neue Herangehensweise von Trainer Ante Covic ist sehr offensiv. Wie kommt das bei einem Abwehrspieler an?
Gut. Ich will ja auch Tore erzielen. Es ist ja nicht so, dass ich nur verteidigen möchte. Ich fühle eine positive Rückendeckung, einiges nach vorn zu machen.

Es können nicht alle offensiv denken. Können Sie die Fans beruhigen und sagen: Wir wissen, dass alles aus einer kompakten Defensive passieren muss?
Auf jeden Fall. Ohne die Defensive wird man kein Spiel gewinnen. Eine gewisse Balance muss es geben. Aber die Power in der Offensive hat uns vielleicht in der letzten Saison gefehlt.

Haben Sie sich nach Ihrer intensiven Leistung in München geschont?
Ich hatte etwas Kleines davongetragen. Seit Mitte der Woche ist alles gut.
Dann steht einem Einsatz gegen Wolfsburg nichts im Wege?
Von meiner Seite aus nicht. Wie der Trainer das sieht, weiß ich nicht.

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