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Dagmar Freitag, 67, ist seit 2018 Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestags. Bereits von 2009 bis 2013 war die SPD-Politikerin in dieser Funktion tätig.
© dpa

Sportausschuss-Vorsitzende Freitag über die Sperre Russlands: „Ich habe große Zweifel, ob das Urteil ein Umdenken bewirkt“

Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag über die in ihren Augen fragwürdige Strafmilderung Russlands durch den Internationalen Sportgerichtshof Cas.

Am Donnerstag hat der Internationale Sportgerichtshof Cas entschieden, die Doping-Sperre Russlands von vier auf zwei Jahre zu reduzieren. Dadurch dürfen Athleten aus Russland bei den nächsten Olympischen Spielen in Tokio und Peking nicht unter russischer Flagge auflaufen. Auch darf Russland in diesem Zeitraum keine sportlichen Großveranstaltungen austragen. Dennoch wurde die Strafmilderung auch als Affront gegen die Werte des Sports wahrgenommen. Wir haben mit der SPD-Politikerin Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, darüber gesprochen.

Frau Freitag, wie bewerten Sie das Cas-Urteil?
Dagmar Freitag: Die Entscheidung ist die berühmte Medaille mit zwei Seiten. Die Sperre wird aufrecht erhalten, aber eben auch halbiert. Und: Die Begründung hierfür überzeugt mich leider nicht.

Warum nicht?
Es wird denn dort u.a. darauf verwiesen, dass ein vierjähriger Bann mit dem Wada-Code nicht vereinbar sei. Was mich dann doch wundern sollte, schließlich hat die Wada selbst die vierjährige Sperre beantragt. Erst wenn das gesamte Ausmaß des Betrugs endlich an die Öffentlichkeit kommt, kann aus meiner Sicht darüber diskutiert werden, Russland wieder bei internationalen Sportgroßveranstaltungen zuzulassen. Dann gibt es ja noch die Auflage, dass die russische Anti-Doping-Behörde Rusada unter den Augen der Wada zur Aufklärung hinsichtlich der manipulierten oder vernichteten Daten aus dem Moskauer Labor beitragen muss. Ich bin gespannt, ob das passiert.

Russland sieht sich in der Opferrolle. Ein Exempel würde statuiert, andere Nationen dopten auch, war die gängige Replik Russlands in den vergangenen Jahren. Wie sehen Sie das?
Das Cas-Urteil macht deutlich, dass Russland nicht Opfer, sondern eindeutig Täter ist. Die zur Last gelegten Verstöße, also u.a. die Datenmanipulation und  Vertuschung,  sind durch den Cas nun rechtskräftig bestätigt. Und die russische Anti-Doping-Agentur Rusada ist weiter non-compliant im Hinblick auf die Anforderungen der Wada. Die Einlassungen der russischen Offiziellen zu den Anschuldigungen waren seit Bekanntwerden des Skandals an Frechheit und Borniertheit nicht zu überbieten.

Die russische Flagge wird bei den nächsten Olympischen Spielen nicht im Wind wehen.
Die russische Flagge wird bei den nächsten Olympischen Spielen nicht im Wind wehen.
© picture alliance / Christian Cha

Glauben Sie, dass Russland bereit ist, sein Sportsystem zu reformieren?
Da habe ich nach den Jahren des Betrügens, Vertuschens und Lügens weiterhin große Zweifel. Ich bin gespannt, ob die Konsequenz aus dem Urteil in Russland wirklich ein Umdenken bewirken wird. Die Zwei-Jahres-Sperre bedeutet, dass die Russische Flagge weder bei Olympischen und Paralympischen Spielen 2021 in Tokio noch bei den Winterspielen 2022 zu sehen sein wird, auch Welt- oder Europameisterschaften finden ohne offizielle russischen Mannschaften statt. Dass Russland zwei Jahre lang auch keine internationalen Sportgroßveranstaltungen ausrichten darf, ist ein weitere Sanktion, die weh tut.

Wie unabhängig ist der Cas? Es gibt Kritik, weil die Sportverbände einen großen Einfluss haben.
Das System eines mit Fachleuten besetzten Gremiums ist grundsätzlich  sinnvoll. Seine Entscheidungen sind zu akzeptieren, auch wenn man sich manchmal - wie in der Causa Russland - eine noch schärfere Gangart wünschen würde. Und der Einfluss des IOC ist leider überall zu finden.

Wie wichtig sind Whistleblower im Kampf gegen Doping?
Whistleblower sind insbesondere für den Blick hinter die Kulissen unverzichtbar. Der Dopingskandal in Russland wäre nie ans Licht gekommen, wenn die Familie Stepanov und der ehemalige Rusada-Chef Rodschenkow nicht ausgesagt hätten.

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