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Maodo Lo, 26, lief bislang 54 Mal für die deutsche Basketball-Nationalmannschaft auf. Am Sonntag startet das Team mit dem Spiel gegen Frankreich in die WM.
© dpa

Basketballprofi Maodo Lo im Interview: „Ich bin Hardcore-Berliner“

Nationalspieler Maodo Lo über seine Heimat, den Verlust seines Bruders, die Verantwortung von Medien und die anstehende WM.

Herr Lo, am Samstag beginnt die WM in China. Vor ein paar Tagen sind Sie jedoch im Testspiel gegen Tunesien verletzt vom Feld gehumpelt. Wie geht es Ihnen?
Ich muss jetzt einfach Tag für Tag schauen, wie es aussieht. Es ist ein bisschen frustrierend, dass man in so einer Situation umknickt. Aber das ist Basketball.

Sie sind in Berlin aufgewachsen, haben in Ihrer Jugend aber nie bei Alba gespielt, sondern bei DBV Charlottenburg und Central Hoops. Sind Sie unter dem Radar geflogen?
Das waren kleine Vereine, nicht wie Alba oder TuS Lichterfelde. Da hatte ich das Gefühl, dass ich in meiner Jugendkarriere etwas übersehen wurde. Erst als ich zum A1-Kader eingeladen wurde, habe ich ja zum ersten Mal in der Nationalmannschaft gespielt.

Sind Sie deshalb danach auch lieber ans College in die USA gegangen?
Ich hatte keinen Bezug zu Alba. Mir war klar, dass ich weiterhin Basketball spielen möchte, dass ich gleichzeitig aber auch eine Ausbildung machen will. Und dann war Amerika für mich die einzige Option.

Nach dem College sind Sie in Bamberg Basketballprofi geworden. Wollten Sie nicht wieder zurück nach Berlin?
Doch, Berlin kam für mich schon in Frage. Ich habe mich zwar letztendlich für Bamberg entschieden, aber ich liebe Berlin. Ich bin Hardcore-Berliner.

Inwiefern?
Sobald ich frei habe, bin ich jede Minute in Berlin. Berlin ist in mir, ich bin Berlin.

Sie sind also nach wie vor tief in Ihrem Berliner Umfeld verwurzelt.
Berlin ist mein Zuhause – meine Freunde, meine Familie, meine Kindheit, meine Erinnerung, mein Alles.

Zu Beginn des Sommers ist Ihr älterer Bruder bei einem Unfall ums Leben gekommen. Hat Sie dieses Umfeld danach gestützt?
Es war diesen Sommer eine wahnsinnig schwierige Zeit für meine Familie und mich. Es war überwältigend, weil man ständig mit dem Thema zu tun hatte. Zum Glück war ich da zu Hause.

Welche Bedeutung hatte Ihr Bruder für Sie?
Er war ein sehr herzlicher Mensch, den die Leute gekannt und geliebt haben. Ich habe zu ihm aufgeschaut. Mein Bruder hat mich zum Basketball gebracht, er hat mich zu meinem Musikgeschmack gebracht und hat mir eine gewisse Ästhetik, einen Geschmack vorgelebt.

Er hat auch Ihre Mutter unterstützt, die Künstlerin Elvira Bach.
Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen Sportlern und Künstlern. Man wird wahrgenommen als eine Person, die einen Beruf hat, der nicht üblich ist und der wahnsinnig von Leidenschaft angespornt wird.

Sie besitzen ohnehin den Ruf als einer, der über den Sport hinausschaut. Auf Ihrem letzten Instagram-Post sitzen Sie lässig auf der Couch, neben Ihnen liegt „Die Zeit“ ...
... die habe ich aber nicht gelesen, muss ich ehrlicherweise sagen. Ich lese nicht viel Zeitung, ich wünschte, ich würde es mehr tun. Aber es gibt tatsächlich viele Themen, die mir ans Herz gehen.

Gibt es darunter ein Thema, das Sie gerade ganz konkret beschäftigt?
Was mich krass interessiert in letzter Zeit, ist die Art und Weise, wie Medien gewisse Themen aufgreifen. Ich habe einfach gemerkt, auch an mir selbst, dass es mich stört, wie sehr man mit der Zeit abstumpft. Und ich frage mich, ob das der Grund ist, wieso Medien manche Themen nicht so sehr verbreiten.

Sie spielen vermutlich auch auf die Berichterstattung zu den Waldbränden im Amazonas an.
Deswegen kam es bei mir hoch, genau. Aber auch der Brand von Notre-Dame: Zur gleichen Zeit gab es ein Massaker im Sudan, und das wurde so krass überlagert von diesen Schlagzeilen zu Notre-Dame. Ich habe einfach gemerkt, dass die Distanz zur Nachricht einen krassen Einfluss hat. Auf der einen Seite sagt man, dass solche Nachrichten mehr Wert erhalten sollten, aber gleichzeitig würde man doch abstumpfen, wenn man jeden Tag so schlechte Nachrichten erhalten würde. Das ist eine krasse Verantwortung der Medien, die eigentlich gar nicht erfüllbar ist.

Haben Sie sich auch mit den Protesten in Hongkong auseinandergesetzt? Sie würden mit dem Nationalteam etwa 30 Kilometer entfernt davon in Shenzhen spielen.
Ich habe nur ein grundlegendes Bild von der Situation und kenne die Details nicht so sehr. Ich verstehe, worum es geht, aber kann nicht großartig darüber reden.

Was wäre mit dem Nationalteam drin?
Wenn wir defensiv alle auf einem Topniveau spielen, dann ist viel möglich für uns. Wir müssen aber noch ein paar Schritte gehen in dieser letzten Woche.

War die erste Testspiel-Niederlage gegen Japan da ein kleiner Euphoriekiller?
Nein, gar nicht. Es war gut, auch mal so ein Spiel zu verlieren, so komisch sich das anhört. Davor haben wir ja alles ziemlich leicht gewonnen, da war das ein guter Realitätscheck.

Leonard Brandbeck

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