Stimmen zum Rücktritt von Mesut Özil: Hoeneß: "Özil hat seit Jahren einen Dreck gespielt"
Bayern-Präsident Uli Hoeneß tritt gegen Mesut Özil kräftig nach. Bildungsministerin Karliczek fordert eine DFB-Debatte über Integration. Bundesjustizministerin Barley sieht "Alarmzeichen".
Der Präsident des FC Bayern München, Uli Hoeneß, hat nach dem Rücktritt von Mesut Özil mit dem Mittelfeldspieler abgerechnet. Mehrere Journalisten, die den Abflug des FC Bayern in die USA begleiteten, zitierten Hoeneß mit den Worten: "Er (Özil) hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er bei der WM 2014 gewonnen." Und nun sollen "Grindel oder Bierhoff Schuld sein", sagte der Weltmeister von 1974 demnach mit Bezug auf den DFB-Präsidenten und den Teammanager.
Özil sei für ihn seit Jahren ein Alibi-Kicker gewesen. "Die Entwicklung in unserem Land ist eine Katastrophe. Man muss es mal wieder auf das reduzieren, was es ist: Sport. Und sportlich hat Özil seit Jahren nichts in der Nationalmannschaft verloren", sagte Hoeneß demnach weiter.
Er warf Özil vor, die Affäre um das umstrittene Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nur als Vorwand zu nehmen. "Keiner hat ihn sportlich hinterfragt. Er hat sich jetzt schön hinter der Erdogan-Geschichte verstecken können", sagte der Bayern-Präsident weiter. Er sei froh, dass der Spuk um Özil vorbei sei.
Von Özils Mitspielern in der Nationalelf meldete sich Jerome Boateng zu Wort. Er erinnerte in einem Tweet an gemeinsame Erfolge bei der U21-EM 2009 und der WM 2014. "Es war mir eine Freude, Abi", twitterte Boateng.
Karliczek fordert Debatte beim DFB
Nach dem Rückzug von Özil mahnt die CDU-Politikerin und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek auch beim DFB eine Debatte um die Integration an. Der Fall Özil sei in den letzten Monaten "sehr unglücklich gelaufen", sagte Karliczek dem "Tagesspiegel". Letztlich gebe es "nur Verlierer". Es zeige sich, dass das Thema Integration seit Jahrzehnten eine Daueraufgabe sei und immer wieder neu gedacht werden müsse.
Der frühere Pressesprecher des Deutschen Fußball-Bundes, Harald Stenger, hat DFB-Präsident Reinhard Grindel unmittelbar nach dem Rücktritt von Özil scharf kritisiert. "Grindel war und ist der schlechteste DFB-Präsident, den ich je erlebt habe", sagte der 67-Jährige in einem Interview des TV-Senders Sky Sport News HD. Für Stenger ist der CDU-Politiker an der Spitze des DFB nicht mehr tragbar.
"Das Problem von Reinhard Grindel war, dass er es nicht geschafft hat, von Anfang an eine klare Linie zu ziehen. Er hat immer nur rumgeeiert und wollte das alles aussitzen. Es war alles nur populistisch und so kann man einfach keinen Verband führen", prangerte Stenger in Bezug auf die Causa Özil an. "Wenn er ehrlich ist, muss er sehen, dass seine Zeit als DFB-Präsident abgelaufen ist", sagte Journalist Stenger über Grindel.
Mahnung zu Zusammenhalt und Kampf gegen Rassismus
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sprach nach dem Rückzug von Özil aus der deutschen Fußballnationalmannschaft von einem "Alarmzeichen". "Es ist ein Alarmzeichen, wenn sich ein großer, deutscher Fußballer wie Mesut Özil in seinem Land wegen Rassismus nicht mehr gewollt und vom DFB nicht repräsentiert fühlt", schrieb Barley am Sonntagabend bei Twitter.
Türkische Regierungspolitiker lobten den Schritt Özils. Sportminister Mehmet Kasapoglu schrieb am Sonntagabend auf Twitter: "Wir unterstützen die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen." Justizminister Abdulhamit Gül gratulierte dem gebürtigen Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln, weil dieser mit seinem Rücktritt das "schönste Tor gegen den faschistischen Virus geschossen" habe.
Der Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, begrüßte Özils Aussage, dass er den türkischen Präsidenten wieder treffen würde. Weiter schrieb er auf Twitter: "Aber stellen Sie sich vor, welchem Druck Herr Mesut in diesem Prozess ausgesetzt war. Wo sind Höflichkeit, Toleranz, Pluralismus geblieben...?!"
SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel dankte Özil für 92 Spiele und 23 Tore für die Nationalelf und rief zum Zusammenhalt in der Gesellschaft auf. "An alle Bürgerinnen und Bürger mit unterschiedlichen Wurzeln: Wir gehören zusammen und wir akzeptieren Rassismus never ever", schrieb Schäfer-Gümbel bei Twitter.
Auch der frühere Nationaltorwart und Weltmeister von 1990, Bodo Illgner, dankte Özil für dessen sportliche Verdienste, nannte dessen Erklärung für den Rücktritt aber überzogen. Sie gehe "weit über das Ziel hinaus", schrieb Illgner bei Twitter. Die Kritik an dem Foto Özils und Gündogans mit dem türkischen Präsidenten Erdogan hatte nach Illgners Ansicht "in den wenigsten Fällen mit Ausländerfeindlichkeit zu tun."
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, will Özil nicht komplett aus der Verantwortung für sein Verhalten entlassen. "Bei allem Verständnis für die familiären Wurzeln müssen sich Spieler der Fußballnationalmannschaft Kritik gefallen lassen, wenn Sie sich für Wahlkampfzwecke hergeben", twitterte die CDU-Politikerin am Sonntag mit Blick auf Özils Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kurz vor der Fußball-WM in Russland.
Zugleich dürfe "diese berechtigte Kritik nicht in eine pauschale Abwertung" von Spielern mit Migrationshintergrund umschlagen, schrieb Widmann-Mauz. Widmann-Mauz äußerte sich, bevor Özil im letzten Part seiner dreiteiligen Erklärung schließlich auch seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft verkündete.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, hält nach dem Rücktritt von Özil die Bedeutung der Nationalmannschaft für die Integration von Migranten für gefährdet. "Vielfalt in der Nationalmannschaft war ein tolles Vorzeigeprojekt, was durch unfähige Führungskräfte nun zu scheitern droht", schrieb Sofuoglu bei Twitter. Junge Talente mit Migrationshintergrund seien nun weniger motiviert. Sofuoglu forderte zudem, nach Özil solle die gesamte Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zurücktreten, "damit ein echter Neuanfang für die deutsche Nationalmannschaft denkbar ist". Özil als Sündenbock für das Ausscheiden aus der WM deklarieren zu wollen, sei mehr als eine billige Ausrede.
Der in Deutschland aufgewachsene Abgeordnete der türkischen Regierungspartei AKP, Mustafa Yeneroglu, monierte nach dem Özil-Rücktritt die "weitverbreitete Bevormundung von Deutschtürken". Die deutsche Debatte konzentriere sich vor allem auf Özils Foto mit Präsident Erdogan. Migranten solle "das einseitige deutsche Bild von Erdogan" aufgezwungen werden - jenen, die nicht spurten, würde der Weg zum Ausgang gewiesen.
Die Affäre zeige, dass "die deutsche Öffentlichkeit bei der Frage der Achtung der Binnen-Identität von Millionen Migranten noch nicht" weit sei, sagte Yeneroglu - gerade, wenn sie als Türkeistämmige zu ihren Wurzeln stünden. "Özil gibt ihnen eine Stimme. Deswegen ist er mit seiner Erklärung zur Legende geworden."
Özil habe Yeneroglus und seiner eigenen Generation aus dem Herzen gesprochen, fand der Politiker. "Trotz 92 Länderspielen immer noch Bürger auf Bewährung? Das geht natürlich nicht." Jetzt komme es auf die Reaktion des DFB an. Sollte der Verband auf Özils Vorhaltungen nicht eingehen, würden sich "gerade türkische Jugendliche in Deutschland in Zukunft gut überlegen, ob sie das schwarz-rot-goldene Trikot überstreifen oder den Halbmond tragen".
Zwanziger nimmt Grindel in Schutz
Der frühere DFB-Chef Theo Zwanziger bedauert den Rücktritt von Özil und befürchtet Konsequenzen nicht nur im Fußball. "Ich bin tief traurig über die von Mesut Özil getroffene Entscheidung", sagte Zwanziger der Deutschen Presse-Agentur. Der Rückzug des türkischstämmigen Weltmeisters sei "für die Integrationsbemühungen in unserem Land über den Fußball hinaus ein schwerer Rückschlag. Er war ein großes Vorbild für junge Spielerinnen und Spieler mit türkischem Migrationshintergrund, sich auch in die Leistungsstrukturen des deutschen Fußballs einzufinden."
Auch Zwanziger, der in seiner Amtszeit von 2004 bis 2012 das Thema Integration stark vorangetrieben hatte, sieht Versäumnisse beim DFB. "Durch Fehler in der Kommunikation ist etwas passiert, das bei Migranten nie passieren darf: Sie dürfen sich nie als Deutsche zweiter Klasse fühlen. Wenn dieser Eindruck entsteht, muss man gegensteuern", sagte der 73-Jährige.
Ein bewusstes Drängen Özils in die Rolle als Sündenbock für das frühe WM-Scheitern will Zwanziger der heutigen DFB-Führung aber nicht unterstellen. "Ich kenne Reinhard Grindel und Oliver Bierhoff gut genug, um sagen zu können, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie eine solche Situation bewusst herbeiführen würden", sagte er.
Für die deutsche Bewerbung um die EM 2024 im Duell mit der Türkei waren die Fotos von Özil und Ilkay Gündogan aus Zwanzigers Sicht "sicherlich nicht hilfreich. Das hat die politische Ebene in der Türkei, die eng mit dem Fußballgeschehen verbunden ist, zusätzlich herausgefordert." (mit Agenturen)
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.
Einer, der diesem Land nachweislich geschadet und seine Bürger belogen hat, sollte seine Worte mit mehr Bedacht wählen.
schreibt NutzerIn ceo