zum Hauptinhalt
Mit Greuther Fürth trifft Burchert nun erstmals auf seinen Ex-Klub Hertha BSC.
© imago images/Zink

Fürths Torwart Sascha Burchert im Interview: „Hier gibt es keine Träumer“

Sascha Burchert spricht über seine Heimat Berlin, das Spiel gegen Hertha BSC am Freitag und den holprigen Saisonstart seines aktuellen Klubs.

Sascha Burchert, 31, spielte zunächst beim Wartenberger SV. 2004 ging der gebürtige Berliner zu Hertha BSC. Für die Profis machte er insgesamt 15 Spiele in der Fußball-Bundesliga und Zweiten Liga. 2016 wechselte er nach Fürth, ist dort seit 2017 Stammtorwart.

Herr Burchert, erinnern Sie sich, wann Sie das letzte Mal im Olympiastadion gespielt haben?
2015 habe ich unter Pal Dardai zwei Mal für Hertha gespielt, aber auswärts. Davor war Jos Luhukay Trainer, mit ihm sind wir 2013 aufgestiegen. Da hatte ich auf jeden Fall das letzte Saisonspiel gegen Energie Cottbus gemacht. Das müsste das letzte Mal gewesen sein.

Genau, das Spiel endete 1:1.
Maik Franz hat die Rote Karte gesehen. Wir haben in der Saison einen Punkterekord in der Zweiten Liga aufgestellt.

Ihr letztes Bundesligaspiel mit Hertha BSC im eigenen Stadion war gut ein Jahr vorher.
Puh, Moment. Ach ja, 0:6 gegen die Bayern. Ich bin zur zweiten Halbzeit beim Stand von 0:3 eingewechselt worden. Danach haben Gomez und Robben per Elfmeter und Kroos getroffen.

Haben Sie alle Spiele so gut im Kopf?
Die mit Hertha schon. So viele waren es ja nicht.

Am Freitagabend treffen Sie im Olympiastadion mit der SpVgg Greuther Fürth auf Hertha (20.30 Uhr/Dazn). Sie spielen zum ersten Mal gegen den Verein, bei dem Sie fast 15 Jahre waren. Macht es das besonders?
Von den Spielern aus meiner Zeit ist kaum noch jemand da. Drumherum werde ich aber einige bekannte Gesichter sehen. Henrik Kuchno …

… Herthas Athletiktrainer …
… habe ich viel zu verdanken. Ich freue mich immer, von ihm zu hören. Ansonsten ist der Draht zum Verein nicht besonders eng. Aber ich war so lange da, ich werde Hertha immer nahestehen. Das gilt auch für meinen Bruder, der früher ebenfalls im Verein war und jetzt seit langem in Paderborn ist. Berlin ist und bleibt einfach die Heimat.

2011 im Trikot von Hertha BSC: Sascha Burchert.
2011 im Trikot von Hertha BSC: Sascha Burchert.
© DPA

Wie oft sind Sie in der Heimat?
Meine Eltern wohnen ein kleines Stück außerhalb Berlins, ich bin zwei- oder dreimal pro Jahr bei ihnen, im Sommer etwas länger. Meine Tochter ist mittlerweile in der Kita, da bringt es nichts, sie drei oder vier Tage rauszunehmen. Und als ich vor fünf Jahren nach Fürth kam, gab es auf der Strecke von Berlin zwei Baustellen, jetzt ungefähr 20. Das ist kein entspanntes Fahren.

Hertha liegt auf Platz 16, Fürth ist Letzter. Was für eine Partie erwarten Sie?
Wir wussten, dass es bei uns vom ersten bis zum 34. Spieltag ein Kampf um den Klassenerhalt wird. Hertha dachte sicher auch, dass es vom ersten bis zum letzten Spieltag ein Kampf wird, hat dabei vermutlich jedoch an andere Tabellenplätze gedacht. Ich bin gespannt, wer besser mit der Situation umgeht.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Verfolgen Sie Herthas Entwicklung intensiv?
Ich habe nur den Blick von außen, aber klar habe ich geschaut, was die letzten Jahre passiert ist. Langweilig war es nie (lacht). Zu meiner Zeit gab es zwei Ab- und zwei Aufstiege, da war auch viel Trubel. Aber so etwas wie zuletzt habe ich nicht miterlebt. Als Ex-Herthaner, der schon in der Jugend dort war, ist es meine Hoffnung, dass weiter junge Spieler entwickelt und eingesetzt werden – auch wenn jetzt Geld da ist.

Auf der Torwartposition gab es außer Ihnen noch weitere Spieler, die es aus dem Nachwuchs zu den Profis geschafft hatten, aber nicht Nummer eins wurden. Ist das auf dieser Position nochmal deutlich schwerer?
Das ist nicht nur bei Hertha so. Auf anderen Positionen führt man Spieler ran, dann können sie reinschnuppern. Vom Torwart wird gleich erwartet, dass er Topleistungen bringt. Aber Freiburg beispielsweise hat Alexander Schwolow nach einer Ausleihe damals früh zur Nummer eins gemacht, es gibt also Wege. Ich würde mir wünschen, dass bei Hertha bei den Torhütern mit genau so viel Ruhe und Vertrauen gearbeitet wird wie bei den Feldspielern. Von der U 19 bis zur U 23 wird dem Nachwuchs im Tor vertraut, dann aber wird oft eingekauft.

Sascha Burchert hat den Ball, hier im Trikot von Valerenga Oslo.
Sascha Burchert hat den Ball, hier im Trikot von Valerenga Oslo.
© imago/Digitalsport

Sie haben auch kurz bei Valerenga Oslo gespielt und sind seit 2016 in Fürth. Ist es eine Genugtuung , mit 31 noch Stammtorhüter in der Bundesliga geworden zu sein?
Das kann man so sehen, aber ich würde das Wort nicht benutzen. Ich bin nach Fürth gegangen, um zu zeigen, dass ich auf Profiniveau spielen kann. Ich habe ein Jahr gebraucht, mir meinen Platz zu erarbeiten. Dann hatte ich das Ziel, eine Stütze für die Mannschaft zu werden. Wir haben uns alle zusammen so sehr verbessert, dass wir aufgestiegen sind. Jetzt geht es darum, dass jeder noch ein Stück besser wird, damit wir drinbleiben.

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Als Hertha mit drei Niederlagen in die laufende Saison gestartet war, kam im Umfeld bereits Unruhe auf. Wie ist die Situation in Fürth nach einem Punkt aus vier Spielen?
In Berlin ist natürlich ein anderer Druck da. Es ist schön, dass es hier ruhig ist. Aber das heißt nicht, dass wir es uns bequem machen. Wir haben eine Erwartungshaltung an uns selbst. In den ersten Spielen haben wir das nicht abgerufen. Gegen Wolfsburg dagegen war es echt gut.

Trotzdem hieß es 0:2.
Aber wir haben sehr gut verteidigt. Der Gegner hatte kaum Chancen bis auf ein Billardtor und einen Elfmeter. Jetzt muss der nächste Schritt kommen, wir müssen in der Defensive eine Welle überstehen und danach selbst zuschlagen. Das haben wir uns für Freitag vorgenommen. Wenn wir genauso verteidigen wie gegen Wolfsburg und vielleicht mal eine Riesenchance des Gegners abwehren, werden wir auch wieder zu null spielen. Dann unterhalten wir uns nicht mehr über Gegentore, sondern über Punkte.

In der vergangenen Saison hat die Mannschaft wenig Tore kassiert. Jetzt waren es elf in vier Spielen. Wie schwierig ist dies vor allem für Sie als Torwart?
Ich wusste, dass das passieren kann. Die Klasse der gegnerischen Spieler ist eben eine völlig andere als in der Zweiten Liga. Ich habe die Chance, mehr Bälle zu halten. In Stuttgart ist mir das gelungen, leider lagen wir schon 0:3 hinten.

Ist der Klub bereits ein Bundesligaverein?
Wir spielen in der Bundesliga, weil wir absolut verdient aufgestiegen sind. Jetzt wollen wir zeigen, dass wir mithalten können. Im Verein arbeitet jeder auf dem höchstmöglichen Niveau, um zu kompensieren, dass andere Klubs ganz andere finanzielle Möglichkeiten haben.

Sie kennen die Rahmenbedingungen in Berlin – und inzwischen auch die in Fürth bestens. Lässt sich das vergleichen?
Der Olympiapark ist riesig, hat etliche Trainingsplätze. Auch die Kabinen und alles drumherum ist inzwischen auf einem sehr hohen Level. Kurz bevor ich gegangen bin, wurde vieles modernisiert. Aber wir haben auch ein Trainingszentrum, einen Kraftraum, drei Physiotherapeuten. Hier gibt es alles, nur eben in kleinerem Rahmen. Mir gefällt es super. Zum Training fahre ich manchmal mit dem Fahrrad, das dauert keine zehn Minuten.

Torwarttrainer ist Christian Fiedler, mit dem Sie bereits in Berlin zusammengearbeitet haben.
Ich hatte bei Hertha eine super Ausbildung. Egal ob in der Jugend oder später bei Enver Maric oder Christian Fiedler. Dass ich ihn so lange kenne, ist ein extremer Vorteil. Auf der einen Seite sind die Abläufe und Übungen einfach drin. Wir müssen nicht eine Stunde am Tag zusammen Kaffee trinken. Wir gucken uns an und wissen, was der andere denkt. Zum anderen entwickelt er sich auch ständig weiter und setzt das im Training um.

Trainer Stefan Leitl hat sich sehr spät entschieden, wer die Nummer eins im Tor ist ist. Waren Sie stets davon ausgegangen, zu spielen?
Das war ein Thema, was wir die letzten Jahre nicht hatten, weil von außen keiner nachgefragt hat (lacht). Ich habe daran geglaubt, dass ich spiele, wenn ich die Leistung bringe. In der Vorbereitung hat man oft mal ein schlechteres Spiel. Bei mir war es gegen Fenerbahce Istanbul. Dann war es entscheidend, die Woche danach gut zu trainieren.

Fürths Aufstieg galt als Sensation. Der Klassenerhalt in dieser Saison würde ebenfalls als Sensation gelten. Spornt das zusätzlich an?
Letzte Saison hat auch keiner mit uns gerechnet, das hat uns nicht interessiert. Das Team war über mehrere Jahre zu großen Teilen zusammengeblieben. In der Zweiten Liga kann es ein Schlüssel sein, um oben mitzuspielen. Hier hatte sich etwas entwickelt. Das hat Spaß gemacht, niemand hat geschaut, ob er woanders mehr Geld bekommen kann.

Und diesmal?
Sind leider einige wichtige Spieler gegangen. Aber Fürth ist ein Ausbildungsverein. Dass jemand so viele Jahre da ist wie ich, ist eher die Ausnahme. Wenn sich für Spieler neue Perspektiven ergeben, ist es eine Auszeichnung für das Trainerteam und den Klub. Wir haben ja auch gute Spieler dazubekommen, die in der Kürze der Zeit schon gut integriert sind.

Das klappte schnell?
Die Stadt ist nicht groß. Wir verbringen viel Zeit auf dem Trainingsgelände zusammen. Jeder kann den Nebenmann einschätzen und weiß, wie er tickt. Hier gibt es keine Träumer, die nicht wissen, worum es geht. Das ist ein gemeinsames Arbeiten. Es macht Bock, jeden Tag herzukommen. Selbst in einer Zeit wie jetzt, in der wir wenig Punkte haben.

Zur Startseite