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Die Lücke geschlossen. Nach vorne lief es für Hertha BSC in Augsburg nicht, defensiv aber standen die Berliner mit Langkamp und Stark (von links) sicher.
© dpa

Nur zehn Gegentore in elf Spielen: Hertha BSC: Wenigstens stabil

Dass Hertha BSC in Augsburg spielerisch nicht glänzen kann, hat Trainer Pal Dardai nicht überrascht. Dafür überzeugen die Berliner zumindest in der Defensive.

Pal Dardai nahm es wirklich sehr genau: Wer später anfängt, muss eben ein bisschen länger laufen. Die Spieler hatten den Trainingsplatz allesamt bereits verlassen, die Trainer und der Betreuerstab ebenso, nur einer drehte noch seine Runden. Es war Pal Dardai, der Trainer von Hertha BSC. Selbst gegen die tiefstehende Sonne und am hinteren Ende des Geländes war er zweifelsfrei zu erkennen. Mit kleinen Schritten trippelte Dardai über den Rasen, der Oberkörper arbeitete, linke Schulter vor, rechte Schulter vor. Beschwingt und leicht sah das nicht aus, eher ein bisschen angestrengt.

Tags zuvor in Augsburg hatte es bei Dardais Mannschaft über weite Strecken ähnlich angestrengt ausgesehen. 0:0 hieß es am Ende eines zähen Spiels. „Es war nicht mehr drin“, sagte der Ungar. „Wir haben nicht mehr verdient.“ Die Frische habe gefehlt. Nach 15 ordentlichen Minuten zu Beginn habe das Team die ganze Linie verloren. „Viel zu lahm, viel zu langsam“ habe Hertha gespielt, „mit wenig Körpersprache, wenig Aggressivität“.

Nach den Erfahrungen der vorigen Saison neigen Herthas Fans nach solchen Auftritten zu einer Überreaktion. Da verspielte die Mannschaft in der Rückrunde ihre glänzende Ausgangsposition, wirkte plötzlich müde und nicht mehr griffig genug. Dass ein 0:0 in Augsburg schon wieder schlimmste Befürchtungen auslöst, dass nach einem Unentschieden auswärts latente Unzufriedenheit vorherrscht, sagt einiges über die Erwartungen im Umfeld. Es spricht für eine veränderte Selbstwahrnehmung. „Das ist doch auch ein gutes Zeichen“, findet Verteidiger Niklas Stark.

Trainer Dardai glaubt, dass Hertha ein Spiel wie in Augsburg in der vorigen Saison noch verloren hätte; aber die aktuelle Mannschaft ist in der Lage, zumindest hinten die Null zu halten, wenn es vorne hakt. „Wir haben nicht in der Defensive die Punkte liegen gelassen, sondern offensiv“, sagte Dardai. Defensiv läuft es mehr als ordentlich. Nach elf Saisonspielen hat Hertha erst zehn Gegentore kassiert, fünf Mal spielte Torhüter Rune Jarstein bereits zu null. „Stabilität ist auch okay“, sagte Co-Trainer Rainer Widmayer. „Und wir haben Bayern schon gehabt, Dortmund schon gehabt.“

Dass den Berlinern das Offensivspiel in Augsburg nicht ganz so leicht vom Fuß ging, kam zumindest für Cheftrainer Dardai nicht völlig unerwartet. Viele Spieler waren in der vergangenen Woche mit ihren Nationalteams unterwegs gewesen; das ist nicht gut für den Rhythmus, den Hertha für ein erfolgreiches Auftreten benötigt. Der Reisestress tat ein Übriges – zumal die Berliner das Pech hatten, auch nach der dritten Länderspielpause dieser Saison wieder auswärts antreten zu müssen. Das heißt für die Spieler: raus aus dem Flugzeug, Koffer auspacken, Tasche wieder packen und rein ins Flugzeug.

„Dieser Reisestress ist schwierig“, erklärte Dardai. Sieben, acht Spieler habe das betroffen, am auffälligsten war es bei John Anthony Brooks, dem erkennbar die rechte Spannung fehlte. „Wenn er richtig gut durchtrainiert ist, macht er immer gute Spiele“, sagte Dardai. Die Interkontinentalflüge über den Atlantik und die beiden Länderspiele mit den USA seien daher nicht gut für Brooks gewesen.

Mitchell Weiser soll gegen Mainz 05 wieder spielen

Angesichts der Umstände und der bekannt guten Organisation der Augsburger hatte Dardai von seiner Mannschaft ohnehin keine fußballerische Leichtigkeit erwartet. Auch deshalb hatte er den robusten Stark anstelle von Fabian Lustenberger ins defensive Mittelfeld gestellt. „Wir wollten bei Standards Vorteile haben“, sagte Herthas Trainer. Mit „vier Hirschen über 1,90 Meter“, mit Sebastian Langkamp, Vedad Ibisevic, Brooks und eben Stark, habe er „die Mannschaft noch einen Tick erhöht“. Bei Starks großer Chance nach einem Freistoß von Marvin Plattenhardt zehn Minuten vor Schluss wäre der Plan beinahe aufgegangen. Aber alles in allem seien das nur „zwei, drei Zufallsprodukte“ gewesen, sagte Dardai. „Die individuelle Qualität konnten wir nicht zeigen.“

Das lag auch am Ausfall von Mitchell Weiser, der wegen muskulärer Probleme im Oberschenkel geschont wurde. Für Dardai ist der Mann von der rechten Außenbahn Herthas verkappter Spielmacher, der mit seinen Aktionen „Chaos beim Gegner“ auslösen könne. In Augsburg, ohne Weiser, ging hingegen alles sehr wohlgeordnet zu. „Mitch hat durch seine Schnelligkeit, seine Kreativität und seine fußballerische Qualität pro Halbzeit vier bis sechs Aktionen, die dem Gegner weh tun“, sagte Herthas Trainer. „Natürlich fehlt er.“ Weiser soll nun zwei, drei Tage behandelt werden, spätestens am Mittwoch wieder ins Training einsteigen. „Nächste Woche wird er bestimmt gesund sein“, sagte Pal Dardai. Es klang fast wie eine Beschwörung.

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