Bundesliga: Hertha BSC und die große Leere
Herthas Trend ist klar negativ – nach dem 1:2 gegen Darmstadt fühlt sich diese Spielzeit schlechter an, als sie es eigentlich ist.
Die Stimmung bei Hertha BSC... war auch schon mal besser. Am Tag nach der blamablen 1:2-Niederlage gegen Aufsteiger Darmstadt strahlte nur die Sonne über dem Trainingsplatz. Trainer Pal Dardai setzte für zehn Uhr eine kleine Aussprache an der frischen Luft an. Die Spieler sollten sich mal bitteschön erklären. „Ich brauche eine offene Meinung“, erzählte Dardai später: „Ich wollte von ihnen mal wissen, was ist, wenn wir einen Plan haben und sogar in Führung gehen, warum wir dann blockieren?“
Blockieren – das ist eine ziemlich freundliche Umschreibung dessen, was tatsächlich nach dem 1:0 durch Herthas Mittelfeldspieler Vladimir Darida geschah. Bei den meisten Berliner Spielern griff ein Leistungsabfall um sich, der schon fast an Leistungsversagen grenzte. Von einer „unfassbaren Vorstellung“, sprach Dardai.
Seit sieben Spielen wartet Hertha auf einen Sieg
Genau genommen bietet der Berliner Bundesligist, der famos die Hinrunde noch als Tabellendritter abschloss, schon seit fünf, sechs Wochen schwache Vorträge. Und so fällt es Fans, Skeptikern und Kritiker zunehmend schwerer, diese Spielzeit als eine gelungene zu bewerten. Was sie realistisch betrachtet ja immer noch ist, unterm Strich jedenfalls. Nur stimmt die Choreographie eben nicht mehr. Der gegenwärtige Trend von sieben sieglosen Spielen am Stück, von zuletzt vier Niederlagen in Folge, ist ein klar negativer. Es fühlt sich halt nicht mehr nach einer erfolgreichen Spielzeit an.
Seltsamerweise hat dieses Gefühl eingesetzt, als die Spieler, Trainer und der Manager von Hertha BSC darauf zu verweisen begannen, dass diese Spielzeit nicht mehr verbaselt werden könne. Dieser Versuch der Deutungshoheit erwies sich in der Realität als unbrauchbar. Natürlich gehört berücksichtigt, wo Hertha hergekommen ist. Aus dem Lift, wie es Dardai gestern umschrieb. Hertha pendelte in den vergangenen fünf sechs Jahren zwischen den Ligen hin und her. Eingedenk dessen ist eine Endplatzierung zwischen Platz fünf bis sieben, die vor dem letzten Spieltag möglich ist, ehrenwert. Doch die jüngere Wahrheit sagt eben auch: Diese Mannschaft kommt in der aktuellen Spielzeit von Platz drei, den Hertha über Monate inne hatte. Vor diesem Hintergrund fühlen sich die Resultate auf der Zielgeraden als Versagen, mindestens aber als Enttäuschung an.
In der Rückrundentabelle ist Hertha Viertletzter
Pal Dardai gibt sogar zu, dass seine Mannschaft von den Endspielen um einen Startplatz in der Champions League nicht eins gewonnen hat. Und ging dabei, mal abgesehen vom Spiel gegen die Bayern, durchweg gegen Mannschaften, die Hertha in der Hinrunde besiegt hatte: Hannover, Hoffenheim, Leverkusen, Darmstadt und Mainz. Aus den letzten sechs Spielen der Hinrunde holte Hertha 15 Punkte, die sich im Saldo der Hinrunde zu 32 Punkten auftürmten. In der Rückrunde holte Hertha aus diesen Spielen einen Punkt. Vor dem abschließenden Spiel beim FSV Mainz am kommenden Wochenende sind die Berliner in der Rückrundentabelle Viertletzter.
„Gestern hatten wir es nicht verdient, zu gewinnen“, sagte Dardai am Sonntag. Herthas Trainer bemängelte vor allem fehlenden Aggressivität. Seine Spieler, mit denen er gerne arbeite, gäben prima Schwiegersöhne ab, allesamt lieb und nett. Doch auf dem Spielfeld seien andere Qualitäten gefragt. Er vermisse jene Körpersprache, die dem Gegner bedeute, dass es für ihn nichts zu holen gebe. Vedad Ibisevic sei so einer, der über das entsprechende Naturell und Temperament verfüge. Doch für das Spiel in Mainz ist der bosnische Stürmer (zehn Saisontore) gesperrt.
„Im letzten Spiel will ich Aggressivität sehen, ich will kein schönen Fußball sehen“ – so hatte es Dardai gleich nach der Niederlage in der ersten Erregung gesagt. Die fehlende Aggressivität ist allerdings nur ein Erklärungsansatz. Denn entweder war sie in der Hinrunde noch vorhanden, oder aber nicht erforderlich. Was fehlt, ist vielmehr die Sicherheit der Hinrunde. Zu Beginn der Spielzeit hatte sich Hertha Selbstvertrauen erkämpft und erspielt. Spiele zu gewinnen, war irgendwie zu einer Selbstverständlichkeit geworden. In der Mannschaft hatte sich im Herbst die Überzeugung breit gemacht, selbst enge Spiele gewinnen zu können. Genau diese Überzeugung verflüchtigte sich zusehends.
Das einzige große Ziel sei das Pokalfinale. Wurden Prioritäten falsch gesetzt?
Dardai nennt das „Angst vor dem Erfolg“. Wohl nicht nur bei den Spielern. Womöglich wurden falsche Prioritäten gesetzt, Anfang Februar nach dem Viertelfinalsieg in Heidenheim. Das einzige große Ziel sei das Pokalfinale. In der Liga war die Ausgangslage trotz dreier Unentschieden weiterhin günstig bis verheißungsvoll. Damals drückten sie sich bei Hertha, hier ein klares, mutiges Ziel auszugeben. Das Pokalfinale sollte es sein. Daraus wurde aus bekannten Gründen nichts. Bei den Spielern tut sich jedenfalls seitdem eine große Leere auf.