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Hoch die Hände, Wochenende! Die Zeiten, da Hertha BSC Siege mit einer La Ola vor der leeren Ostkurve feiern musste, sind erst einmal vorbei. Jetzt fehlt Hertha nur noch eins: endlich mal wieder ein Sieg.
© imago images/Contrast

Die Zuschauer als Faktor im Abstiegskampf: Hertha BSC setzt auf Hilfe von außen

Beim Heimspiel von Hertha BSC gegen Eintracht Frankfurt sind erstmals wieder 25.000 Fans im Olympiastadion erlaubt. Die Mannschaft braucht ihre Unterstützung.

Wenn eine Mannschaft nach einer 2:0-Führung am Ende nur 2:2 spielt, dann wird sie sehr wahrscheinlich einiges falsch gemacht haben. So war das auch vor einer Woche im Spiel des VfL Wolfsburg gegen Borussia Mönchengladbach.

Bei der Suche nach den entscheidenden Fehlern der Wolfsburger landet man unweigerlich bei Maxence Lacroix, der wegen eines absichtlichen Handspiels die Rote Karte gesehen hatte. Gräbt man allerdings noch ein bisschen tiefer, stößt man vermutlich auch auf Sebastiaan Bornauw, Lacroix’ Kollege aus der Innenverteidigung.

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Der Belgier hatte früh das scheinbar beruhigende 2:0 für die Gäste erzielt. In seiner Freude über dieses Tor legte Bornauw die Hände hinter die Ohren, er streckte die Zunge raus und lief schnurstracks der Kurve mit den Gladbacher Fans entgegen.

Es war der Moment, in dem deren Enttäuschung über das eigene Team in Wut auf die Wolfsburger umschlug. Und möglicherweise haben die aufwallenden Emotionen tatsächlich dazu geführt, dass die Gladbacher am Ende zumindest noch den Ausgleich schafften.
Die Fans im Stadion sind wieder ein Faktor im Spiel. „Ein sehr, sehr wichtiger“ sogar, findet Tayfun Korkut, der Trainer von Hertha BSC. „Es freut mich, dass ein bisschen mehr da sein dürfen“, sagt er vor dem Heimspiel des Berliner Fußball- Bundesligisten gegen Eintracht Frankfurt an diesem Samstag (15.30 Uhr, live bei Sky). „Wir zählen auch auf unsere Fans.“

Der emotionale Aspekt ist wichtiger als der finanzielle

Natürlich spielt dabei auch das Finanzielle eine Rolle. Der Wegfall der Zuschauereinnahmen über fast zwei Jahre hat die Vereine hart getroffen. Für Hertha aber scheint der emotionale Aspekt momentan viel wichtiger zu sein.

Die Mannschaft taumelt und kämpft mal wieder gegen den Abstieg, da ist jede Unterstützung willkommen. Auch deshalb bietet der Klub gerade eine Art Dauerkarte für die noch ausstehenden fünf Heimspiele der Saison an, die ab 59 Euro erhältlich ist. Das Derby gegen Union inklusive.

An diesem Samstag gegen Frankfurt sind im Olympiastadion erstmals seit dem Herbst wieder 25.000 Zuschauer zugelassen. Und bei Hertha sind sie optimistisch, dass die Kapazität – anders als zu Saisonbeginn – auch komplett ausgeschöpft wird. Von den sechs Heimspielen der Vorrunde, in denen ebenfalls 25.000 Zuschauer erlaubt waren, war nur eines, das gegen Borussia Mönchengladbach, tatsächlich ausverkauft.

Eine gewisse Ungewissheit bleibt auch jetzt: Nehmen die Fans das Angebot, wieder ins Stadion zu gehen, nach zwei Jahren Pandemie inklusive all der Klagen über den Zustand des Profifußballs überhaupt an? Die 25.000 gegen Frankfurt sind ja nur ein Anfang.

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Wenn, wie derzeit geplant, tatsächlich am 19. März sämtliche Corona-Beschränkungen aufgehoben werden, wäre schon bei Herthas nächstem Heimspiel gegen Hoffenheim Vollauslastung möglich. Viel wichtiger aber: Das Derby gegen den 1. FC Union (9. April, 18.30 Uhr) kann vor 74.000 Zuschauern stattfinden.

Dann, so hofft Hertha, kehren auch die Ultras zurück, die wegen der Corona-Beschränkungen dem Stadion fernbleiben. Sie stoßen sich vor allem an der Personalisierung der Eintrittskarten, die zur Kontaktverfolgung nötig war.

Der Dachverband der Fanhilfen hat daher in den vergangenen Tagen klare Forderungen an die Bundesligavereine gestellt: Die Personalisierung der Eintrittskarten muss beendet werden, die Bewegungsfreiheit in den Stadien wieder uneingeschränkt gelten und den Gästefans wie vorher üblich ein Kartenkontingent von mindestens zehn Prozent zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollen alle zusätzlichen Kontrollen und Zugangsbeschränkungen abgeschafft werden.

Das Verhältnis zu den Ultras ist schwierig

„Wenn ich das entscheiden könnte, würde ich das gleich aufheben“, sagt Herthas Sportgeschäftsführer Fredi Bobic über die wegen Corona eingeführten Maßnahmen. Ingo Schiller, sein Kollege aus der Geschäftsführung, hat bereits bei der Mitgliederversammlung im Januar den Wegfall aller coronabedingten Einschränkungen versprochen.

Das ist auch deshalb wichtig, weil es um das Verhältnis zwischen dem Verein und den Ultras mal wieder nicht zum Besten steht. „Natürlich war das eine Zeitlang ein bisschen schwieriger“, sagt Bobic. „Man muss aber auch sehen, dass da eine Frustration herrscht über unsere sportliche Situation. Soll keiner denken, das geht uns am Allerwertesten vorbei. Das nehmen wir an.“

Ein Kleinkrieg mit den organisierten Fans ist vermutlich das Letzte, was Hertha im Abstiegskampf benötigt. Im Hintergrund laufen Gespräche, wobei sich zeigt, dass es in der Bewertung einzelner Vorfälle wie dem unangekündigten Trainingsbesuch der Ultras nach dem verlorenen Pokalspiel gegen Union deutliche Unterschiede gibt. Und der Geduldsfaden auf beiden Seiten ist weiterhin eher kurz.

Aber Hertha weiß, dass die Fans in der aktuellen Situation wichtig sind. „Trotzdem muss der erste Schritt von uns kommen, von jedem Spieler, der auf dem Platz steht“, sagt Trainer Tayfun Korkut.

Die Mannschaft müsse dem Publikum das Gefühl geben, dass sie das Spiel unbedingt gewinnen wolle – und zwar mehr als jeder andere im Stadion. „Mit diesem Gefühl müssen wir ins Spiel gehen. Dann wird auch der Funke relativ zügig überspringen, und dann kann sich etwas entwickeln, das uns über dieses Spiel tragen kann. Es ist ganz wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind und diese Verantwortung auch annehmen.“

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