zum Hauptinhalt
Hertha ist jetzt hip
© dpa

Neue Imagekampagne: Hertha BSC macht jetzt auf hip

Hertha will sein angestaubtes West-Berlin-Image loswerden, um vom Hauptstadthype zu profitieren. Jetzt haben die Berliner zumindest einen neuen Slogan.

„Bio?“, fragt die Kellnerin und serviert einen kritischen Blick. „Sowat hamwa hier nich.“ Dafür bietet die Theke im Bahnhofscafé eine reichhaltige Auswahl deftiger Gerichte. Schnitzel, Soljanka, Kartoffelsalat. Passend dazu ist der Zungenschlag hier in Bad Saarow, knapp eine Autostunde von Berlin entfernt, mancherorts sogar noch ein bisschen rauer als in der Hauptstadt, und das will schon was heißen. „Hat's jeschmeckt?“

Szenenwechsel. Ein paar Kilometer weiter waldeinwärts. Vor dem Mannschaftshotel von Hertha BSC, viereinhalb Sterne, zwitschern die Vögel am frühen Nachmittag um die Wette. Zwei verlorene Leihfahrräder warten auf ihre Mieter, und auch sonst ist nicht viel los. Am interessantesten ist noch die Karte des Ortes, in dem sich wunderbar Golf spielen lässt. Herthas Präsident Werner Gegenbauer wird das mit Freude registriert haben.

So wohl wie sich der Tross von Hertha BSC am schönen Scharmützelsee auch fühlen mag, besonders hip sind die Bilder nicht, die der Fußball-Bundesligist im Trainingslager im brandenburgischen Flachland produziert oder zu sehen bekommt. Andererseits ist der Kurort ja im wahrsten Sinne nur eine Durchgangsstation für das Team von Trainer Pal Dardai, ja, für den ganzen Klub. Sportlich, weil bei Pflichterfüllung in der Qualifikation die erste Europapokalteilnahme seit 2009 winkt. Und generell, weil sich im Verein, im operativen Geschäft, gerade viel verändert bei den Berlinern. Stichwort: neue Imagekampagne.

„Das ist eine Entscheidung, die wir nicht von heute auf morgen getroffen haben. Wir befassen uns schon sehr lange mit dem Thema Positionierung und Markenkern“, sagt Michael Preetz. „Wir haben eine tiefe Verwurzelung in der Stadt, vor allen in den Kiezen, in denen wir beheimatet sind“, ergänzt der Manager, „aber sicher noch nicht überall, und Berlin hat ja ein paar mehr Bezirke als Charlottenburg und Westend.“ Für die will Hertha interessanter werden, idealerweise auch über die Stadtgrenzen hinaus. Und das Image ablegen, das dem Verein teilweise vorgehalten wird: nämlich so piefig und angestaubt zu sein wie das alte West-Berlin.

"Digitale Transformation des Unternehmens vorantreiben"

Vor zehn Monaten, im Oktober 2015, hat Hertha diesbezüglich die erste große Personalie bekannt gegeben. Seit Januar arbeitet Paul Keuter nun auch offiziell für den Verein. Der 40-Jährige, der schon früher für Hertha aktiv war, hat zuvor die weltweite Sport-Strategie von Twitter verantwortet. Keuter solle, so hieß es damals in der offiziellen Mitteilung, die „digitale Transformation des Unternehmens weiter vorantreiben“.

In Bad Saarow ist er regelmäßig an der Seite von Preetz zu sehen, beide übrigens in Trainingskleidung. Man darf davon ausgehen, dass das Duo auch ein Wörtchen beim neuen Slogan mitzureden hatte, mit dem der Klub in der letzten Woche an die Öffentlichkeit gegangen ist. „We try. We fail. We win.“ Versuchen, scheitern, gewinnen also. „Wir glauben etwas gefunden zu haben, das auf die Stadt, den Verein und den Zeitgeist zutrifft und hinter dem sich alle versammeln können“, sagt Preetz.

Das Leitmotiv, das sich die renommierte Berliner Marketingagentur Jung von Matt ausgedacht hat, ersetzt den alten Slogan („Aus Berlin. Für Berlin.“), es soll zur Hipstermetropole Berlin passen, in der es keine andere Fremdsprache zum Leben und Überleben braucht als Englisch – und den „Schulterschluss mit der Berliner Gründerszene" symbolisieren, wie es offiziell hieß. Hertha wolle „einer der Innovationsführer unter den Bundesliga-Klubs sein.“

Dazu passt auch die jüngste Personalie: Am Dienstag hat der Verein bekannt gegeben, dass Michael Kucharski seit dem 1. Juli als selbstständiger Kommunikationsberater für Hertha tätig ist. Auch Kucharski war, siehe Paul Keuter, ein ziemlich dicker Fisch auf dem freien Wirtschaftsmarkt, auch er hat vorher für einen Mega-Konzern gearbeitet: für die Universal Music Group. Künftig soll er Hertha in PR-Fragen beraten, und das wird auch nötig sein: Schließlich haben die Berliner ihren langjährigen Pressesprecher und bisherigen Leiter der Kommunikationsabteilung, Peter Bohmbach, pünktlich wenige Tage vor dem Trainingslager in eine andere Position berufen. Bohmbach kümmert sich nun um Publikationen des Hauses und die Traditionspflege im Verein.

Die Mannschaft hat den neuen Vereinssprech schon intus

Ein Twitter-Experte, ein neuer PR-Berater, dazu der neue Slogan – die Veränderungen bei Hertha sind ganz offensichtlich nicht aufzuhalten. Das ist auch längst in der Mannschaft angekommen. „Wir spüren das Bemühen, dass sich der Verein nicht nur fußballerisch, sondern auf allen Ebenen weiterentwickeln will“, sagt etwa Flügelspieler Mitchell Weiser, „diesen Anspruch muss man immer haben.“ Auch Sami Allagui hat den neuen Vereinssprech bereits angenommen. „Man merkt schon, dass alles ein bisschen hipper werden und mehr Elan reinkommen soll, dass Hertha als Hauptstadtklub besser funktionieren soll“, sagt der Stürmer. Sportlich hat das Team die Grundlagen für gesteigerte Aufmerksamkeit in jedem Fall gelegt. „Was gibt es besseres, als international zu spielen“, sagt der 30-Jährige, „wir haben es jetzt in der Hand, dem Verein diese Plattform zu geben.“

In der Qualifikation zur Europa League könnten dann auch zum ersten Mal die neuen Auswärtstrikots zum Einsatz kommen, die der Verein am Mittwoch vorgestellt hat – und die sich rein farblich dem Anspruch fügen, hip und ausgefallen zu sein. Über den genauen Farbton lässt sich freilich streiten. Ist das jetzt pink? Oder schimmert da noch ein Hauch rosa durch? Tim Wiese, so viel steht fest, würden die neuen Teile garantiert gefallen.

Zur Startseite