zum Hauptinhalt
Sie treffen nicht. Hertha BSC und Kapitän Vedad Ibisevic haben derzeit Ladehemmung.
© dpa

Das Warten auf das Tor: Hertha BSC hat Probleme mit dem Netz

Kein Bundesligist ist im Moment so harmlos wie Hertha BSC – gegen Stuttgart soll die Serie von mehr als 300 Minuten ohne Tor reißen.

Vedad Ibisevic ist dieser Tage mal wieder nach seiner beruflichen Zukunft gefragt worden. Die Frage liegt auf der Hand: Ibisevics Vertrag bei Hertha BSC läuft am Ende der Saison aus, nur drei Spiele sind es noch. Die letzten drei für den bosnischen Stürmer im Trikot des Berliner Fußball-Bundesligisten? „Das müsst ihr den Chef fragen“, antwortete Ibisevic. Es klang fast so, als gäbe es Vorbehalte bei Hertha und Manager Michael Preetz gegen seine Weiterbeschäftigung.

Bei einem flüchtigen Blick mögen solche Vorbehalte sogar berechtigt erscheinen: Ibisevic wird 35 sein, wenn im Sommer die neue Saison beginnt, er hat sich zuletzt wegen einer Tätlichkeit mal wieder eine mehrwöchige Sperre eingehandelt, und beim 0:0 in Frankfurt vor einer Woche vergab er die Siegchance für Hertha auf eher klägliche Art. Trotzdem machte der Kapitän der Berliner gegen die Eintracht ein gutes Spiel – weil er für den Gegner unangenehm und schwer zu greifen war, weil er viele Bälle behauptete und geschickt weiterleitete. Nur mit dem Toreschießen klappte es nicht. Aber dieses Problem hat Vedad Ibisevic bei Hertha derzeit nicht exklusiv.

Kein Bundesligist kommt in dieser Phase der Saison derart harmlos daher wie Hertha BSC. Exakt vier Wochen oder 320 Spielminuten ist es her, dass die Mannschaft von Trainer Pal Dardai zuletzt ein Tor erzielt hat (Marko Grujic zum zwischenzeitlichen 1:1 gegen Düsseldorf). Es war der einzige Treffer in den vergangenen fünf Spielen – selbst Hannover 96 und der 1. FC Nürnberg, die mutmaßlichen Absteiger, haben in derselben Zeit häufiger getroffen.

Jeder Trainer kennt solche Phasen, und jeder Trainer muss lernen, in einer solchen Phase die eigene Hilflosigkeit zu akzeptieren. An der Trainingsgestaltung kann die Abschlussschwäche laut Dardai jedenfalls nicht liegen: Fünfzehn, höchstens zwanzig Prozent der Inhalte beschäftigten sich mit der defensiven Organisation, „alles andere sind Spielzüge nach vorne, Laufwege, Flanken“, sagt Herthas Trainer. In dieser Woche im Training, so hat es Dardai berichtet, habe die Mannschaft die Tornetze zerfetzt.

Hertha BSC braucht mehr Chancen für ein Tor

Aber das heißt eben nicht, dass das auch an diesem Samstag, im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart (15.30 Uhr, live bei Sky), der Fall sein wird. Dass Herthas Auftritten zuletzt ein wenig die Leichtigkeit fehlte, macht sich am ehesten in Zweifeln vor dem gegnerischen Tor bemerkbar. Die Mannschaft brauche einen Dosenöffner, hat der Ungar zuletzt häufiger gesagt: „Wenn das erste Tor kommt, platzt es.“

In ihren besten Phasen unter Dardai hat sich die Mannschaft vor allem durch ihre Effizienz ausgezeichnet. Genau die geht der Mannschaft im Moment ab. „Das Wichtigste ist: Die Torchancen waren da“, sagt Dardai. Das stimmt. Es sind in der fast schon traditionell schwächeren Rückrunde (4,9 pro Spiel) nicht signifikant weniger als in der Hinrunde (5,2). Der entscheidende Unterschied ist: Während die Berliner in der ersten Halbserie 3,3 Chancen für ein Tor brauchten, sind es jetzt 4,9.

Es könnte ein Indiz dafür sein, dass die Qualität der Chancen nicht mehr so hoch ist wie in der Hinrunde. Dardai ist ein Freund der sogenannten Schach-und-Matt-Spielzüge. Die Angriffe sollen so gezielt vorbereitet werden, dass der Torabschluss im Idealfall nur noch Formsache ist. Das fällt Herthas Spielern derzeit erkennbar schwer – und es betrifft gerade nicht die Spieler in letzter Instanz, sondern auch oder vor allem die potenziellen Vorbereiter.

Ondrej Duda, der vor knapp drei Monaten sein letztes Tor erzielt hat, Valentino Lazaro und auch Salomon Kalou wirken längst nicht mehr so griffig wie in der Hinrunde. Ibisevic ist wegen seiner Sperre länger ausgefallen, Davie Selke wurde von einer Verletzung zurückgeworfen, als er gerade auf dem Weg zu alter Stärke schien. Und die personellen Alternativen für Pal Dardai sind überschaubar. Mathew Leckie war zuletzt alles andere als eine Bereicherung, Javairo Dilrosun ist nach seiner langen Verletzung noch längst nicht wieder auf altem Niveau – auch wenn er das anders sieht. „Wenn wir im Training sprinten, sieht man, wie langsam er regeneriert“, sagt Dardai. Für die Startelf gegen Stuttgart ist der Holländer definitiv keine Option.

Vielleicht versucht es Dardai mal wieder mit zwei Stürmern – mit Davie Selke und Vedad Ibisevic, die beide eine Vergangenheit beim VfB haben. Und die beide wohl auch in der kommenden Saison bei Hertha unter Vertrag stehen werden. „Unser Ziel ist es, dass er hier weiter spielen soll“, sagt Manager Preetz zu den Vertragsverhandlungen mit Vedad Ibisevic. Er sei in dieser Angelegenheit auch völlig unaufgeregt, allerdings auch, was den Stand der Dinge angeht, der falsche Ansprechpartner. Man müsse nicht ihn, den Chef, fragen, sagte Preetz: „Sie müssen seinen Berater fragen: Der scheint zuletzt viel Urlaub gemacht zu haben.“

Zur Startseite