Miete fürs Olympiastadion: Hertha BSC: Gentrifizierung in Westend
Hertha soll bald doppelt so viel Miete im Olympiastadion zahlen – und will nun erst recht eine neue Arena.
Dass die Mieten in Berlin stetig steigen, ist keine ganz neue Erkenntnis. Dass die Aufschläge bei Neuvermietungen recht happig ausfallen können, ebenfalls nicht; dass ein Altmieter von einem Tag auf den anderen allerdings das Doppelte zahlen soll, ist selbst in einer Boomtown wie Berlin ungewöhnlich. Genau das aber droht nun dem größten Verein der Stadt. Hertha BSC soll ab Sommer 2017 pro Jahr 7,5 Millionen Euro Miete für das Olympiastadion zahlen – das wäre ungefähr das Doppelte dessen, was die Olympiastadion Berlin GmbH, die Betreibergesellschaft, bisher gefordert hat.
„Das, was da aufgerufen wurde, schockiert uns“, sagte Herthas Manager Michael Preetz dem „Kicker“. „Wir haben keine Erklärung dafür.“ Preetz selbst war am Mittwochnachmittag nicht dabei, als die erste Verhandlungsrunde mit der Betreibergesellschaft anstand. Deren Forderungen lösten bei Hertha blankes Entsetzen aus. Bisher zahlt der Klub – abhängig vom Zuschaueraufkommen – zwischen 3,5 und 4 Millionen Euro pro Jahr. Die neuen Vorstellungen der Betreibergesellschaft sehen keine Staffelung nach Zuschauerzahlen mehr vor, sondern einen Festpreis. Zudem soll Hertha die Cateringrechte abtreten, die mit einer bis anderthalb Millionen Euro taxiert werden. Die Rechte sind für den Klub aber auch deshalb wichtig, weil er nur so bestimmen kann, dass zum Beispiel das Bier im Stadion ausgeschenkt wird, dessen Brauerei Herthas Werbepartner ist.
Da der neue Mietvertrag mindestens 15 Jahre laufen soll, kämen auf den Klub Kosten in Höhe von bis zu 135 Millionen Euro zu. Hertha hatte in den anstehenden Verhandlungen zwar mit einer Mieterhöhung gerechnet, aber bei Weitem nicht in einer solchen Dimension. Wo soll dieses Geld herkommen?, fragt man sich. Und wie soll angesichts der verhärteten Positionen überhaupt eine vernünftige Lösung gefunden werden, mit der beide Seiten leben können? Möglicherweise muss die Politik als Mediator eingreifen.
Hertha prüft noch, an wen der Auftrag für eine Machbarkeitsstudie vergeben werden soll
Hertha braucht das Olympiastadion als Spielstätte, so wie das Olympiastadion Hertha als Hauptmieter braucht. Das erklärt auch, warum sich der Betreiber bisher immer recht kulant gegenüber dem Klub gezeigt hatte. Die derzeitige Miete liegt unter dem, was die Bundesligisten im Schnitt (laut „Stadionwelt Inside“ 4,7 Millionen Euro) an Miete oder Kreditrate (für ihre eigenen Stadien) zahlen müssen. Eintracht Frankfurt zum Beispiel überweist pro Jahr neun Millionen Euro an die Stadt Frankfurt, der 1. FC Köln zahlt knapp acht Millionen. Und nach den beiden jüngsten Abstiegen (2010 und 2012) wurde Hertha die Miete vom Senat sogar komplett gestundet, weil der Klub finanziell überfordert gewesen und der direkte Wiederaufstieg dadurch in Gefahr geraten wäre.
Aber seit dem Einstieg des Finanzinvestors KKR steht Hertha finanziell deutlich besser da. Die Betreibergesellschaft des Olympiastadions, die sich zu den laufenden Verhandlungen nicht äußern will, soll die geplante Mieterhöhung in den Verhandlungen als betriebswirtschaftlich geboten bezeichnet haben. In ihrem letzten veröffentlichten Geschäftsbericht wies die GmbH allerdings einen Jahresüberschuss von 1,1 Millionen Euro aus. Da drängt sich die Frage auf, ob nicht andere Gründe ausschlaggebend waren. Zum Beispiel die öffentlich geäußerten Pläne des Klubs, einen Investor für den Bau eines neuen, reinen Fußballstadions zu suchen.
Präsident Werner Gegenbauer hat sogar schon prophezeit, dass die Mannschaft in spätestens 25 Jahren in einer eigenen Arena spielen werde, notfalls auch jenseits der Berliner Stadtgrenzen. Man kann sich denken, dass die öffentliche Hand, die den Umbau des Olympiastadions zur WM 2006 mit knapp 250 Millionen Euro finanziert hat, von solchen Ideen nicht allzu begeistert ist und die aktuellen Forderungen auch eine Retourkutsche sind. Zumindest die lange Laufzeit wird bei Hertha als klares Indiz dafür gewertet.
Das Präsidium hat schon vor vier Wochen beschlossen, eine Machbarkeitsstudie für eine neue Arena erstellen zu lassen. Zurzeit prüft Hertha noch, an wen der Auftrag vergeben werden soll. Die Verhandlungen mit dem Olympiastadion haben die Klubverantwortlichen in ihrer Haltung eher noch bestärkt. Je mehr Hertha an Miete zahlen muss, desto eher rechnet sich ein eigenes Stadion. Die Forderungen des Olympiastadions werden intern als das beste Argument für einen Neubau gewertet. „Wenn sich die Gegenseite vorstellt, dass wir in 15 Jahren eine signifikante, dreistellige Millionensumme als Miete zahlen, werden wir unsere eigenen Stadionpläne definitiv intensivieren müssen“, sagt Manager Preetz.
Das Problem ist, dass eine neue Arena nicht innerhalb eines Jahres aus dem Boden gestampft werden kann, es also trotz der Unvereinbarkeit der Positionen eine schnelle Einigung geben muss. Denn eins schließen sie bei Hertha BSC definitiv aus: dass die Mannschaft für ihre Heimspiele in die Alte Försterei des Lokalrivalen 1. FC Union umzieht.