Nach dem 0:0 bei Bayern München: Hertha BSC fühlt sich auswärts zu Hause
Mit dem Punktgewinn bei den Bayern hat sich Hertha den Ruf als gefürchtete Gastmannschaft verdient. Wie gut, dass das nächste Spiel wieder in der Fremde stattfindet – in Gelsenkirchen.
Jordan Torunarigha rückte sein Basecap zurecht und grinste. „Natürlich war ich aufgeregt“, sagte der junge Innenverteidiger von Hertha BSC, „wenn plötzlich Arjen Robben, Franck Ribery oder Robert Lewandowski auf dich zustürmen, wird einem ganz anders.“ Dann stellte Torunarigha eine These auf, die sich in den nächsten Tagen und Wochen idealerweise an den anderen Bundesliga-Standorten außerhalb Münchens und Berlins herumspricht. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass das auch nur Menschen sind, dass sie auch nur mit Wasser kochen.“ Menschen, die manchmal sogar am Tor vorbeischießen, selbst aus aussichtsreichen Positionen. Die auch mal einen gebrauchten Tag erwischen. Ausnahmsweise.
Beim FC Bayern spielen also keine Maschinen, obwohl man diesen Standpunkt zuletzt durchaus vertreten konnte angesichts der Dominanz von 14 Siegen in Serie. Den 15. Erfolg, der zugleich einen Vereinsrekord für Jupp Heynckes’ Team bedeutet hätte, wussten wehrhafte Berliner am Samstag zu verhindern – mit extrem hohem läuferischen Aufwand, engmaschigen Verteidigungslinien, einem starken Torhüter Rune Jarstein und, auch das gehört in München dazu, einer ordentlichen Portion Glück trotzten sie dem Favoriten überraschend einen Punkt ab. Der Führende der Bundesliga-Torschützenliste, Robert Lewandowski, hätte sich allein in Halbzeit eins berühmt schießen können. Tat er aber nicht.
„Wir haben als Team dagegengehalten, das war eine große Leistung“, sagte Außenverteidiger Marvin Plattenhardt. „Das ist ein schöner Bonuspunkt, den wir gern mitnehmen“, befand Torhüter Rune Jarstein, „wir können sehr stolz auf dieses Ergebnis sein.“ Zum ersten Mal in dieser Saison blieben die Bayern unter Heynckes ohne eigenen Treffer, zum dritten Mal in Folge schafften sie es nicht, die Spielverderber aus der Hauptstadt zu besiegen. Selbst Heynckes bescheinigte den Gästen eine „kampfstarke und taktisch sehr clevere“ Herangehensweise. „Wenn wir das 1:0 erzielt hätten, wäre das sicher ganz anders gelaufen“, ergänzte Heynckes. Taten sie aber nicht.
Hertha hat in der Rückrunde auswärts in vier Spielen nur ein Gegentor kassiert
Rainer Widmayer wird das Lob gern vernommen haben. Am Sonntag übernahm Herthas Co-Trainer die Nachbesprechung des Spiels, weil Cheftrainer Pal Dardai eine Nacht länger in München blieb als sein Team. In Deutschlands wohl bekanntester Fußball-Talkrunde durfte der Ungar am Vormittag noch einmal dezidiert erklären, wie und warum sein Team tags zuvor zu einem Punktgewinn gekommen war. „Wir haben mutig nach vorn verteidigt, auch wenn sich viel in der eigenen Hälfte abgespielt hat“, sagte Co-Trainer Widmayer. „Wenn wir das schaffen, wenn wir früh draufgehen und die Räume zustellen, ist es immer schwer, gegen uns zu spielen.“
Dummerweise ist das den Berlinern zuletzt fast ausschließlich in Auswärtsspielen gelungen, Hertha ist neuerdings gewissermaßen auswärts zu Hause. In vier Rückrundenpartien in fremden Stadien (Stuttgart, Bremen, Leverkusen, München) haben die Berliner erst einen einzigen Treffer zugelassen, beim unglücklichen 0:1 zum Rückrundenauftakt beim VfB. In allen anderen drei Begegnungen stand am Ende die Null und damit die Gewissheit, mindestens einen garantierten Punkt mit auf die Heimreise zu nehmen. „Wir haben von Anfang an daran geglaubt, dass wir auch in München etwas holen können, das war entscheidend“, sagte Torhüter Jarstein, „aber jetzt müssen wir uns endlich zu Hause steigern und weiter so auftreten.“
In der Tat sind die Berliner daheim längst nicht so stabil und effizient wie in der vergangenen Saison, als sie im Olympiastadion 37 ihrer insgesamt 49 Punkte sammelten. In dieser Spielzeit belegt Hertha in der inoffiziellen Heimtabelle den 15. Platz, nur die Abstiegskandidaten aus Wolfsburg, Hamburg und Köln haben zu Hause noch weniger Punkte gesammelt. Dafür liest sich die Auswärtsbilanz deutlich erfreulicher: Mit 15 Punkten belegt Hertha einen starken fünften Rang. „Die Mannschaft ist über die Jahre gewachsen und hat ein paar positive gemeinsame Erfahrungen in Auswärtsspielen gemacht“, sagt Widmayer. „Wenn man weiß, dass man bei Topmannschaften bestanden hat, kann man viel selbstbewusster in die nächsten Aufgaben gehen.“
So gesehen trifft es sich ganz gut, dass Hertha BSC am kommenden Samstag erneut eine Dienstreise zu einem Bundesliga-Spitzenteam wird antreten müssen. Dann fahren die Berliner nach Gelsenkirchen zum FC Schalke 04. Der harte Kern, der seit Jahren und fast immer mitreist, hat das Bier vermutlich schon kaltgestellt.