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Wo ist das Tor? Herthas Davie Selke (links) hatte gegen Mönchengladbach viele Chancen, vergab sie aber alle.
© dpa

Die Berliner treffen nicht mehr: Hertha BSC: Effizienz verzweifelt gesucht

Kein Bundesligist hat 2018 weniger Tore erzielt als Hertha BSC. Trotzdem hat Trainer Dardai beim 1:2 bei Borussia Mönchengladbach Fortschritte gesehen.

Für einen guten Stürmer ist richtiges Timing unerlässlich. Und Davie Selke, der junge Stürmer von Hertha BSC, erwischte genau den richtigen Moment. Als Selke vom Feld kam, wurde auf den Monitoren im Spielergang des Mönchengladbacher Borussia-Parks, gerade die Tabelle der Fußball-Bundesliga eingeblendet. Genauer gesagt: die untere Hälfte der Tabelle. Selke blickte auf den Bildschirm, bis er am oberen Ende dieser Tabellenhälfte den Namen seines Arbeitgebers Hertha BSC entdeckte. Dass er nicht vergeblich suchte, lag nicht zuletzt an ihm selbst. Selke allein hätte Hertha am Samstag auf einen einstelligen Tabellenplatz schießen können.

„Der Wille ist da“, sagte Pal Dardai, der Trainer des Berliner Bundesligisten, „er ist fleißig, arbeitet viel für die Mannschaft.“ Das Problem war, dass Selke gegen Borussia Mönchengladbach Defizite in der Kernkompetenz eines Stürmers offenbart hatte: im Toreschießen. Kein Spieler kam auf mehr Abschlüsse als der 23- Jährige. Der Ertrag aber war gleich null, sieht man davon ab, dass Selke an Herthas Führungstreffer zumindest mittelbar beteiligt war, weil er seinen Gegenspieler Jannik Vestergaard mit vehementem Körpereinsatz dazu genötigt hatte, den Ball vor die Füße des Torschützen Salomon Kalou zu spitzeln.

Selke lief zweimal mehr oder weniger unbedrängt auf das Tor der Gladbacher zu: Einmal verzog er mit links, beim anderen Mal schloss er überhastet ab. Hinzu kam ein Kopfball, bei dem Gladbachs Torhüter Yann Sommer ihn nur am Rande irritieren konnte. „Wenn ich einen Lauf habe, geht der Ball über die Linie“, sagte Selke. „So geht er einen Zentimeter am Pfosten vorbei.“

Nach dem Spiel in Mönchengladbach lässt sich festhalten: Nicht nur Selke hat im Moment keinen Lauf; das gilt auch für die gesamte Mannschaft. Gegen die Gladbacher hätte Hertha drei, vier, vielleicht sogar fünf Tore schießen können. Es blieb bei dem einen, das Kalou kurz vor der Pause erzielte. Und so endete die Partie nicht etwa mit einem souveränen Auswärtssieg der Berliner gegen ihren Angstgegner, sondern mit einer unerklärlichen 1:2 (1:0)-Niederlage. „Das ist schmerzhaft“, sagte Trainer Pal Dardai am Tag danach.

Hertha ist die Effizienz abhandengekommen

Es ist für die Berliner noch ein bisschen schmerzhafter, weil sie das Gefühl hatten, dass ihnen das so ähnlich schon häufiger widerfahren ist. „Das zieht sich ein bisschen wie ein roter Faden durch die ganze Saison“, sagte Offensivspieler Valentino Lazaro. „Wenn wir nur 50 Prozent unserer Chancen verwertet hätten, wären wir schon fast sicher europäisch dabei.“ Gegen die Gladbacher lag die Erfolgsquote bei ungefähr elf Prozent.

In den vergangenen sieben Spielen hat Hertha drei Tore geschossen, davon zwei gegen den Abstiegskandidaten HSV. Im eigenen Stadion ist die Mannschaft seit vier Spielen torlos – kein anderer Bundesligist war im Jahr 2018 so harmlos. In der Rückrunde kommen die Berliner auf gerade sieben Tore in zwölf Begegnungen. Die Effizienz, die das Team unter Dardai immer ausgezeichnet hat, ist abhandengekommen. „Wenn wir ehrlich sind: In diesem Jahr ist es so“, sagte der Ungar.

Die Niederlage gegen die spielerisch biederen Gladbacher war so schwer zu akzeptieren, dass Herthas Trainer unmittelbar nach dem Spiel überhaupt keine Worte verlieren wollte und sich auch zu einer fachlichen Analyse außerstande sah. Mit einer Nacht Abstand sah das schon anders aus. „Du musst positiv bleiben“, sagte er – und verwies auf die Fortschritte, die er erkannt hatte. Das gesamte Offensivspiel hatte mehr Stringenz als in den Wochen zuvor; diesmal kam sogar schon der letzte Pass an. Die Probleme begannen erst danach. „Es war alles da – nur die Tore nicht“, sagte Dardai. „Aber wenn du immer so viele Torchancen hast, dann kommen die Tore, und dann gewinnst du diese Spiele.“

In der Vergangenheit war es so, dass Hertha das Toreschießen an Vedad Ibisevic, 33, und Salomon Kalou, 32, outgesourct hatte. „Da haben wir schon gechillt“, sagt Dardai. Angesichts des fortgeschrittenen Alters der beiden Routiniers ist das schon mittelfristig keine tragfähige Lösung mehr. Herthas Trainer setzt deshalb auf die Lernfähigkeit und das Entwicklungspotenzial seines jungen Kaders. „Im Training sieht man schon Fortschritte“, sagt Dardai, der darauf baut, dass Spieler wie Vladimir Darida (in dieser Saison kein Tor, zwei Assists), Arne Maier (kein Tor, ein Assist), Valentino Lazaro (zwei Tore, fünf Assists) und natürlich Davie Selke (fünf Tore, drei Assists) perspektivisch mehr Torgefahr entwickeln. „Wenn es kommt, haben wir ein ruhiges Leben“, sagt Trainer Pal Dardai. „Wenn nicht, dann wird es immer wieder schwierig.“

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