Hertha verliert 1:2 gegen Mönchengladbach: "Die bessere Mannschaft nimmt heute nichts mit"
Die Berliner nutzen in Mönchengladbach ihre Chancen nicht - und werden dafür in der zweiten Halbzeit von den Gastgebern bestraft.
Ein moderner Fußballtrainer muss über Kenntnisse in vielen verschiedenen Fachgebieten verfügen. Er sollte nicht nur Taktikexperte sein, sondern auch Pädagoge, Psychologe und manchmal sogar Schauspieler. So wie Pal Dardai am Samstagnachmittag im Mönchengladbacher Borussia-Park. Um ihn herum tobte das Volk, der Trainer von Hertha BSC aber zeigte keine Regung. Auf seinem Gesicht war kein Zucken zu erkennen. So also sieht der Trainer einer Mannschaft aus, die nicht nur einen sicheren Sieg verspielt hat, sondern gerade den entscheidenden Treffer zu einer unmöglichen Niederlage kassiert hat. „Unfassbar. Unfassbar“, sagte Herthas Stürmer Davie Selke nach dem 1:2 (1:0) gegen Borussia Mönchengladbach. „Die bessere Mannschaft nimmt heute nichts mit.“
Bis eine Viertelstunde vor Schluss hatten die Gäste aus Berlin noch geführt – und das nicht nur verdient, sondern auch deutlich zu knapp. „Du kannst auf jeden Fall fünf, sechs Tore machen“, sagte Valentino Lazaro. Es blieb bei einem einzigen von Salomon Kalou, der in seinem ersten Spiel als Kapitän der Berliner kurz vor der Pause zum 1:0 abgestaubt hatte. Selbst das hätte zu einem lockeren Sieg reichen können gegen einen schwachen und verunsicherten Gegner.
Lange Zeit versprühten die Gladbacher den fußballerischen Ideenreichtum eines Abstiegskandidaten. Mit dem Ball fiel ihnen nichts ein. Und so sah die Begegnung vor der Pause so aus, wie es beim Duell des Tabellenneunten der Fußball-Bundesliga mit dem Elften zu erwarten war: träge, fußballerisch unspektakulär, mit einem Wort: langweilig. Den Gästen reichte eine gute defensive Organisation, um das Spiel der Gladbacher weitgehend lahm zu legen. Nach vorne beschränkten sie sich auf sporadische Versuche, aber die waren deutlich gefährlicher als die der Borussen.
Selke hätte nach einem Konter per Kopf auf 2:0 erhöhen können
„Wir spielen hier ein überragendes Spiel, die erste Halbzeit war wirklich Weltklasse“, sagte Selke, der nach einer Viertelstunde den ersten Torschuss überhaupt abgab. Der Stürmer der Berliner war Jannik Vestergaard davongelaufen, verfehlte mit seinem Schuss aber knapp das Tor. Selke war fünf Minuten vor Ende der ersten Halbzeit auch an Herthas Führungstreffer zumindest mittelbar beteiligt. Nach einem langen Pass von Innenverteidiger Niklas Stark brachte Selke seinen Körper ein – und Vestergaard dazu, den Ball genau vor die Füße Kalous zu spitzeln. Der hatte keine Mühe, seinen elften Saisontreffer zu erzielen.
Der Ivorer hätte schon unmittelbar nach Wiederbeginn alles klar machen können, als er nach einem Freistoß am Fünfmeterraum zum Kopfball kam. Doch Borussias Torhüter Yann Sommer bewahrte seine Mannschaft mit einem grandiosen Reflex vor dem mutmaßlichen Knock-out.
Hertha zog sich in dieser Phase nicht zurück, sondern attackierte zeitig und war weiterhin erfolgreich um Ball- und damit Spielkontrolle bemüht. Ein bisschen Glück gehört auch dazu. Respektive ein kurzer Hinweis des Videoassistenten aus Köln. Zehn Minuten nach der Pause bejubelte der Borussia-Park das vermeintliche 1:1 durch Patrick Herrmann, doch Vorlagengeber Thorgan Hazard hatte zuvor im Abseits gestanden.
Die Gladbacher wurden nun mutiger, vernachlässigten dabei aber auf geradezu sträfliche Weise ihre Defensive. So etwas mag Hertha. Selke hätte nach einem Konter per Kopf auf 2:0 erhöhen können, kurz darauf stand Kalou frei vor dem Tor. Er guckte Sommer aus – und setzte den Ball überlegt am Tor vorbei. Später vergab erneut Selke eine gute Chance, und in der Nachspielzeit wurde Lazaro im entscheidenden Moment noch von Oscar Wendt gestört.
Da aber kämpften die Berliner nur noch um ein Unentschieden. Während sie selbst Chance um Chance verdaddelt hatten, kamen die Gladbacher durch den zur Pause eingewechselten Hazard zum überraschenden Ausgleich. Und nur vier Minuten später meldete sich der Videoassistent erneut zu Wort – diesmal zu Lasten der Berliner. Er überstimmte Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus, die nach einem Zweikampf von Fabian Lustenberger gegen Nico Elvedi zunächst nicht eingegriffen hatte. Es gab Elfmeter, den Hazard sicher verwandelte. „Im Endeffekt ist es gerecht und trotzdem immer noch komisch“, sagte Selke über die Intervention des Videoassistenten. „Die Emotionen spielen verrückt.“ Dieses Gefühl hatten die Berliner nicht nur einmal an diesem Nachmittag.