Ilja Hofstädt wird Torwarttrainer: Hertha BSC braucht Ruhe im Tor
Zwei Tage nach der Trennung von Zsolt Petry präsentiert der Fußball-Bundesligist einen Nachfolger. Zuvor hatte Gabor Kiraly abgesagt.
Trainer Pal Dardai hat es versucht. Sportdirektor Arne Friedrich hat es versucht. Auch Co-Trainer Andreas Neuendorf hat es versucht. Sie alle hatten mit Gabor Kiraly gesprochen und wollten den ehemaligen Torwart und Publikumsliebling von Hertha BSC dazu bewegen, jetzt Torwarttrainer bei Hertha zu werden. Das erzählte Friedrich am Donnerstag.
Doch keiner hatte Erfolg, Wunschkandidat Kiraly macht es nicht. Nun präsentierte der Fußball-Bundesligist eine andere Lösung: Ilja Hofstädt wird die Torhüter bis zum Saisonende trainieren.
Friedrich betonte, Kiraly wäre von der „Ausstrahlung, vom Charakter und von seinem Torwartspiel“ die perfekte Lösung gewesen. „Er hat lange mit sich gerungen, musste aber wegen privater Dinge absagen.“ Dass sich der Verein intensiv um Kiraly bemühte, der in seiner Heimatstadt Szombathely in Ungarn ein Sportzentrum mit Torwartschule betreibt, habe Hofstädt von Anfang an gewusst. „Ilja bekommt von uns jegliches Vertrauen und jegliche Unterstützung. Er ist ein Top-Mann“, sagte Friedrich.
Hofstädt, 48, betreut seit 2004 Nachwuchsmannschaften im Verein, zuletzt als Torwarttrainer der U19. Zudem ist er seit 2015 in dieser Funktion bei den Nachwuchs-Nationalmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) tätig.
Auslöser für die nicht geplante Suche war die Trennung vom bisherigen Torwarttrainer Zsolt Petry am Dienstag. Der 54-Jährige hatte in einem Interview mit der ungarischen Zeitung „Magyar Nemzet“ diskriminierende Äußerungen zu den Themen Homosexualität und Zuwanderung getätigt. Die Aussagen entsprächen „insgesamt nicht den Werten von Hertha BSC“, sagte Carsten Schmidt, Vorsitzender der Geschäftsführung.
Unterdessen hat Ungarn am Donnerstag einen Vertreter der deutschen Botschaft einbestellt. Das ungarische Außenministerium erklärte, dass die Entlassung „die freie Meinungsäußerung einschränkt“. Weiter hieß es: „Deutschland hat wie Ungarn direkte historische Erfahrungen mit Meinungsterror, daher ist der Schutz des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung unsere gemeinsame moralische Pflicht“, hieß es in der Erklärung.
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Am Donnerstagvormittag hatte Dardai gesagt: „Zsolt hat sich immer mit Hertha BSC identifiziert. Er hat Tag und Nacht sein Bestes gegeben. Das hört sich jetzt hart an: Aber wenn einer geht, dann kommt der nächste.“ Auf Initiative von Dardai habe Petry vor der Mannschaft zu den Dingen Stellung genommen und sich von ihr verabschiedet.
Unter Petry hatte vor allem Rune Jarstein einen riesigen Leistungssprung gemacht. Als Petry im Sommer 2015 kam, war Jarstein kurz davor, Hertha zu verlassen. Der frühere ungarische Nationaltorhüter setzte sich für den Verbleib des Norwegers ein. Wenig später war Jarstein Stammtorwart. Im Jahr 2018 hielt er einmal einen quasi unhaltbaren Ball in der Nachspielzeit – und rettete Hertha einen Punkt gegen die TSG Hoffenheim. Trainer Julian Nagelsmann sagte danach: „Das muss am Zsolt liegen, den wir ja bei uns auch gut kennen.“ Vor seiner Zeit in Berlin hatte Petry bei der TSG gearbeitet.
Hertha will mit Jarstein verlängern
Ende 2019 übernahm Jürgen Klinsmann für kurze Zeit das Traineramt, er entband Petry – der später auf den Posten zurückkehrte – von seinen Aufgaben. Jarstein fiel in ein Leistungsloch und verlor in der Folge seinen Stammplatz, den er erst Anfang des laufenden Jahres zurückeroberte, nachdem Dardai Trainer geworden war. Hertha will den Vertrag mit dem 36 Jahre alten Jarstein verlängern.
Aktuell steckt das Team im Abstiegskampf, der Mannschaft fehlt es nach wie vor an Konstanz. Das hat sich zuletzt im Derby beim 1. FC Union gezeigt. Zudem ist die Personallage vor allem im Mittelfeld angespannt, weil Vladimir Darida (Rotsperre) sowie Lucas Tousart (Gelbsperre) fehlen und Sami Khedira noch nicht fit genug für einen Einsatz in der Startelf ist. Doch zumindest Santiago Ascacibar kann spielen. Der DFB hatte Ermittlungen gegen den Argentinier eingeleitet, weil er Unions Nico Schlotterbeck nach einem Foul beleidigt haben soll. Diese Ermittlungen sind aber eingestellt worden.
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Zusätzliche Unruhe kann der Klub gar nicht gebrauchen. Nicht auf der Torwartposition und nicht auf anderen. Sportdirektor Friedrich sagte, dass die Personalie Petry in erster Linie die Torhüter betreffe und jeder einzelne – also Jarstein, Alexander Schwolow und Nils Körber – vorab telefonisch informiert worden seien: „Sie waren voll im Bilde.“
Friedrich hatte unlängst im „Kicker“ gesagt, Hertha hätte mit Jarstein und Schwolow „zwei Nummer-1-Torhüter“. Für Dardai ist Schwolow, 28, der Mann für die Zukunft. Aufgrund der großen Erfahrung von Jarstein setzt er aber im Kampf um den Klassenerhalt auf ihn. Derzeit befindet sich Jarstein nach einem positiven Coronatest in Quarantäne. Bereits im Auswärtsspiel bei Union hat ihn Schwolow vertreten, und seine Sache sehr gut gemacht.
Am Samstag im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach wird erneut Schwolow im Tor stehen. Über die Trainingsleistungen unter der Woche sagte Dardai: „Er hat einen guten Eindruck hinterlassen.“ Wie es nach Jarsteins Rückkehr weitergeht, lässt der Trainer offen. Aber einen Wunsch hat er noch für die Zeit bis zum Wochenende: „Hoffentlich bleibt Alex gesund.“