Im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund: Hertha BSC: An der Schranke zum Traum
Um ins Pokalfinale einzuziehen, muss Hertha die aktuelle Schwächephase ignorieren und sich vielmehr an ein Spiel im Februar erinnern.
Roman Hubnik kam gestern auf das Olympiapark-Gelände zugefahren. Das heißt, er kam bis zur Schranke. Sie wissen schon, Hubnik ist jener Herr, der seiner Hertha damals den Weg ins Pokalhalbfinale verstellte. Jedenfalls war er nicht ganz schuldlos daran. In der Verlängerung des Viertelfinal-Heimspiels gegen Borussia Mönchengladbach im Februar 2012 war es der tschechische Innenverteidiger Herthas, der von seinem Gegenspieler Igor de Camargo in der 100. Minute rüde gecheckt wurde. Hubnik war derart außer sich, dass er wild entschlossen auf de Camargo zustiefelte. Dumm für die Berliner, wie sich zeigen sollte, da de Camargo diese Eselei Hubniks ausnutzte, indem er eine Tätlichkeit des Tschechen vortäuschte, auf die der Schiedsrichter reinfiel. Der Elfmeter beendete den Traum vom Finale.
Vier Jahre später ist dieser Traum greifbarer denn je. „Wir können es gar nicht mehr erwarten. Wir brennen auf dieses Spiel“, sagt Michael Preetz vor dem Pokalhalbfinale am Mittwoch gegen Borussia Dortmund (20.30 Uhr/ARD). Herthas Manager weiß, dass dieser Gegner weit mehr Erfahrung hat mit Spielchen solchen Kalibers als die Berliner. Auch deshalb appelliert er an die angefixte Stadt und jenen Teil der 76 233 Besucher des blau-weiß ausgeleuchteten Stadions, die auf Seiten der Berliner sein sollten. „Wir wollen, dass alle brennen. Das werden wir brauchen. Es wird nicht nur auf unsere Mannschaft ankommen.“
Auf die Vereins-Homepage haben sie jetzt eine hübsche Kamelle gehoben. Sie stammt aus seliger Zeit und kündet von einem sagenhaft anmutenden 9:1-Sieg Herthas über Borussia Dortmund. Er datiert vom 18. April 1970 und ist der bis heute höchste Bundesligasieg der Berliner überhaupt. Am Ende wurde Hertha übrigens Meisterschaftsdritter.
Dortmund ist für Hertha-Trainer Pal Dardai "der große Favorit" - Taktik?
Jetzt aber, fast auf den Tag genau 46 Jahre später, können die Berliner sich selbst übertreffen. Natürlich nicht vom Resultat her. Die Realitäten sind heute andere. „Dortmund ist der große Favorit“, sagt Herthas Trainer Pal Dardai. Aber im Pokal hänge alles an einem Spiel. Und in diesem einen Spiel könne viel passieren. „Da kann man etwas bewegen.“ Es zählt, das Momentum auf seine Seite zu ziehen. Der Pokal ist eben auch eine sehr emotionale Angelegenheit. Auch deshalb sagt Dardai, „ist im Pokal mehr der Charakter als Taktik gefragt“.
Ja, die Berliner werden vermutlich nur dann eine realistische Chance haben, wenn sie den Willen, die Power und den Eifer aufbringen, wenn sie mit aller Leidenschaft ihr Traumziel verfolgen – es ist der Traum vom Pokalfinale einen Monat später an selber Stätte. Der FC Liverpool hat vor einer Woche gegen Dortmund vorgemacht, was Leidenschaft auszurichten vermag.
„Für uns Spieler ist das das größte Spiel bisher, weil man die Chance hat, noch einmal ein Heimspiel, das Finale, zu haben“, sagt Fabian Lustenberger. Der Schweizer ist jetzt seit neun Jahren bei Hertha, so weit aber ist er noch nie gekommen. Andere im Verein, wie Preetz oder Dardai, gedulden sich schon viel länger. Beide waren Mitte der neunziger Jahre zu Hertha gekommen. Preetz sagt: „Wir warten 20 Jahre auf so einen Tag.“
Auf die Frage, ob dieses Highlight genau zu rechten Zeit komme, oder doch zur falschen, da es zuletzt in der Liga nicht ganz so lief, antwortet der 27 Jahre alte Kapitän Lustenberger: „Weder noch, in diesem einen Spiel ist alles möglich.“ Seine Mitspieler und er wollten die Saison vergolden, sagt er und verspricht: „Wir werden alles daran setzen.“
Fabian Lustenberger erinnert vielmehr daran, dass man gegen Dortmund schon zweimal in dieser Saison gespielt habe. Vor allem das 0:0 vor zwei Monaten fühlte sich für die Berliner wie ein Erfolg an, nachdem das Hinspiel noch 1:3 verloren gegangen war. Die Mannschaft habe vieles gelernt in dieser Spielzeit und sich kontinuierlich entwickelt. „Bei uns überwiegt die Vorfreude auf dieses Spiel“, sagt Lustenberger. Und auch Pal Dardai sieht eher die Chancen, etwas Großes zu schaffen, nebenbei etwas fürs Image zu tun und Herthas fast schon legendäre Pokalblamagen überspielen zu können. Man sei in dieser Angelegenheit dem leidgeprüften Anhang etwas schuldig. Gerade für diesen Wettbewerb hat er als Trainer eine Leidenschaft vorgelebt und seit dem Fast-Abstiegs-Sommer mehr und mehr Spieler für seinen Traum begeistern und gewinnen können. Inzwischen spüre er, „dass die Jungs ins Finale wollen“. Und mithin ganz Berlin, wie er meint: „Warum sollen wir nicht das Wunder schaffen?“
Roman Hubnik spielt längst woanders, der 31-Jährige steht bei Viktoria Pilsen unter Vertrag. Vielleicht wollte er sich Karten für das große Spiel abholen. Vielleicht bekam er ein schlechtes Gewissen und kehrte deshalb an der Schranke um.