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Der Paralympics-Sportler Heinrich Popow in der RTL-Tanzshow "Let's Dance".
© dpa

Paralympics: Heinrich Popow: Immer weiter im Takt

Heinrich Popow musste bei der Show Let's Dance vorzeitig aufgeben. Er wollte Normalität beweisen, wurde aber auch beschimpft.

Heinrich Popow weiß jetzt, was Frauen in High Heels so alles aushalten müssen. Nicht, dass der mehrfache Paralympicssieger nun etwa in hochhackigen Stilettos aufgetreten ist. Aber er tanzte bei den Trainings und in der Show „Let’s Dance“ in Männerschuhen mit Absatz – und das sei auch schon ziemlich heftig, erzählte der Sonnyboy des deutschen Behindertenleistungssports bei einem Termin im Ottobock Science Center am Potsdamer Platz. Popow musste infolge einer Krebserkrankung in der Wade im Alter von neun Jahren ein Bein amputiert werden, links steckt sein Oberschenkelstumpf in einem Prothese. Das ist längst Teil seiner selbst, und er steht auf zwei Beinen.

Trotzdem hat er mit der Teilnahme an der Tanzshow vor Millionenpublikum Neuland betreten. „Wenn Du bei Paralympics Gold geholt hast, denkst Du ja, Du bist schon ganz oben“, sagt der Leichtathlet vom TSV Bayer 04 Leverkusen. Aber das Tanzen habe ihm eine neue Welt erschlossen und ein völlig neues Körpergefühl gegeben, weg vom kantigen Geradeaus hin zum lockeren Hüftschwung. Da habe er gelernt, wie man das Prothesenbein auch aus einer geschwungen Acht heraus nach vorne setzen kann, statt es mit dem Kopf und Kniechipcomputer berechnend zu steuern. „Ich habe die Freiheit der Emotionen wiedergefunden“, sagte er.

Leider aber kam er auch an seine Grenzen. Wegen einer entzündeten Sehne am Beinstumpf neben den Nervenenden, „die ziemlich beleidigt sein können“, musste er aus der Show aussteigen. Die hat ihm gezeigt, dass es mit der Inklusion auch noch nicht so weit her ist wie gedacht. So kamen gerade auf Facebook gehässige Kommentare. Warum er denn sein Kunstbein so „demonstrativ“ mit kurzem Hosenbein präsentieren müsse? Musste er unter anderem deswegen, weil sein Knie sonst die dünne Tanzhose gefressen hätte. „Schon meine Mutter ist früher immer verzweifelt, weil sie für mich als Junge ständig neue Hosen kaufen musste.“ Popow tanzte weiter – in der Hoffnung, „dass der penetrante Blick auf mein Bein den Anblick einfach normal werden lässt“.

Er will zur WM

Normal ist bei dem gebürtigen Kasachen, dass er nie stehen bleibt. Ein Bein behält er im symbolischen Sinne beim Leistungssport. Wenn die Gesundheit es zulässt, will er auf jeden Fall bei der WM 2017 in London starten. Wenn er dieses Jahr passen muss, will er bei der EM der Leistungssportler mit Behinderungen in Berlin im Sommer nächsten Jahres seine Sportlerkarriere beenden – um dann dem Nachwuchs als Mentor zur Seite zu stehen. Vorher appelliert er noch dringend an alle Sportfunktionäre, für das Ereignis in Berlin ordentlich Werbung zu machen, damit es keine Wettbewerbe vor leeren Rängen werden. Das schlägt einem als Paralympics-Kenner nämlich echt aufs Gemüt, wenn solche Wettkämpfe wirken wie eine Dorfveranstaltung

Der gerade ausgebildete Orthopädietechniker möchte künftig mehr zwischen Entwicklern und Kunden im Orthopädiefachgeschäft vermitteln, um die Prothesen und Orthesen noch kundengemäßer nutzbar zu machen. Mit den Hilfsmitteln verhält es sich Popow zufolge wie mit allen modernen Hightechgeräten: Sie bieten etwa mit Fernbedienungen jetzt schon Millionen Möglichkeiten, von denen der Nutzer nur einen Bruchteil in Anspruch nimmt. Alle gucken ja auch schon in Richtung der nächsten Sommerparalympics in Japan 2020, wo laufende Menschenmaschinen dank Exoskletten alltäglicher werden sollen.

Nur Werkstatt oder Labor ist aber auch nichts für Heinrich Popow. Er plant gemeinsam mit seinem Förderer und Arbeitgeber Ottobock weitere motivierende „Running Clinics“, demnächst etwa in Saudi-Arabien. Er selbst will sich mittelfristig an einen Marathon wagen, „um mal diesen Mann mit dem Hammer hinter mir zu spüren“. Und er will das Tanzen in die Rehabilitation integrieren. Heinrich Popow gibt also zum Glück auch weiter den Takt an.

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