Ritterschlag von Rummenigge: Hansi Flick hat die Chance bei den Bayern verdient
Die Pläne sahen anders aus, doch jetzt soll Hansi Flick weiter Trainer des FC Bayern bleiben. Das ist die richtige Entscheidung. Ein Kommentar.
Für Hansi Flick war die Ziellinie keine weiße Markierung auf der Tartanbahn. „Für mich ist das Spiel gegen Dortmund die Ziellinie“, hatte der Interimstrainer des FC Bayern vor der Partie am Samstagabend gesagt. Doch dann sorgten seine Spieler dafür, dass der Lauf mit Flick in die nächste Runde geht. 4:0 gewannen die Bayern gegen ein extrem schwaches Borussia Dortmund. Damit ist die Trainersuche vorerst beendet, Flick bleibt „bis auf Weiteres“ Chefcoach der Bayern, so die Aussage von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.
Dank Hansi Flick sind bei Bayern die defensive Stabilität und das Selbstbewusstsein zurückgekehrt. In seinen sechs Tagen als Cheftrainer hat es Flick geschafft, die Mannschaft nach dem 1:5 gegen Eintracht Frankfurt und der Entlassung von Niko Kovac aufzurichten. Und wer würde nach einem 4:0 gegen Borussia Dortmund ernsthaft auf die Idee kommen, den Trainer zu wechseln?
„Wir haben jetzt zwei Mal zu Null gespielt, zwei Mal gewonnen – es gibt aktuell keinen Grund, was zu verändern", sagte ein glücklicher Thomas Müller nach dem Spiel. Müller ist einer der Spieler, die bei Kovac nicht besonders angesehen waren. Der ehemalige Trainer bezeichnete Müller sogar als eine Art Notnagel, später entschuldigte er sich dafür. Unter Flick stand Müller zwei Mal in der Startelf und glänzte gegen Dortmund mit zwei Vorlagen.
Nun ist der meinungsstarke Spieler zu professionell und auch zu höflich, um schlecht über seinen ehemaligen Trainer Kovac zu reden. Woran dieser gescheitert ist, deutete der scheidende Präsident Uli Hoeneß am Samstagabend im ZDF an : „Es hat sicherlich Strömungen innerhalb der Mannschaft gegeben, die den Trainer weg haben wollten. Deswegen hat die Führung entsprechend reagiert.“ Die Spieler beim FC Bayern sind mächtig – mächtiger als der Trainer.
Und wer hört, was die Spieler an ihrem neuen Trainer loben, der kriegt ein Gefühl dafür, was sie bei ihrem alten Trainer vermisst haben. Flick zeige eine „hohe Empathie“, sagte Leon Goretzka. „Er sucht auch Vier-Augen-Gespräche, die in so einem breit besetzten Kader wie bei uns essentiell wichtig sind.“ Müller lobte Flicks taktische Ausrichtung: „Er hat uns ganz klar seine Idee vermittelt.“ Zeigte Kovac zu wenig Empathie für die Ansprüche der vielen Stars bei den Bayern? Und war er taktisch nicht überzeugend genug?
Goretzka: "Sein Anteil an den Siegen ist groß"
Mit ihrem aktuellen Trainer scheinen die Spieler zumindest glücklicher zu sein. „Sein Anteil an den Siegen ist groß“, sagte Goretzka. Und Robert Lewandowski sagte über Flick: „Er konnte uns in kurzer Zeit helfen.“ Der Stürmer des FC Bayern erzielte gegen Dortmund zwei Tore und hat nun 16 Mal in elf Ligaspielen getroffen. Damit übertraf er den Rekord von Gerd Müller aus der Saison 1968/1969. Um Lewandowski musste sich Flick also sowieso nicht kümmern. Viel wichtiger war es, die schwache Defensive zu stabilisieren.
Das gelang ihm durch einige personelle Umstellungen. Flick vertraute auf Javi Martínez, der gegen Dortmund zwar nicht besonders filigran auftrat, aber mit seinen Grätschen genau der Innenverteidiger ist, den die Münchner Abwehr gerade braucht. Außerdem verzichtete Flick in beiden Spielen auf Thiago und Coutinho in der Startelf und entschied sich für Goretzka und Joshua Kimmich im zentralen Mittelfeld. Die beiden bestimmten das Tempo beim Gegenpressing, mit dem die Bayern den Dortmunder Spielaufbau schon am eigenen Strafraum störten. „Wir haben extrem aggressiv nach vorne verteidigt“, sagte Müller, „wir waren alle gierig.“
Die Bayern spielten gierig, weil sie wieder an die eigene Stärke glauben. Das war davor anders. Zwar gewannen die Münchner Spiele wie gegen den VfL Bochum oder den 1. FC Union, aber am Ende zitterten sich die Spieler durch die Nachspielzeit. Gegen Dortmund zweifelten die Bayern zu keinem Zeitpunkt daran, dass sie das Spiel gewinnen würden. Das Münchner Selbstbewusstsein, das manchmal an Arroganz grenzt, ist zurück. Uli Hoeneß nannte die Leistung der Bayern direkt „Weltklasse“. Für ihn war es ein würdiges letztes Spiel als Präsident des FC Bayern, am Freitag wird er nach 40 Jahren als Manager und Präsident des Klubs von seinem Amt zurücktreten.
Es ist also viel im Umbruch bei den Bayern. Aber immerhin die Trainersuche dürfte nun beendet sein. Denn Hansi Flick gibt den Bayern genau das, was der Klub nach dem turbulenten Saisonstart gebraucht hat. „Die Ziellinie hat er heute bravourös überschritten“, sagte Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge über Flick. Und jetzt darf der Trainer einfach weiterlaufen – bis zur nächsten Ziellinie, dem Spiel gegen Düsseldorf. Aber seit Samstagabend weiß Flick ja, dass es hinter Ziellinien immer weitergehen kann.
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