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Streitfigur. Martin Kind verliert an Macht, will bei 96 aber weiter den Kurs bestimmen.
© Oliver Vosshage/Hannover 96 e.V./dpa

Nach der Mitgliederversammlung: Hannover 96 steht vor einem Richtungsstreit

Nach dem Machtwechsel ist die Basis für eine Zusammenarbeit zwischen Martin Kind und der neuen Führung äußerst dünn – vor allem wegen der 50+1-Frage.

Von David Joram

Martin Kind gratulierte den Siegern der Wahl artig, so wie sich das nach einer Niederlage eben gehört – auch nach einer deutlichen wie schmachvollen. „Die Opposition hat überzeugend gewonnen. Herzlichen Glückwunsch dazu“, sagte Kind der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der 74-Jährige, bisheriger Präsident von Hannover 96, hat sein Machtzentrum im eingetragenen Verein (e.V.) verloren; seine Gegner feierten dies noch im Saal unter lauten Gesängen. Zwar hatte Kind schon vor der Mitgliederversammlung am Samstagabend angekündigt, seinen Posten beim e.V. räumen zu wollen, allerdings hätte er am liebsten einen ihm gewogenen Kandidaten inthronisiert. Das haben die knapp über 2000 anwesenden Mitglieder verhindert – weshalb nun spannende Wochen auf 96 zukommen dürften.

Der neu besetzte fünfköpfige Aufsichtsrat besteht fortan aus fünf Kritikern Kinds, die den investorenfreundlichen Kurs des bisherigen Präsidenten beenden wollen. Das Quintett, dem unterem anderem der frühere 96-Profi Carsten Linke angehört, wird dazu den bisherigen Fanbeauftragten Sebastian Kramer zum neuen Präsidenten küren. Kramer kündigte bereits an, dass er den von Kind bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) eingereichten 50+1-Ausnahmeantrag prüfen und gegebenenfalls zurückziehen wolle. Kind kämpft wiederum mit allen Mitteln dafür, die 50+1-Regel zu seinen Gunsten zu entscheiden. Es droht ein Richtungsstreit, der wenig Raum für eine gemeinsame Kooperation zulässt.

Martin Kind: „Sonst geht jeder seinen eigenen Weg“

Laut „Kicker“ schloss Kind aus, auf Kramer zugehen zu wollen. „Nein, hier ist ein neues Team mit neuen Konzepten, neuen Ideen. Ich denke, es ist ihre Verantwortung, aktiv zu sein“, zitiert ihn das Fachmagazin. Auch seine Äußerungen gegenüber der dpa lassen darauf schließen, dass Kind eigene Interessen verfolgt. „Es gibt ein Profifußball-Unternehmen und einen eingetragenen Verein. Das sind zwei unterschiedliche Vereins- und Unternehmensphilosophien“, sagte er. „Wir werden sehen, ob es eine Basis für eine Zusammenarbeit gibt. Sonst geht jeder seinen eigenen Weg.“

Welchen Weg Kind gehen will, steht schon länger fest: Er hofft darauf, seinen 50+1-Ausnahmeantrag durchsetzen zu können, um als Investor und Geschäftsführer der Profifußballgesellschaft autonom vom e.V. agieren zu können. Autonom hieße, dass künftig nicht mehr der e.V. den Geschäftsführer Profifußball bestimmen könnte, sondern die Investorenseite. Für Kind hätte dies vor allem einen monetären Vorteil. Sollte er seine Anteile am Profifußball weiterverkaufen wollen, wären diese ohne das Bestimmungsrecht des e.V. wesentlich werthaltiger.

Bei dem von Kind forcierten Antrag geht es daher konkret um eine Aufhebung der 50+1-Regel für Hannover 96. Kind hatte diesen im Namen des e.V. im Februar bei der Deutschen Fußball-Liga eingereicht – ohne ein Votum der Mitglieder aus dem Jahr 2017 zu beachten, die eine Abstimmung in dieser Causa gefordert hatten. Die DFL lehnte den Antrag im Juli des vergangenen Jahres ab, sie sah diverse Leitlinien nicht erfüllt. Kind, der die Argumentation der DFL nicht nachvollziehen wollte, zog vor das Ständige Schiedsgericht der DFL. Das behandelt den Fall seit August, hat aber noch nicht abschließend entschieden.

Nun sind zwei Szenarien denkbar: Der e.V. mit Kramer an der Spitze beantragt – falls möglich – einen Rückzug des 50+1-Ausnahmeantrags. Dann wäre Kinds Vorhaben gescheitert. Oder, Möglichkeit zwei, das Schiedsgericht kommt – unabhängig vom Willen der neuen e.V.-Spitze – zu einem Urteil. Kind hofft auf Letzteres und einen positiven Ausgang. Falls es so käme, hätte seine Opposition am Samstagabend kaum mehr als einen Pyrrhussieg errungen.

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