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So nicht. Dagur Sigurdsson kritisierte die Einstellung seines Teams.
© dpa

Nach der Niederlage gegen Katar in Berlin: Handball-Bundestrainer Sigurdsson: "Wir waren viel zu verliebt in uns selbst"

Handball-Bundestrainer Sigurdsson warnt sein Team nach der Niederlage gegen Katar vor Übermut - weil er bereits die Olympischen Spiele im Blick hat.

Vielleicht war es sogar ganz gut, dass Bob Hanning diesmal verhindert war. Der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB) ist im Moment in seiner Funktion als Nachwuchstrainer mit einem Team aus Berlin bei der Schulweltmeisterschaft in Frankreich unterwegs, seinen Pflichten als diensthabender Wachmann bei der Nationalmannschaft konnte er am Sonntag nicht entsprechend nachkommen. Hanning füllt diese Rolle ja besonders überzeugend aus, wenn der Vorwurf mangelhafter Einstellung im Raum steht – so wie nach der Niederlage des Europameisters gegen Katar in der Max-Schmeling-Halle (24:26). Andererseits hätte die Kritik des Vizepräsidenten auch kaum schärfer ausfallen können als die von Bundestrainer Dagur Sigurdsson.

So böse wie nach dem Test gegen Katar hatte sich der Isländer in seinen nunmehr 18 Monaten Amtszeit jedenfalls noch nie öffentlich zu seiner Auswahl geäußert. „Wir waren immer einen Schritt zu spät, wirklich bei jeder Aktion“, begann der Bundestrainer seine Analyse. „Der Kopf war nicht da“, ergänzte er noch und näherte sich seiner Kernthese, die da lautete: „Wir waren viel zu verliebt in uns selbst.“ Sprach Sigurdsson da tatsächlich von jenem Team, das vor sechs Wochen den Titel von der Europameisterschaft aus Polen mitgebracht hatte?

Er tat dies, und er tat es mit Recht – weil ihm das zweite Testspiel gegen die Katarer innerhalb von zwei Tagen vor Augen geführt haben dürfte, welche kleinen und großen Probleme in den nächsten Monaten auf ihn zukommen könnten. „Die Jungs haben zu Recht gehört, wie gut sie spielen können und welch tolle Mannschaft sie sind“, sagte Sigurdsson, „aber wenn man das tausend Mal hört, geht das irgendwann auch in die Köpfe.“ Und von dort wiederum in Arme und Beine über, was schon mal ein paar Prozentpunkte kosten kann. „Wenn wir nicht fokussiert sind und den Kampf annehmen, sind wir nicht gut genug“, betonte Sigurdsson.

Am Sonntag ist also genau das eingetroffen, was der Bundestrainer nach dem EM-Titel im jüngsten Interview mit dem Tagesspiegel noch ausgeschlossen hatte. „Die Motivation wird kein Problem sein, da lässt sich keiner hängen, nur weil er Europameister ist“, sagte Sigurdsson seinerzeit, „die wollen alle noch mehr, und sie wissen, sie werden nicht spielen, wenn sie nicht 100 Prozent geben.“ So gesehen hätte der Bundestrainer am Sonntag den kompletten Kader austauschen können. Wie groß die Diskrepanz zwischen dem ersten Test (32:17) und dem zweiten war (24:26), ließ sich nicht nur am Ergebnis ablesen. „Es muss doch jedem bewusst sein, dass der Leistungsunterschied zwischen beiden Teams nicht immer 15 Tore betragen kann“, sagte Rechtsaußen Patrick Groetzki, „aber das ist natürlich keine Entschuldigung dafür, dass Katar so viel besser und wir so viel schlechter waren.“

So oder so ähnlich klang das bei den meisten Beteiligten im deutschen Kader. Den Nationalspielern war sehr wohl bewusst, dass sie ihren Coach um einen halbwegs entspannten und zufriedenstellenden Nachmittag gebracht hatten.

Immerhin steht Sigurdsson weiterhin das liebste Druckmittel eines jeden Trainers zur Verfügung: ausgeprägter Konkurrenzkampf. Für seinen Olympia-Kader muss er sich aus einem Pool von mehr als 30 Kandidaten 14 herauspicken. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen, im Gegensatz zum Ablaufplan für die nächsten Monate. Weil die Nationalmannschaft durch den EM–Titel bereits für Olympia und die WM 2017 qualifiziert ist, stehen in den nächsten Monaten nur sehr wenige Pflichtspiele im Kalender. Es könnte eine lange Zeit werden.

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