Vettel crasht nach Fehler: Hamilton gewinnt sein Heimrennen
Sebastian Vettel unterläuft erneut ein grober Fehler. Der Rückstand auf Mercedes-Pilot Lewis Hamilton ist beängstigend.
Sebastian Vettel versuchte mit verschränkten Armen und grimmigem Gesicht sein brachiales Risiko-Manöver zu erklären, im Hintergrund tönte die britische Nationalhymne für den triumphalen Rekordsieger Lewis Hamilton. Nach dem spektakulären Großen Preis von Großbritannien muss der deutsche Formel-1-Herausforderer die geringen Titelhoffnungen auch in seinem fünften Jahr bei Ferrari fast schon begraben. „Es ist natürlich schon doof. Ich bin natürlich nicht zufrieden“, kommentierte Vettel sein Rennen zum Vergessen.
Auf Platz drei liegend raste der 32 Jahre alte Hesse am Sonntag in Silverstone dem niederländischen Red-Bull-Ass Max Verstappen ins Heck. „Ich dachte, ich hätte noch ein Chance auf der Innenseite“, meinte Vettel. „Es sah aus dem Cockpit so aus, als würde er nach rechts zucken.“
Immerhin bewies Vettel am vorläufigen Tiefpunkt einer wenig erbaulichen Saison Größe und entschuldigte sich per Handschlag bei Verstappen. „Es geht auf meine Kappe“, sagte der gebürtige Heppenheimer, dessen zehrende Sieglos-Serie sich am 28. August zu jähren droht.
Vettel hatte nach dem Auffahrunfall an die Box gemusst und war als Letzter auf die Strecke zurückgekehrt. Die Schuldfrage klärten die Rennkommissare: Zehn-Sekunden-Strafe für Unfallverursacher Vettel. Am Ende wurde er 16. „Viel mehr als der vierte Platz wäre aber eh nicht möglich gewesen“, meinte Vettel.
Mit gesenktem Blick wollte er nur noch weg, lehnte Autogrammwünsche der Fans ab und verschwand im Motorhome der Scuderia. Der Traum vom ersten WM-Titel scheint in diesem Jahr so gut wie vorbei zu sein. Vom Auftakt einer Wende im WM-Kampf keine Spur. Vor einem Jahr hatte Vettel Hamilton in Silverstone noch geschlagen - sich dann allerdings beim eigenen Heimrennen in Führung liegend einen folgenschweren Fehler geleistet. Am Ende triumphierte Hamilton.
Eine Gefahr für den Briten wäre Vettel auch ohne den Crash diesmal nie geworden. Der fünfmalige Formel-1-Champion feierte im zehnten WM-Lauf in diesem Jahr den siebten Sieg. Mit dem Union Jack in Händen genoss er die PS-Party noch am Steuer seine Mercedes vor 141 000 Fans. „Ich kann nicht sagen, wie stolz ich bin hier zu sein. Man gewöhnt sich nie an sowas“, sagte Hamilton.
Zum sechsten Mal gewann er im Home of British Motorsport, das nur 80 Kilometer von Stevenage entfernt ist - dem Ort, in dem Hamilton aufwuchs. Der Grand-Prix-Sieg-Rekordmarke nähert sich Hamilton auch immer mehr: 80 hat er nun. Michael Schumacher, dem siebenmaligen Weltmeister, waren in seiner Karriere 91 gelungen.
Wachablösung bei Ferrari rückt näher
Zweiter wurde Valtteri Bottas im zweiten Silberpfeil vor Vettels Teamkollegen Charles Leclerc, der damit auch die interne Wachablösung bei der Scuderia gegen den glücklosen und fehlerbehafteten Vettel forciert haben dürfte. „Das war wahrscheinlich das Rennen, das mir in meiner bisherigen Formel-1-Karriere am meisten Spaß gemacht hat“, betonte Leclerc.
Auf Vettel traf das so gar nicht zu. Hamilton ist im Klassement enteilt; 100 Punkte liegt der Brite vor dem Deutschen. Der eigene Teamkollege bedrohlich nah; nur noch drei Punkte liegt der 21 Jahre alte Leclerc nach seinem zweiten Platz in Österreich und seinem dritten Rang von England hinter dem elf Jahre älteren Vettel.
An einem Wochenende mit einigen Rückschlägen wie dem sechsten Startplatz nach einer verkorksten Qualifikation schien Vettel plötzlich von einer glücklichen Rennfügung profitieren zu können. Eine Safety-Car-Phase nach einer Parkeinlage von Antonio Giovinazzi im Alfa Romeo eröffnete neue Strategiemöglichkeiten. Während Hamilton sie nutzte, nach einem späteren Reifenwechsel an Polemann Bottas vorbeizog und danach einmal mehr seine Klasse bewies, bremste sich Vettel ebenfalls einmal mehr selbst aus.
Er lag auf einmal auf Rang zwei, musste dann Verstappen aber schon passieren lassen, dessen Team beim 1007. Grand Prix unter anderem mit einem 007-Logo fuhr. Für die Lizenz zum Siegen reichte es vor den Augen unter anderem von James-Bond-Darsteller Daniel Craig nicht. Mit Vettels Manöver war auch das Rennen von Verstappen dahin, nur Rang fünf für den 21 Jahre alten Niederländer, der sich zuvor schon wieder spektakuläre Duelle mit dem gleichaltrigen Leclerc geleistet hatte - beide wieder kompromisslos, mit Berührung, aber ohne Folgen. Anders als bei Vettels Versuch, wieder an Verstappen vorbeizukommen. (dpa)