Schweizer bei der EM: Granit Xhaka - der Katalysator
Die Kapitänsbinde trägt zwar ein anderer, Granit Xhaka aber ist im Team der Schweiz der eigentliche Anführer. Der 23-Jährige liebt es, Chef zu sein – und den Druck großer Spiele.
Da ist noch die Sache mit der Rückennummer. Hat nicht ganz geklappt im Sinne von Granit Xhaka, er hätte auch in London gern die 34 gehabt, wie zuletzt in Mönchengladbach, aber die 34 war schon vergeben. An den Franzosen Francis Coquelin, er hat mal eine Nebenrolle beim SC Freiburg gespielt und ist bei der EM gar nicht dabei, aber seine Nummer mag er nicht hergeben, und deswegen hat Granit Xhaka etwas gemacht, was sonst gar nicht in seinem Naturell liegt. Er hat nachgegeben. Der Schweizer gibt sich beim FC Arsenal zufrieden mit der 29, sie nimmt Bezug auf sein Geburtsjahr 1992.
Keiner spielt Pässe wie Xhaka
Das ist ein bescheidener Einstand im Londoner Norden, dabei zählt Bescheidenheit nicht gerade zu Stärken des 23-Jährigen. Wenn denn der Terminus eines Alphamännchens bei dieser Europameisterschaft seine Berechtigung findet, dann bei Granit Xhaka, dem Schweizer mit albanischen Wurzeln. Offiziell schmückt sich Stephan Lichtsteiner mit der Armbinde des Spielführers, aber der Chef auf dem Platz ist ein anderer. Keiner spielt so viele Pässe wie Xhaka, in den drei Vorrundenspielen von Frankreich waren es gut 300, mit einer Erfolgsquote von 90 Prozent. Keiner ist so präsent, und keiner empfindet diese Last als so stimulierend. „Ich mag den Druck“, sagt Xhaka, „das gehört zu meinem Naturell“, und auf die geschätzt 45 Millionen Euro hohe Ablöse, die Arsenal in ihn investiert hat, ist er eher stolz, als dass sie ihn belastet.
19 Millionen Euro - keine Selbstverständlichkeit
Am Samstag geht es im Achtelfinale von Saint-Etienne gegen Polen. Auf dem Spiel steht der größte Schweizer Erfolg seit bald 80 Jahren. 1938 gab es ein 4:2 im Achtelfinale der WM von, genau!, Frankreich, einen Sieg über das verhasste Nazi-Deutschland. Die Schweizer schieden damals im Viertelfinale gegen den späteren WM-Zweiten Ungarn aus. Xhaka hat es schon mal weiter gebracht. Er zählte zu der Mannschaft, die 2009 in Nigeria den bislang einzigen Weltmeistertitel für die Schweiz gewann, damals bei der U-17-WM. Das Tor zum 1:0-Sieg im Finale gegen Nigeria schoss Haris Seferovic, der jetzt für Eintracht Frankfurt stürmt und bei der EM so viele Chancen verbaselt hat wie kein anderer.
Anfang etwas weich in der Hüfte
Die Schweizer spielen einen schönen Ball in Frankreich, vor allem dank Xhaka. Als er 2012 vom FC Basel nach Mönchengladbach kam, war das eine kostspielige Angelegenheit. Neun Millionen Euro für einen 19-Jährigen sind keine Selbstverständlichkeit. Xhaka brauchte ein Anlaufjahr, aber danach war er der Chef auf dem Platz. Einer, der jeden Ball haben will und fast jeden bekommt.
Es gab da am Anfang ein kleines Problem mit seinem Antritt, Xhaka erschien ein bisschen weich in der Hüfte, aber auch das hat er in den Griff bekommen. In der öffentlichen Wahrnehmung war er 2012 eine zweitklassige Schweizer Verstärkung, weit hinter Xherdan Shaqiri, den Bayern München damals ebenfalls vom FC Basel akquirierte. Shaqiri galt als das Schweizer Übertalent, aber er schaffte nicht den nächsten Sprung. Die Bayern schoben Shaqiri schnell ab, bei der EM spielt er eher eine Nebenrolle. Ganz im Gegensatz zu Granit Xhaka.
"Ohne Tore kannst du kein Spiel gewinnen"
Im Schweizer Spiel geht so gut wie kein Spielzug ohne ihn. Xhaka ist kein Zauberer, aber sein Spiel ist von einer Intelligenz geprägt, die stilbildend ist für alle Kollegen. Und wenn ihm etwas nicht passt, dann sagt er das auch ganz laut und ganz deutlich. Etwa, als die Kollegen Mitspieler in den ersten beiden Spielen gegen Albanien und Rumänien trotz allerbester Gelegenheiten ihre Probleme hatten, das Tor zu treffen. „So geht das nicht“, sprach Xhaka, „ohne Tore kannst du kein Spiel gewinnen“, und die Herrschaften ganz vorn möchten sich doch bitte ein bisschen anstrengen.
Xhaka ist ein Anführer, wie ihn sich jeder Trainer wünscht. Der frühere Schweizer Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld nennt ihn „das Gehirn der Mannschaft“, was sich ganz gut mit der Einschätzung von Lucien Favre deckt. Der Schweizer Fußball-Professor hat Xhaka drei Jahre lang in Mönchengladbach trainiert, unter ihm ist Xhaka zu einem der besten zentralen Mittelfeldspieler der Bundesliga aufgestiegen. „Granit ist der Katalysator der Schweiz“, sagt Favre. „Er kann das Spiel beschleunigen, aber auch im richtigen Moment das Tempo herausnehmen.“
Wie es sich für einen Chef gehört
Favre ist gut befreundet mit Arsène Wenger, Arsenals allgewaltigem Trainer, der viel Geld investiert hat, um das schön anzuschauende, aber nicht immer zielführende Spiel seiner Mannschaft auf ein neues Niveau zu heben. Granit Xhaka ist einer wie früher Patrick Vieira. So wie der Franzose mit seiner Stringenz den Boden bereitete für die Schöngeister Dennis Bergkamp oder Thierry Henry, soll es jetzt Xhaka für Mesut Özil richten. „Jede Wette: Granit wird es bei Arsenal schaffen“, sagt Lucien Favre. Auch wenn es nicht zur Rückennummer 34 reicht, wie auch bei der EM, die Uefa ist da konservativ und macht bei 23 Schluss. Also trägt Xhaka die von Pelé, Maradona und Platini geadelte 10. Wie es sich für einen Chef gehört.
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