Wie Betrüger Millionen verdienen: Gold aus Stroh – der neue Trick bei Fußball-Wetten
Wettbetrüger setzen im Internet mittlerweile auf erfundene Fußballspiele – und verdienen damit Millionen. Allein in den letzten sechs Monaten seien weltweit etwa 20 so genannte Geisterspiele aufgefallen.
Wettbetrüger haben einen neuen Trick auf Lager. Sie müssen nicht einmal mehr Fußballer oder Schiedsrichter bestechen, um erwünschte Resultate zu erzielen. Sie erfinden die Spiele einfach und bewegen die Wettanbieter, sie in ihr Programm aufzunehmen. So genannte „Geisterspiele“ sind bislang zwar nur für den kleineren Teil der Manipulationen im Sport verantwortlich. Das Phänomen ist aber im Wachsen begriffen.
Der jüngste bekannt gewordene Ereignisort befindet sich in Weißrussland. Hier trugen angeblich am 3. Februar 2015 der FC Slutsk und Shakhtar Soligorsk ein Freundschaftsspiel aus. Man konnte auf dieses Spiel auch wetten. Bei den asiatischen Branchenführern Sbobet, Ibcbet und M88 waren gar Livewetten möglich. Das Problem war nur: Dieses Spiel fand gar nicht statt. Betrügern gelang es, internationalen Wettfirmen die Ansetzung schmackhaft zu machen und einzelne Spielereignisse wie etwa die Tore zum 2:1 auf die Websites hochzuladen.
Statt mehrerer Spieler muss nur ein Datenscout gekauft werden
Tatort war hier mal nicht das Stadion, sondern das Internet. Also die Server, auf denen sich die Daten der Homepages der beiden Vereine befanden. Dort platzierten Hacker die Meldung über das Spiel, schickten Screenshots davon zu Wettunternehmen – und das Betrugsgeschäft nahm seinen Lauf. Dass das Spiel gar nicht stattgefunden hatte, versicherte wenig später Shakhtar Soligorsk. Es verwies auf ein Hackerangriff auf die eigene Homepage. Wettanbieter halten diese Schilderung für glaubhaft. Auszahlen mussten sie dennoch. „Wir sind generell verpflichtet auszuzahlen. Wir können, wenn wir Hinweise auf Betrug haben, diese Zahlungen später anfechten“, sagt ein Sprecher der Österreichischen Staatslotterie dem Tagesspiegel. Sein Unternehmen habe das bisher – im Rahmen des Manipulationsskandals im österreichischen Fußball – in zwei Fällen geprüft, dann aber von einer Klage Abstand genommen, erzählt der Sprecher. Das Freundschaftsspiel in Weißrussland hätte es nicht im Angebot gehabt.
Andere Unternehmen aber mussten zahlen. Die BBC berichtete, dass der europäische Zweig von Sbobet einige Tausend Pfund auszahlte. Branchengerüchten zufolge musste Sbobet weltweit für dieses Spiel 1,5 Millionen Euro auszahlen. Mittelalterliche Alchemisten, die noch mühsam Stroh in Gold zu verwandeln versuchten, dürften bei dieser digitalen Verwandlung von nichts in Millionen vor Neid erblassen.
„Geisterspiele sind die vielleicht originellste Ausprägung von Match Fixing“, sagt Friedrich Stickler, Präsident der Vereinigung der europäischen Staatslotterien. Das Risiko ist minimiert. Statt mehrerer Spieler einer Mannschaft zu bestechen, um eine begrenzte Anzahl von wettrelevanten Ereignissen zu inszenieren – wie etwa Rote und Gelbe Karten oder die Anzahl der Tore – muss nur ein Datenscout gekauft werden. Die Möglichkeiten für sichere Wetten vervielfachen sich dadurch. Allein in den letzten sechs Monaten seien weltweit etwa 20 Geisterspiele aufgefallen, berichtet ein Brancheninsider. In der Vergangenheit waren auch Länderspiele wie etwa die U-21-Begegnung zwischen Turkmenistan und den Malediven Anfang 2012 und sogar ein Ligaspiel in Vietnam allein für den Wettmarkt existent, ohne real stattgefunden zu haben.
Betrügereien nehmen trotz verbesserter Strafverfolgung wieder zu
Datenscouts sind freie Mitarbeiter, die für 40 bis 100 Euro pro Spiel weltweit in die Stadien gehen und die Spielereignisse für Sportdatenanbieter festhalten, die sie unverzüglich an die Wettunternehmen geben. Sie wurden in letzter Zeit zu einem verstärkten Angriffsziel von Wettbetrügern. „Vor Jahren haben uns unsere Scouts davon berichtet, dass ihnen 150 Euro für eine verzögerte Meldung eines Ereignisses angeboten wurden. In den letzten Monaten ist der Tarif schon auf bis zu 5000 Euro gestiegen“, erzählt ein Insider dem Tagesspiegel. Bereits Verzögerungen erlauben denen, die von den Ereignissen wissen, todsichere Tipps. Sportradar erwähnte in seinem „Bericht Match Fixing 2014“ einen Fall, in dem ein Datenscout mit der Waffe bedroht wurde, um ein Tor verspätet an die Wettanbieter zu melden.
All diese Machenschaften lassen das Kerngeschäft der Matchfixer aber nicht in Vergessenheit geraten. „Sie probieren alles aus, was geht. Und wenn es nicht geht, kehren sie zum klassischen Modell zurück – und kaufen sich Spieler“, sagt Lotterie-Chef Friedrich Stickler. Er beobachtet, dass die Betrügereien trotz verbesserter Strafverfolgung wieder zunehmen. „Der Sektor ist nach wie vor im Wachsen begriffen. Die Betrüger sind klüger geworden. Und wenn etwas herauskommt, dann sind das nur Zufallsfunde: Es verliert jemand die Nerven oder es wird jemand so bedroht, dass er auspackt.“
Wettunternehmen notieren weltweit pro Tag ein verdächtiges Fußballspiel. Die Zahl von 20 Geisterspielen in sechs Monaten wirkt da nicht besonders hoch. Sie ist andererseits aber ein Zeichen für ein beachtliches Maß krimineller Kreativität.
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