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Kreise ziehen. In Hockenheim bleiben beim Großen Preis von Deutschland viele Plätze im Motodrom leer. Im Vorverkauf wurden nur rund 50 000 Karten abgesetzt.
© AFP

Formel 1 in der Krise: Geschlossene Gesellschaft beim Großen Preis von Deutschland in Hockenheim

Einst war die Formel 1 beim Großen Preis in Deutschland ein großes Spektakel. Heute ist rund um das Rennen in Hockenheim weniger los. Gründe dafür gibt es viele. Ein Rundgang.

Leere Tribünen im Motodrom. Freie Parkplätze im Ort. Und in den Restaurants fast überall freie Tische. Formel 1 in Deutschland 2014, das ist nicht mehr das, was es einmal war. In Hockenheim am Formel-1-Wochenende spontan Essen gehen, sich mit Freunden verabreden, das war vor ein paar Jahren noch ein kompliziertes Unterfangen. Wo das Auto abstellen in den zugeparkten Straßen und Gassen? Und irgendwo einen Tisch bekommen? Nur nach langer Wartezeit.

Im „Güldenen Engel“ mitten im Ortszentrum hat man auch in diesem Jahr extra zusätzliche Tische auf dem Vorplatz aufgestellt, doch die meisten davon sind leer. „Es ist deutlich weniger los als erwartet“, heißt es fast schon resignierend. Die Hotels im Ort selbst sind zwar noch voll, aber nur, weil der ganze Tross aus Formel 1 und Rahmenserien untergebracht werden muss. Und weil es, wie der Mitarbeiter an einer Rezeption verrät, schon noch die kleinen Gruppen offenbar sehr gut situierter Edelfans gibt, die dann gleich ein paar Zimmer belegen, für an die 400 Euro pro Nacht. Und die auch mal mit der Champagnerflasche am Frühstückstisch erscheinen.

Aber die Normalos, die, die in den letzten zehn, zwanzig Jahren die Hotels auch im größeren Umkreis, die Gaststätten, die Campingplätze und natürlich die Tribünen des Motodroms füllten, die werden weniger. „50 000 Karten haben wir verkauft“, sagt der Geschäftsführer der Hockenheimring GmbH, Georg Seiler, in der Hoffnung, es mögen an den Tageskassen noch ein paar mehr werden. Mit 55 000 wäre er zufrieden. Das läge aber immer noch unter den 62 000, die man 2012 hatte und die damals gerade so reichten, um eine schwarze Null zu schreiben. Von den großen Boomjahren, die Anfang der Neunziger nach der Wiedervereinigung begannen und in den großen Schumacher-Zeiten ihren Höhepunkt erreichten, einmal ganz abgesehen.

In der Boxengasse bleiben die Türen für die Fans auch schon mal verschlossen.
In der Boxengasse bleiben die Türen für die Fans auch schon mal verschlossen.
© dpa

Die Frage nach dem „Warum“ wird häufig gestellt. Eine Erklärung ist natürlich der Kostenfaktor. Die allerbilligsten Tickets kosten in Hockenheim zwar nur 99 Euro, die sind allerdings schon lange weg. Wer sich das Rennen von den besten Plätzen auf der Haupttribüne anschauen will, ist gleich mal 450 Euro los, unter 170 Euro ist am Wochenende kein Ticket mehr zu haben. Dabei kommen die Formel-1-Fans in der Mehrzahl nicht aus den finanziell bessergestellten Gesellschaftsschichten, sondern eher aus denen, die sich heutzutage schon genau überlegen müssen, wofür sie ihr Geld ausgeben.

Die Probleme der Formel 1 sind nicht nur auf Deutschland beschränkt

Die anderen Faktoren, die viele treue Formel-1-Fans dazu gebracht haben, sich abzuwenden, sind bekannt. Nur bei den Verantwortlichen ganz oben ist das offenbar immer noch nicht angekommen. Eine immer kompliziertere, überreglementierte Technik, die die Autos im Laufe der vergangenen Jahre immer langsamer gemacht hat. Dazu die „grünen“ Ideen von Spritsparen bis Hybridtechnik, die die Traditionsfans abschrecken, aber trotzdem keine neuen anziehen. Und der fehlende Sound der neuen Turbomotorengeneration, den erst jetzt in einer Umfrage wieder 38 Prozent der Befragten als Hauptgrund angaben, nicht mehr nach Hockenheim zu kommen.

Doch die Probleme der Formel 1 sind in Wahrheit nicht nur auf Deutschland beschränkt. Viele Veranstalter haben zu kämpfen, in vielen Ländern sind auch die Einschaltquoten im Fernsehen rückläufig. Die leeren Tribünen von Hockenheim fallen auch deshalb besonders auf, weil es bei den letzten beiden Rennen in Spielberg und Silverstone so voll war. Wobei Österreich nach elf Jahren Formel-1-Pause und dem nationalen Riesenevent, zu dem Finanzier Dietrich Mateschitz von Red Bull Red seinen Grand Prix hochpushte, sowieso einen Sonderfall darstellt. Die Briten wiederum hatten Glück, dass die große Siegesserie von Lewis Hamilton, der auf der Insel einen Status hat wie einst Michael Schumacher in Deutschland, genau in die entscheidende Vorverkaufszeit für den Silverstone-GP fiel.

In Deutschland kommt im Vergleich zu den großen Schumacher-Jahren noch hinzu, dass schon Sebastian Vettel immer nur der Zweite war, die Massen nie so faszinierte und mobilisierte. Ein bisschen erinnert das an die Konstellation im Tennis einst mit Boris Becker und Michael Stich. Selbst Nico Rosberg löst trotz der jüngsten Erfolge bisher kaum Euphorie bei den deutschen Fans aus.

Die Formel 1 steht sich teilweise auch selbstverschuldet im Weg

Die Formel 1 steht sich aber teilweise auch völlig selbstverschuldet im Weg. Zum Beispiel bei der Außendarstellung. Immer wieder schaffen es die Verantwortlichen, Fans und Medien zu verärgern. Auch jetzt wieder in Hockenheim. Als am Donnerstagnachmittag die Inhaber von Drei-Tages-Tickets beim Boxenspaziergang darauf hofften, Autos und vielleicht auch einige Fahrer aus der Nähe zu erleben, ließ sich kaum einer der Piloten sehen. Bei einigen Teams blieben die Boxentore sogar gänzlich geschlossen. Dabei ist auf jeder Pressekonferenz von den Teamchefs praktisch unisono die gleiche Forderung zu hören: „Wir müssen die Formel 1 wieder näher an die Fans bringen.“

Auch die deutschen Medienvertreter sind beim Rennen im eigenen Land kaum besser dran als anderswo. Obwohl es vier deutsche Fahrer in vier verschiedenen Teams gibt und alle am Donnerstag auf der offiziellen Pressekonferenz auftauchten, wurde dort nur Englisch gesprochen. Und keines der vier Teams bot eine kleine Extrarunde auf Deutsch mit dem jeweiligen Fahrer an. Gerade für die deutschen Journalisten, die nur einmal im Jahr zu einem Rennen kommen, ist das nur schwer nachvollziehbar.

Investitionen in eine Modernisierung der gesamten Anlage sind nicht drin

Und auch von offizieller Seite wird eher behindert, denn unterstützt. Da wollen deutsche Radiostationen den GP-2-Piloten Daniel Abt als Experten für dieses Wochenende verpflichten, um ihr Programm attraktiver und damit auch noch zusätzliche Werbung für das Rennen zu machen. Doch der offizielle Rechteinhaber lehnt ab. Abt könne keine Zugangsberechtigung für das Pressezentrum bekommen, „weil GP2-Piloten keine Pässe haben dürfen, die auch Zugang für das Formel-1-Fahrerlager bieten“.

Bei vielen Werbekunden löst Derartiges nur Kopfschütteln aus. Zumal sie ohnehin genug mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben, vieles gerne machen würden, aber durch die Gegebenheiten nicht können. Auf die Idee, Konzerte am Rennwochenende zu veranstalten, ist man auch schon gekommen. Nur gibt es nicht genügend Platz, um irgendwo an geeigneter Stelle eine entsprechende Bühne mit entsprechend großem und sicherem Zuschauerraum aufzubauen. Doch große Investitionen in eine Modernisierung der gesamten Anlage sind nicht drin, zumal einiges in den letzten Jahren schon getan wurde und über allem die Frage nach der Finanzierung steht. Die Gerüchte, der Große Preis von Deutschland könnte ab 2015 wieder komplett an den Nürburgring wandern, helfen auch nicht. Obwohl dort die Zuschauer-Situation mit Sicherheit nicht besser wäre, es in Wahrheit überhaupt noch keine Verträge gibt, und Seiler auch betont: „Wir haben den Vertrag mit Ecclestone für 2016 und 2018 – ohne Ausstiegsklauseln. Und bisher hat Ecclestone seine Verträge immer eingehalten.“

Karin Sturm

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