Eishockey: Gefragt nach dem Erfolg bei Olympia
Kahun, Ehliz, Macek und Kammerer wollen in die NHL. Kommende Saison spielen womöglich elf Deutsche in der nordamerikanischen Profiliga – was heißt das für das deutsche Eishockey?
Wenn Bundestrainer Marco Sturm vor der nächsten Eishockey-Weltmeisterschaft seine Spieler beobachten will, dann wird das wohl weniger in München oder Berlin bei Spielen der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) passieren. Der einstige Profi aus der National Hockey-League (NHL) wird womöglich viel durchs weite Nordamerika touren. In diesen Tagen haben vier Spieler aus dem Dunstkreis des Nationalteams verkündet, dass sie künftig in der NHL spielen wollen. Drei davon standen in Sturms Mannschaft, die bei den Olympischen Winterspielen von Pyeongchang Silber gewann. Es sieht so aus, als seien Spieler aus der Bundesrepublik mit dem Erfolg gefragter in der besten Eishockey-Liga der Welt.
Kommende Saison könnten elf deutsche Nationalspieler in der NHL beschäftigt sein – so viele wie noch nie. Dominik Kahun, Brooks Maeck (beide RB München), Yazin Ehliz (Nürnberg) und Maximilian Kammerer (Düsseldorfer EG) wagen diesen Sommer den Schritt in die größere Eishockey-Welt. Mit Leon Draisaitl, Tobias Rieder, Tom Kühnhackl, Dennis Seidenberg, Korbinian Holzer, Thomas Greiss und Philip Grubauer waren vergangene Saison schon sieben deutsche Spieler in der NHL.
Allerdings wird Seidenberg wohl künftig in der DEL auflaufen. Und bei den vier Spielern, die jetzt nach Nordamerika wechseln, wird es eben die Frage sein, wer sich denn durchsetzen kann. Kahun hat da bei den Chicago Blackhawks noch die besten Möglichkeiten, der junge Stürmer erhielt einen Zwei-Jahres-Vertrag. Und noch wichtiger: einen sogenannten Ein-Wege-Vertrag. Der Klub kann ihn also nicht ins Farmteam abschieben. Allerdings hat Kahun eine Ausstiegsklausel. Falls er nicht spielt, kann er zurück nach Europa wechseln. Da Kahun von seinen großen Fähigkeiten eher ein Spieler für die erste und zweite Reihe ist, wird das eine spannende Angelegenheit. In einer hinteren Angriffsformation wird Kahun sich kaum wohlfühlen.
Es spricht für einen leisen Aufschwung des deutschen Eishockeys
Bei Yasin Ehliz ist das Risiko überschaubarer, er hat mit immerhin schon 25 Jahren nur für ein Jahr bei den Calgary Flames unterschrieben. Sollte der gebürtige Tölzer nur im Farmteam zum Einsatz kommen, würde er sicher zurück nach Deutschland gehen. Macek, gebürtiger Kanadier, kann kaum als Beleg für die gestiegene Qualität des deutschen Eishockeys herhalten – er wird wohl auch eher bei den Chicago Wolves, dem Farmteam vom NHL-Klub Vegas Golden Knights zum Einsatz kommen. Maximilian Kammerer, zuletzt nicht im Dunstkreis der Nationalmannschaft, dürfte es beim Sprung zu den Washington Capitals, nun erstmals NHL-Titelträger geworden, eher schwer haben. Aber immerhin hat der Tölzer einen Drei-Jahres-Vertrag.
Und mit Dominik Bokk, der mit 17 Jahren schon für den schwedischen Erstligisten Växjö sporadisch zum Einsatz kam, wird wohl mit seinen nun 18 Jahren beim diesjährigen Draft (22. und 23. Juni) erfahren, für welchen Klub er dann in der NHL auflaufen darf.
Das ist in der Summe schon interessant und spricht für einen leisen Aufschwung des deutschen Eishockeys, wobei Bundestrainer Sturm da ja eher vorsichtig ist. Er beklagte erst vor der WM im Mai, dass der deutsche Nachwuchs quantitativ nicht gut genug aufgestellt sei. Da helfe auch ein Projekt wie das von Red Bull in Salzburg initiierte nicht. Dort werden Nachwuchsspieler von München und Salzburg auf hohem Niveau ausgebildet. Sturm sagte dem Tagesspiegel: „Es ist schon ein bisschen traurig, wenn wir uns auf solche, wenige Standorte verlassen müssen. Wir brauchen einfach mehr in der Breite.“ Zudem ist es so, dass viele Nationen inzwischen etliche Spieler in der NHL beschäftigt haben, von denen das vor ein paar Jahren noch niemand geglaubt hätte. So setzte Dänemark bei der WM im eigenen Land gleich fünf Spieler aus der NHL ein. Sicher ist, dass die Nationen näher beieinander liegen – zuletzt bei der WM gesehen und belegt durch den Finaleinzug der Schweiz.
Das liegt eben auch daran, weil deren Spieler immer häufiger in der besten Liga spielen. Insofern wird es dem deutschen Eishockey kaum schaden, dass nun vermehrt Spieler in Übersee spielen, Was das für die DEL heißt, ist schwer zu sagen. Denn schließlich gehen nun mit Kahun und Ehliz nun auch ihre besten Spieler. Und große Talent wie Leo Pföderl (Nürnberg) oder auch Jonas Müller (Eisbären Berlin) dürften irgendwann auch Richtung NHL ziehen. Zumal es mitnichten so ist, dass überall junge deutsche Talente an nachrücken. Nach wie vor gibt es Teams wie Bremerhaven und Iserlohn, die fast nur auf ausländische Profis setzen; aber dort fährt der Bundestrainer genau deshalb ja nicht oder nur selten vorbei.