Umstrittene Werbung im Volleyball: Für Geld und Aufmerksamkeit
In der Volleyball-Bundesliga der Frauen sorgt zweideutige Werbung für Ärger. Das Können der Spielerinnen scheint für die Außendarstellung nicht zu reichen.
Werbung auf dem Gesäß von Sportlerinnen oder Sportlern ist ohnehin schon etwas schräg. Wenn dann aber dort etwas eindeutig Anzügliches geschrieben steht, dann ist das – sexistisch? Nicht wenige Leute würden das bejahen. Volleyball-Bundesligist VfB 91 Suhl zieht sich in dieser Saison mit seiner Werbung auf den Hosen-Rückseiten seiner Spielerinnen viel Zorn zu. Über den Hintern prangt der Schriftzug „Prachtregion.de“. Der Landkreis Schmalkalden-Meiningen als Sponsor des VfB wirbt so für seine Internetseite, die wiederum die Vorzüge der fränkisch geprägten Gegend im Südwesten Thüringens preist.
Gleich nach der Präsentation des Sponsoren schwappte eine Welle der Entrüstung über den Klub und die Landkreis-Verantwortlichen. Das aufgedruckte Wort genau an diesem Ort sei sexistisch und herabwürdigend, weil die Volleyballerinnen nur auf ihre Körperlichkeit reduziert würden. Geht das tatsächlich unter die Gürtellinie? Der Deutsche Werberat prüft die Thematik, nachdem mehrere Beschwerden bei ihm eingegangen waren.
Der VfB 91 Suhl und der Landkreis verteidigen die Werbebotschaft, die dem Verein 70.000 Euro im Jahr einbringen soll. Im Gespräch mit der „Bild“-Zeitung sagte Spielerin Claudia Steger, dass die Mannschaft damit kein Problem habe und die Aktion für „nicht verwerflich“ befinde. „Es ist anzüglich, aber ganz sicher nicht sexistisch“, sagt die parteilose Landrätin Peggy Greiser, die einst selbst für den bereits seit 2003 erstklassigen VfB aufschlug. Und sie erklärte: „Wir präsentieren uns hier auf wahrhaft prächtigen Körperregionen. Natürlich wollen wir wieder etwas provozieren.“ Wieder. Schließlich gab es bereits in der vergangenen Saison Beanstandungen an der Suhler Po-Werbung. Damals sicherte sich der Landkreis die Fläche auf den Spielerinnen-Gesäßen mit dem Slogan „beste-lage.com“ – diese Internetseite stellt das Industriegebiet Thüringer Tor vor. Der Werberat wurde tätig, stellte aber kein ahndungswürdiges Vergehen fest.
Im Volleyball ist es nicht einfach, ausreichend Förderer zu gewinnen
Vermarktung ist wichtig im Sport. Das bekräftigt auch Toni Rieger. „Wer erfolgreich sein möchte, braucht eben Geld. Und da muss man sehen, wie man die Kohle zusammenbekommt“, sagt der Sportdirektor des SC Potsdam. Der momentane Tabellenfünfte der Bundesliga bestreitet am Sonntag seine Auswärtspartie gegen den Siebtplatzierten Suhl (Beginn: 16 Uhr).
Gerade für Frauenvolleyball-Bundesligisten sei es schwer, ausreichend Förderer zu gewinnen, sagt Rieger. Daher könne er den kommenden Gegner Suhl durchaus bei seiner Entscheidung verstehen: „Wenn es für sie lukrativ ist und sie sich damit alle identifizieren können, dann bitte.“ Er warnt auch davor, „jedes Wort immer auf die Goldwaage zu legen“. Er fügt aber gleichsam hinzu: „Trotzdem sollte besonders an bestimmten Punkten wie der Brust oder dem Hintern sorgfältig geprüft werden, ob da eine gewisse Werbung eventuell fehl am Platz ist.“ Und anrüchige Werbeinhalte müssten im Zusammenhang mit Sportlern ohnehin Tabu sein. Als Beispiel nennt er den Online-Sexshop „Dildoking“. Der hatte schon mal beim Fußball-Regionalligisten SV Babelsberg 03 zwecks Trikotwerbung angefragt – vom Kiezklub gab es eine Absage.
Beim SC Potsdam ist aktuell die Rückseite der Shorts blank, weil laut Toni Rieger kein Partner dafür Interesse bekundet habe. „Fressnapf“ stand dort aber mal. „Da hatten wir auch überlegt, ob das okay ist. Könnte ja ebenfalls schlecht aufgenommen werden“, sagt Rieger. „Negative Reaktionen gab es aber keine.“ Grundsätzlich ist die Werbung auf dem Hintern in der Frauenvolleyball-Bundesliga stark verbreitet. Mehrere Klubs generieren mit dem Verkauf dieser Flächen Einnahmen. Beim Allianz MTV Stuttgart prangt etwa schon lange der Slogan „SCHARRmant“, an dem sich noch niemand gestoßen habe, wie MTV-Gesellschafter Rainer Scharr den „Stuttgarter Nachrichten“ sagte.
Klare Tendenz in der Außendarstellung
Doch das Spiel mit dem Wort „charmant“ verdeutlicht bereits eine Tendenz in der Außendarstellung des Frauenvolleyballs: Das Können am Ball ist nicht allein entscheidend, es geht über das reine Spiel hinaus, Reize der Akteurinnen werden hervorgehoben, letztlich eben auch die ihrer Körper. „Das gehört einfach dazu“, urteilt Potsdams Sportdirektor Toni Rieger. „Volleyballerinnen sind ästhetisch und attraktiv. Das sind Eigenschaften, mit denen man sich für die Öffentlichkeit interessant machen kann.“
Daher lautete vor drei Jahren auch mal das offizielle Motto des SCP: „Potsdam kann sich sehen lassen“ – strahlend lächelten einem die Spielerinnen von den dazugehörigen Plakaten entgegen. Andere Bundesligisten machen das ähnlich. In Dresden ist seit Langem der Kalender mit einem Mix aus sportlichen, eleganten und sexy Fotos der Spielerinnen begehrt.
„Stuttgarts schönsten Sport“ bietet der Allianz MTV. Und „Erfurts längste Beine“ sind beim Verein Schwarz-Weiß zu sehen, wie fünf Volleyballerinnen in Abendkleidern auf Werbeleinwänden versprechen. Als kürzlich Erfurt auswärts gegen Suhl spielte, lautete daher die Schlagzeile vor dem Thüringen-Derby: Die längsten Beine gastieren in der Prachtregion. Im Männersport ist so etwas wohl undenkbar.
Zumindest eines ist vor allem den Verantwortlichen rund um den VfB 91 Suhl gelungen. Ihre Kampagne sorgt für eine Menge Aufmerksamkeit. Offen ist, ob das auch einen Zuwachs an positivem Image und Sponsoringmitteln nach sich ziehen wird – für einen Verein, dessen zwischenzeitliche Spielbetriebsgesellschaft Volleystars Thüringen in jüngerer Vergangenheit gleich zweimal die Insolvenz anmelden musste.
Tobias Gutsche
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