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Die Kurve, wie sie einmal war. Seit über einem Jahr konnten die Fans der Eisbären ihr Team nicht mehr sehen.
© Engler/Imago

Neues Dauerkarten-Modell erzürnt Eisbären-Anhänger: Für den Klub normales Geschäft, für die Fans Erpressung

Fans der Eisbären Berlin haben wegen neuer Regelungen beim Dauerkartenverkauf einen Offenen Brief an den Klub geschrieben.

Billy Flynn hat mal sehr schön formuliert, wie das mit einem harmonischen Verhältnis zwischen einem professionellen Eishockeyklub und seinen Fans funktioniert. Auf die Mitte käme es an, sagte der einstige Geschäftsführer der Eisbären Berlin vor ein paar Jahren und presste seine Hände dabei zusammen wie beim Schneeballmachen. „Drückst du zu doll, geht das Verhältnis kaputt“, sagte Flynn und öffnete seine Hände. „Wenn du aber zu sehr locker lässt, dann fliegen sie weg.“ Nun lässt sich über Flynn und seine Zeit bei den Eisbären vieles sagen. In jedem Fall aber wusste der Mann aus Boston, inzwischen als rüstiger Rentner am Rande Berlins zu Hause, wie er mit seiner Kundschaft umgehen musste.

In den jüngsten Jahren haben viele Menschen den Klub aus der Deutschen Eishockey-Liga verlassen, die ihm einst Gesichter gaben – zuletzt der langjährige Pressesprecher Daniel Goldstein. Seit er weg ist, sind die Pressekonferenzen nach den Spielen, freundlich gesagt, nicht spannender geworden – was nicht allein daran liegt, dass sie per Zoom übertragen werden.

Und die vielen Umstrukturierungen hinter den Kulissen in einer Zeit, in der die Fans nicht aus der Nähe an den in dieser Saison sehr erfolgreichen Auftritten der Mannschaft teilhaben können, schaffen natürlich Unsicherheit bei den Stammkunden – und diese haben sich nun bei der Klubführung beschwert.

Es war kein schmeichelnder Offener Brief, den die Eisbären-Geschäftsführung vor wenigen Tagen zugestellt bekam. Welches Unternehmen möchte schon hören, dass seine Stammkundschaft unzufrieden ist? Zumal auch noch in einer Situation, in der viele Stammkunden zahlen, ohne dafür ein Produkt zu bekommen. 26 Fanklubs und das Fanzine „Eis Dynamo“ hatten sich im Hauptpunkt darüber beschwert, dass die Dauerkarteninhaber, die für die laufende Geisterspielsaison ihr Geld erstattet haben wollen, „erst erpresst und dann bestraft“ würden.

Knackpunkt der Angelegenheit: Die Dauerkartenbesitzer, die jetzt nicht kündigen, haben auch kommende Saison die Spiele der Play-offs in ihren Tickets inklusive. Diejenigen, die ihr Geld zurückverlangt haben – schließlich gibt es ja auch kein Eishockey zu sehen im Stadion – haben die Play-offs nicht mehr inkludiert, wenn sie sich kommende Saison eine Dauerkarte kaufen. Sie werden dann als Neukunden behandelt.

Wer sein Geld zurückhaben will, bekommt nur noch eine Dauerkarte ohne Play-offs

Der größte Teil der 5000 Abonnenten hat das Geld für die Dauerkarten nicht zurückverlangt. Das lässt sich als große Klubtreue interpretieren oder als das Resultat einer Erpressung, wie sie die Fans formulieren. Spencer Theile, Erster Vorsitzender des Fördervereins Fanbogen, und einer der Initiatoren des Offenen Briefes, sagt: „Ich finde dieses Verhalten komplett unsozial.“ Da würden die sozial schwächer gestellten Anhänger in einer harten Zeit doppelt getroffen, weil die ja auf das Geld angewiesen seien. „Zudem wird die Situation in der Pandemie ausgenutzt. Die Fans haben ja eben weniger Möglichkeiten sich kurzzuschließen als sonst.“

Bei den Eisbären nehme man das Protestschreiben natürlich sehr ernst, heißt es vom, wir sind bei einer Filiale eines US-amerikanischen Unternehmens, Vice President Business Operations. Thomas Bothstede sagt: „Auf den Brief möchten wir nicht explizit reagieren, bevor wir mit den Fans gesprochen haben.“ Das werde sehr bald passieren. Zudem, sagt er, sei der Brief sofort auch „intern weitergeleitet“ worden. Wohin, das ist klar und ist den Fanklubs bekannt. „Die haben das Schreiben übersetzt und nach Los Angeles weitergeleitet. Die Antwort haben wir bekommen“, sagt Spencer Theile.

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In der Geschäftszentrale von Anschutz Entertainment, Eigner der Eisbären, wird das Schreiben – war ja kaum per Brieftaube unterwegs - längst angekommen sein und sollte für Stirnrunzeln sorgen. Denn das im US-Sport übliche Geschäftsgebaren dort und der kultige Eishockeyklub mit betonter Berliner Ostvergangenheit hier, das beißt sich oft. Es war auch schon mal hinter vorgehaltener Hand zu hören, dass der Unterhalt einer Stehplatztribüne in der Arena am Ostbahnhof nicht unbedingt auf alle Zeiten erstrebenswert sei. Kostet schließlich viel mit dem Umbau für die Heimspiele, und Stehplatztickets bringen weniger als Sitzplatztickets.

Dass die Fans nun Sturm laufen gegen den eigenen Klub – oder wohl mehr gegen die Zentrale in den USA – sei nicht so einfach, sagt Spencer Theile. „Ich will doch meiner großen Liebe Eisbären nichts Böses. Aber ich könnte heulen, wenn ich sehe, was die machen.“ Da schwingt die Angst mit, irgendwann nicht mehr gebraucht zu werden, wenn wieder Zuschauer in die Halle dürfen. Zumindest sind die Fans bei den kommenden Spielen virtuell in kleinen Clips auf dem Videowürfel, von dem sie „Fangrüße“ schicken dürfen. Aber, sagt Spencer Theile: „Nicht mal das war die Idee des Vereins.“

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