Ein Jahr ohne Zuschauer in der Arena - Eisbären-Fans über ihr Leiden: „Die Entfremdung ist in vollem Gang“
Am 8. März 2020 spielten die Eisbären letztmals vor vollen Rängen – Anhänger des Klubs sprechen über ihr Leben ohne Eishockey.
Der 8. März 2020 lief in der Mercedes-Benz-Arena ab wie so oft bei einem Heimspiel der Eisbären Berlin. Es war ein Sonntagnachmittag, 14.200 Zuschauer feierten die Mannschaft bei einer Ehrenrunde nach einem Heimsieg gegen die Fischtown Pinguins aus Bremerhaven. Es war das letzte Punktspiel der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) der Saison 2019/2020 und es war das Spiel vor den Play-offs und der Viertelfinalserie gegen die Düsseldorfer EG – die nie stattfinden sollte.
Schon die Pressekonferenz endete mit einem Fragenzeichen: Die Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wurde zum Thema, Zuschauerbeschränkung bei Hallensportarten, die Covid-19-Krise stand am Anfang. Die Trainer wurden gefragt, ob sie fürchteten, dass die Play-offs abgesagt würden. Bremerhavens Trainer Thomas Popiesch zuckte: „Das wäre natürlich schade.“
Zwei Tage später erklärte die DEL ihre Saison für vorzeitig beendet. Die Liga spielt zwar seit Dezember wieder, aber auch am Sonntag spielten die Eisbären beim 5:2-Sieg im Heimspiel gegen Iserlohn wieder ohne Zuschauer. Seit einem Jahr spielen die Eisbären am Ostbahnhof nicht mehr vor ihren Anhängern. Daniel Goldstein hat damals seine letzte Pressekonferenz als Pressesprecher geleitet, der Klub trennte sich in der Krise von ihm. Auch das langjährige Fanzine Eis-Dynamo erscheint nicht mehr, der Fantreffpunkt Fanbogen ist verwaist.
Wie gehen die Menschen, die den Eisbären nahe stehen mit der Situation um? Was fühlen die Anhänger und kommen sie zurück in die Halle, wenn sie wieder dürfen?
Spencer Theile, 1. Vorsitzender Förderverein Fanbogen
An dem 8. März war mir schon klar, dass ich das letzte Spiel für lange Zeit gesehen hatte. Wir waren ja davor schon beim Auswärtsspiel in Wolfsburg und da kristallisierte sich das schon raus, als wir von der Pressekonferenz unseres geliebten Gesundheitsministers hörten und dass es Zuschauer-Beschränkungen im Profisport geben würde. Uns war klar: Das war’s. Seitdem sehe ich die Spiele auf Magentasport.
Der Livestream lief erst weniger gut und der Kundenservice war da mäßig, eine Kompensation wurde nicht angeboten. Nach meinem Gefühl ist die Entfremdung von den Eisbären und den Fans in vollem Gange. Wir haben das schon gemerkt, als wir vor einem Jahr mit dem Klub über die Zukunft des Fanbogens verhandelten.
Da kam einfach zu wenig von denen. Eishockey hat die halbe Zeit meines Lebens eingenommen, ich war ja auch sehr oft bei den Auswärtsspielen unterwegs. Das fehlt mir brutal, der soziale Kontakt mit den Kumpels. Wenn Play-offs waren, mussten meine Angestellten immer mehr arbeiten, weil der Chef unterwegs war. Okay, am Ende durften sie sogar mit. Ich weiß nicht, wie es weitergeht mit den Eisbären und mir. Mit den Heimspielen habe ich innerlich abgeschlossen. Vielleicht fahre ich, wenn es wieder geht, nur noch auswärts zu Spielen.
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Daniel Goldstein, Ex-Pressesprecher Eisbären
Die Konversation war kurz. So ist es eben üblich in einem Messenger-Dienst. Ich schrieb: „Sebe, jetzt geht's los. Endlich haste den mal reingehauen. Weiter so! :)“ Sebastian Streu, der Eisbären-Stürmer, der sein erstes Saisontor am vergangenen Donnerstag in Bremerhaven erzielte, antwortete: „Danke Goldi!!!
Wurde auch mal langsam Zeit, würde ich sagen.“ Natürlich war auch ein Smiley dabei. Genau so erlebe ich derzeit die Eisbären-Spiele. Aus der Ferne, vor dem Fernseher. Minimale Kommunikation. Zuweilen abgelenkt, weil die Spiele ohne Zuschauer sich einander viel stärker ähneln als mit. Vor allem für mich als Fan der Fans. Selbst meine Tochter, die sich anfangs noch freute, endlich mal ein Spiel am TV mit mir zu gucken, kommt inzwischen nur noch bei den Toren vorbei.
Vor einem Jahr war das alles noch ganz anders. Mit 14.200 Zuschauern in unserer Arena. Meine Tochter stand in der Fankurve. Wir feierten den Frauentag mit den Eisbärinnen und den erfolgreichen Hauptrundenabschluss. Die Spieler bedankten sich bei den Fans für die Unterstützung mit der Runde durch die Hartmut-Nickel-Kurve. Mit Handshakes, Worten und Lächeln. Wir unterschätzten das tödliche Virus nahezu alle. Ich glaubte auch noch nicht wirklich an eine Play-off-Absage. Hielt sie vielleicht für möglich, aber dachte, König Fußball wird es schon regeln.
Derzeit ist der Transport der Leidenschaft auf die Freude der Spieler nach Toren und Siegen begrenzt. Mit ihnen kann ich mich freuen. Mit Jonas Müller über seine Tore nach langer Durststrecke, mit Marcel Noebels über die Bestätigung seiner Vorjahresleistung, mit Leo Pföderl über seine Wahnsinnstorserie, mit Mathias Niederberger über seine unglaubliche Konstanz, mit Frank Hördler über die Eisbären-Siege in seiner ersten Kapitäns-Saison und, und, und. Aber das ist eigentlich auch alles. Zum Saisonende hin wird es spannender, das ist klar. Bis dahin bleibe ich auf der Suche nach den Emotionen.
Aus der Ferne, vor dem Fernseher.
Andre Haase, Fanzinemacher Eis-Dynamo
Am 8. März 2020 habe ich nicht daran gedacht, dass der Tag so eine Bedeutung haben würde. Überhaupt nicht. Ich habe geglaubt, das ist jetzt für anderthalb Monate zu und dann geht es weiter. Ich bin ja in der privilegierten Situation, dass ich als Fanzinemacher in dieser Saison ab und an zu den Heimspielen kann.
Aber das ist eine Absurdität in der leeren Halle zu sitzen und eine Publikumssportart zu sehen. So richtig Spaß macht das nicht. Unser Heft erscheint in dieser Saison nicht, wir sind ja ein Old-School-Printmedium und verkaufen den „Eis-Dynamo“ seit Jahrzehnten vor der Halle, da findet auch viel Interaktion mit den Fans statt. In dieser Saison wird da auch nichts mehr passieren. Ich hoffe, dass die endlich mit dem Impfen nachkommen und es nächste Saison wieder eine volle Halle gibt. Ich werde weiterhin kommen, auch wenn erst nur weniger Zuschauer zugelasssen sein sollten. Bei anderen Fans der Eisbären bin ich mir nicht so sicher, ob die das mitmachen werden.
Pauline Baader, 13 Jahre junger Eisbären-Fan
Natürlich fehlen mir die Eisbären, da habe ich immer viele Freundinnen und Freunde, was jetzt nicht mehr geht. Früher war ich ja ein Fan von Micki DuPont, aber von den Spielern jetzt weiß ich zu wenig.
Von den Spielen erzählt mir mein Vater ab und an, aber richtig interessiert es mich nur, wenn ich wieder in die Halle darf. Sobald das wieder geht, bin ich wieder dabei. Ganz sicher.
„Mit 1000 Zuschauern macht Eishockey bei den Eisbären keinen Sinn“
René Welzer, seit 1992 Fan der Eisbären
Das Spiel gegen Bremerhaven habe ich mir gespart, an dem Sonntag ging die Familie vor. Außerdem sollten ja die Play-offs noch kommen und das war am Ende bitter: Wir hatten eine gute Chance, da endlich mal etwas zu erreichen. Auch jetzt spielen die Eisbären in meinem Leben eine Rolle.
Ich leide sehr unter der Situation, ich verfolge die Spiele nur, wenn sie im Free-TV auf Sport 1 laufen. Aber die Mannschaft ist gut: Manchmal denke ich, es wäre bitter, wenn sie jetzt Meister werden würden und wir Fans könnten das nicht feiern. Aber ich drücke natürlich trotzdem die Daumen, dass sie das schaffen. Wenn wieder Zuschauer in die Arena dürfen, bin ich sofort wieder dabei – auch mit einem gewissen Abstand, wenn nötig. Aber die Halle sollte schon mindestens halb voll sein. Mit 1000 Zuschauern macht Eishockey bei den Eisbären keinen Sinn.
Christina Neumann, Dauerkarteninhaberin seit 1996
Ich leide sehr, weil ich seit 1992 zu den Spielen gehe, seit 1996 mit Dauerkarte. Ich leide aber auch, weil ich den Werdegang meines Neffen verfolge, der gerade aktuell in der letzten Woche als einer von vier U20-Eisbären Juniors mit einer Förderlizenz der Eisbären ausgestattet wurde und am Sonnabend sein erstes Spiel in Weißwasser hatte und ich und die Familie nicht live dabei sein konnten.
Ich verfolge die komplette DEL über Magentasport, habe da schon seit Jahren Account und dann jetzt die DEL2 über Sprade TV.
Aber live, direkt mit Stehplatz in der Fankurve ist unvergleichlich!!! Habe mich sehr über die Idee mit der Dauerkarte gefreut und werde auf jeden Fall sofort wieder dabei sein. Die bereits bezahlte Dauerkarte habe ich ja auch auf die nächste Saison übertragen lassen.
Claus Vetter