Niederlage im EHF-Cup-Finale: Füchse Berlin scheitern an THW Kiel
Im EHF-Cup verlieren die Berliner Handballer das Endspiel in Kiel. Gegen die Wucht in der Ostseehalle kommt der Titelverteidiger nicht an.
Besondere Europapokal-Auswärtsspiele kennen und können sie eigentlich bei den Füchsen Berlin. Vor einem Jahr etwa, im Finalturnier um den EHF-Cup in Magdeburg, wurde die Mannschaft von Trainer Velimir Petkovic zwei Tage lang gnadenlos vom Publikum niedergepfiffen; sie zog daraus zusätzliche Motivation und holte auf dem Hoheitsgebiet des Lieblingsrivalen den Titel. Konnte das, konnten diese Erfahrungswerte womöglich eine Blaupause für das Projekt Titelverteidigung sein?
Am späten Samstagabend war die Aufgabe jedenfalls nicht weniger ambitioniert: Im Europapokal-Endspiel des Kalenderjahres 2019 mussten die Berliner auf vermeintlich neutralem Boden in Kiel gegen den hochgehandelten Favoriten THW und tausende Kehlen auf den Tribünen antreten, die aus der mit 10285 Zuschauern ausverkauften Ostseehalle einen echten Hexenkessel machten; phasenweise wurden in der Arena mehr als 100 Dezibel gemessen.
Nach 60 hochklassigen, stimmungsvollen Minuten erwies sich die Kulisse und die Wucht der Kieler Mannschaft beim Europapokal-Abschied von Erfolgstrainer Alfred Gislason als eine Nummer zu groß für die Füchse: 22:26 (10:16) mussten sich die Berliner bei ihrer dritten Finalteilnahme in Serie geschlagen geben. Damit verpassten sie den dritten Sieg im EHF-Cup nach 2015 und 2018 – und obendrein die direkte Qualifikation für den Europapokal, die im Erfolgsfall sicher gewesen wäre. Das erklärte Minimalziel werden Petkovics Profis nun also in der Bundesliga klarmachen müssen.
Im vierten Aufeinandertreffen dieser Saison – der THW hatte zuvor beide Bundesliga-Spiele und das Pokalhalbfinale für sich entschieden – waren die Berliner von Beginn an präsent und gut eingestellt. Wie schon am Vortag gegen den FC Porto schulterte Paul Drux in der Offensive zunächst den Großteil der Verantwortung; fast jede Angriffsaktion ging vom deutschen Nationalspieler aus. In der Defensive verlangten die Füchse dem Luxus-Kader der Kieler ebenfalls alles ab.
Wenn sich die Berliner in der Anfangsphase überhaupt einen Vorwurf gefallen lassen mussten, war es ihre mangelnde Chancenverwertung: Kapitän Hans Lindberg, für gewöhnlich ein sicherer, trickreicher Schütze, vergab zwei Siebenmeter gegen seinen Landsmann im Kieler Tor, gegen Niklas Landin. Der dänische Ausnahmekönner zwischen den Pfosten hatte die Berliner schon im DHB-Pokal-Halbfinale Anfang April zur Weißglut getrieben. Am Samstagabend machte er genau dort weiter.
Silvio Heinevetter zunächst kein Faktor
Auf der anderen Seite war Füchse-Torhüter Silvio Heinevetter zunächst gar kein Faktor. Nach einer Viertelstunde machte der Nationalkeeper folgerichtig Platz für Malte Semisch, darüber hinaus brachte Petkovic in Mattias Zachrisson und dem von einer Kreuzbandverletzung genesenen Stipe Mandalinic zwei frische Kräfte für den Rückraum. Vor allem Zachrisson machte seinem Ruf als Allzweckwaffe von der Bank mit zwei ansatzlosen Würfen mal wieder alle Ehre. Nicht zuletzt dank der kreativen Eingebungen des Schweden konnten die Füchse die Partie lange offen gestalten.
In der Schlussphase des ersten Durchgangs schwächten sich die Gäste dann allerdings selbst: gegen wild entschlossene, giftige Kieler kamen sie in der Defensive oft den entscheidenden halben Schritt zu spät und kassierten entsprechend viele Zeitstrafen, die der THW in Überzahl erbarmungslos ausnutzte. In einem irren Schlussspurt zog der deutsche Rekordmeister bis zur Pause auf sechs Treffer davon (16:10) – ein Resultat, das eindeutig über die tatsächlichen Kräfteverhältnisse hinwegtäuschte.
Nach der Pause wehrten sich die Berliner weiterhin nach Kräften. Heinevetter, mittlerweile wieder für Semisch im Tor, zeigte einige gute Paraden und ermöglichte es seinen Vorderleuten damit, den Rückstand zu verkürzen: Nach 37 Minuten und dem Treffer von Bjarki Elisson zum 14:17 waren die Füchse wieder in Schlagdistanz. Mit zunehmender Spieldauer gingen ihnen allerdings Kraft und Ideen aus. Gegen die Tiefe der fast ausschließlich mit Nationalspielern besetzten Kieler Bank fanden sie schlichtweg keine Mittel und Lösungen. THW-Coach Alfred Gislason durfte sich beispielsweise den Luxus erlauben, in der zweiten Halbzeit einen komplett ausgeruhten, frischen Lukas Nilsson einzuwechseln. Der junge Schwede zählt mit zu den aufregendsten Akteuren seiner Sportart und wäre bei jedem anderen Bundesligisten nicht aus der Startformation wegzudenken.
So geriet die Schlussphase zu einem Schaulaufen für Kiels Trainer Alfred Gislason, der seine große Laufbahn im Sommer nach nunmehr 15 Titeln in den vergangenen zehn Kieler Jahren beenden wird. Die Füchse durften die Ostseehalle trotz Niederlage erhobenen Hauptes verlassen: Wenn sie in der Bundesliga stets jene Intensität gezeigt hätten, die sie am Finalwochenende in Kiel an den Tag legten, wäre ihre Saison deutlich entspannter und erfolgreicher verlaufen.