Handball: Füchse Berlin entlassen Trainer Richardsson - Petkovic wird Nachfolger
Überraschend haben die Füchse Berlin Trainer Erlingur Richardsson entlassen, wegen mangelnder Führungskompetenz. Nachfolger wird Velimir Petkovic.
Am Montagabend haben die Füchse Berlin in einem noblen Hotel beisammen gesessen, und wie sich das für eine Weihnachtsfeier gehört, waren alle Angestellten gekommen: Spieler, Manager, Sportkoordinator, Co-Trainer … Nur eine zentrale Person glänzte durch Abwesenheit, und das warf Fragen auf: Warum fehlte ausgerechnet der Trainer, warum fehlte Erlingur Richardsson? Ist er womöglich gar keine zentrale Person mehr?
Die Antwort gab es am Tag danach: Berlins Handball-Bundesligist entband den Isländer mit sofortiger Wirkung von seinen Pflichten als Coach der Profi-Mannschaft. „Nach intensiver Analyse der aktuellen Situation kam man gemeinsam zu dem Ergebnis, die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung zu beenden“, hieß es in der Mitteilung des Vereins. Richardsson selbst war schon kurz vor der Weihnachtsfeier von Manager Bob Hanning darüber unterrichtet worden. Auf die Beweggründe wollte der Isländer nicht im Detail eingehen: „Da müssen Sie die Füchse fragen.“
Auf den ersten Blick mag die Demission des 44-Jährigen überraschend erscheinen. Die Berliner haben in dieser Saison ihren Weltpokal-Titel verteidigt, sie überwintern im EHF-Pokal, stehen in der Bundesliga auf dem vierten Tabellenplatz und sind im DHB-Pokal denkbar unglücklich gegen die SG Flensburg-Handewitt ausgeschieden – alles im Bereich des Erwartbaren also. Andererseits war es ein offenes Geheimnis, dass insbesondere Hanning seit längerer Zeit latent unzufrieden mit dem war, was über das blanke Resultat hinausging. „Mit dem Tabellenplatz und den Punkten kann ich sehr gut leben. Aber bei uns liegt eine Verunsicherung vor, die wir abstellen müssen“, sagte der Manager unter der Woche nach dem Heimsieg gegen Melsungen. „Wenn es mal nicht läuft, haben wir keinen auf dem Parkett, der das stoppen kann“, ergänzte er, „und damit meine ich jeden einzelnen Spieler, auch den Trainer und den Sportdirektor.“ Deutlicher kann Kritik nicht ausfallen.
Petkovic ist anders als Richardsson ein eher impulsiver Trainer
Angesichts der beiden jüngsten Heimsiege gegen Melsungen am Mittwoch und gegen Lemgo am Sonntag ließen sich Hannings Worte als finaler Warnschuss deuten. Dass Richardsson in den verbleibenden drei Punktspielen bis zum Jahreswechsel unter besonderer Beobachtung stehen würde, dürfte spätestens nach der Wutrede des Managers jedem klar gewesen sein. Dass es mit seiner Entlassung nun so schnell ging, ist auch Ausdruck der gestiegenen Ansprüche bei den Füchsen: Vor der Saison hatte der Verein seinen Kader auf zahlreichen Positionen verstärkt, um mal wieder das Establishment aus Kiel, Flensburg und Mannheim zu attackieren – bislang ohne Erfolg. Abgesehen vom Pokalspiel in Flensburg waren die Füchse stets chancenlos in den direkten Duellen mit Vertretern des Spitzentrios.
Ein Kritikpunkt, der auch nach besagten Spielen immer wieder zu hören war, lautete: Richardsson fehlte an der Seitenlinie das Durchsetzungsvermögen, und seine personellen Entscheidungen waren auch nicht immer die besten. Zudem vermochte er es nicht, die Mannschaft auf emotionaler Ebene zu erreichen. Oft wirkte der Isländer wie ein Statist vor der Trainerbank, so ruhig und gelassen, wie er da stand. Andererseits entspricht das nun einmal seinem Wesen.
Richardsson ist ein sehr höflicher und zurückhaltender Mensch mit guter Kinderstube, einer, der nicht viel auf klassische Hierarchien gibt und in seinen gut eineinhalb Jahren bei den Füchsen nie öffentlich laut geworden ist. Man könnte auch sagen: Richardsson, der ehemalige Coach der isländischen Junioren-Nationalmannschaft, ist gewiss ein hervorragender Nachwuchstrainer, aber für den mitunter ruppigen deutschen Profialltag taugte er nur bedingt. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass Richardsson an den hohen Erwartungen gescheitert ist, die sein Vorgänger und Freund Dagur Sigurdsson nach sechs Amtsjahren bei den Füchsen Berlin hinterlassen hatte.
In Zukunft vertrauen die Berliner ihr wichtigstes Team nun einem Veteranen an, der die Spielregeln der rauen Handballwelt perfekt beherrscht. Velimir Petkovic soll für neue Impulse bei den Füchsen sorgen und steht bereits am Sonntag in Flensburg an der Seitenlinie. Der 60-Jährige, zuletzt in Diensten des ThSV Eisenach, kennt die Bundesliga nach 18 Jahren Trainer-Dasein ohne Unterbrechung in- und auswendig und hat in Berlin einen Vertrag bis zum 30. Juni 2018 unterschrieben.
Christoph Dach