Nur vier Punkte aus sechs Spielen: Frust und Stillstand beim 1. FC Union
Nach dem 1:1 gegen den VfB Stuttgart ärgern sich die Berliner über den nächsten unnötigen Punkteverlust. Das Thema Europapokal hat sich wohl bald erledigt.
Eigentlich könnten sie sich beim 1. FC Union bestätigt fühlen. Es ist gerade mal sieben Wochen her, da herrschte rund um die Alte Försterei ungläubige Euphorie. Nach einem herausragenden Jahresauftakt und dem Auswärtssieg bei Borussia Mönchengladbach standen die Berliner auf dem vierten Tabellenplatz. Die stabilen Leistungen und die gnadenlose Effizienz ließen Träume von einer erneuten Europapokalteilnahme aufkommen, selbst das Wort Champions League war bei Fans und Medien zu hören. Nur Unions Spieler und Verantwortliche wollten davon nichts wissen. Europapokal? Ach was, alles nur eine Momentaufnahme! Für uns geht es um den Klassenerhalt
Sechs Spiele später sind zur damals herausragenden Bilanz nur ein Sieg und ein Unentschieden hinzugekommen. „Schade“, sagte Fischer nach dem 1:1 gegen den VfB Stuttgart am Samstag. „Wir hätten heute gerne die 40 Punkte zugemacht.“ Dafür fehlen nun noch zwei Zähler. Die Berliner kommen momentan einfach nicht richtig voran und die Hoffnungen auf eine Europapokalqualifikation sind deutlich kleiner geworden. Am kommenden Samstag sind die Berliner beim Tabellenführer in München zu Gast. Gelingt Union dort keine große Überraschung und punktet die Konkurrenz, dürfte die letzte Chance auf den internationalen Wettbewerb über den DFB-Pokal gehen. Wobei ein Halbfinale in Leipzig auch nicht gerade ein Wunschlos ist.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Ein Drama ist das natürlich nicht. Die Zweifel am Klassenerhalt sind allenfalls noch theoretischer Natur und jedes Jahr in der Bundesliga ist für Unions Entwicklung zu einem gestandenen Erstligisten Gold wert. Die Unzufriedenheit der Beteiligten angesichts der jüngsten Ergebnisse ist dennoch verständlich. Denn der Umstand, dass Fischer und seine Spieler immer wieder vom Klassenerhalt sprechen, bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass sie nach der starken ersten Saisonhälfte mit Platz 15 zufrieden wären. Schon in der vergangenen Spielzeit legten sie nach dem Erreichen des ersten Saisonziels einen Schlussspurt hin, der sie letztlich in die Conference League führte.
Aktuell sieht es nicht danach aus, als könnte Union eine solche Serie wiederholen und die Probleme der letzten Wochen scheinen auch an den Spielern nicht spurlos vorbeizugehen. Der Frust nach dem späten Ausgleich gegen Stuttgart war den Berliner deutlich anzumerken. Sie ärgerten sich über vergebene Chancen, über ihre Passivität in der zweiten Hälfte und Grischa Prömel holte sich in der Nachspielzeit eine Gelde Karte wegen Meckerns ab. Es war seine fünfte und so fehlt er gegen die Bayern. Dafür konnten sich Andreas Luthe sowie Kevin Behrens nach ihren Coronavirus-Infektionen bereits freitesten und auch bei Genki Haraguchi sowie Levin Öztunali könnte die Zeit bis Samstag reichen.
Die unglücklichste Figur machte unmittelbar nach Abpfiff jedoch Timo Baumgartl, der sein Fernsehinterview mit den Worten begann, er müsse aufpassen, was er sage – und sich dann doch auf Schiedsrichter Robert Hartmann einschoss. „Ich weiß nicht, ob wir Jugendfußball spielen. Es tut mir leid, wir spielen hier Herrenfußball. Da muss man Zweikämpfe anders bewerten“, sagte der Innenverteidiger bei „Sky“ und sprach von einer „absoluten Frechheit“. Auch wenn der Schiedsrichter nicht seinen besten Tag erwischte, war er sicher nicht der Grund für den nächsten unnötigen Punktverlust der Berliner.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Das sah dann auch Baumgartl ein, der wie seine Mitspieler unzufrieden mit der zweiten Hälfte war. „Da haben wir nicht mehr das auf den Platz gebracht, was wir wollten. Wir haben Stuttgart stark gemacht“, sagte der frühere VfB-Profi. „Das ist bitter, das ist hart.“
Eine Erklärung für die zunehmende Passivität gegen die bis in die Schlussphase erschreckend harmlosen Gäste hatte allerdings kein Berliner zu bieten. „Ja“, sagte Fischer und zögerte lange, „das ist genau die Frage, die es zu analysieren gilt.“ Seine Mannschaft habe in dieser Phase genau das Falsche getan, habe sich zurückgezogen und nicht mehr mit dem nötigen Mut nach vorne gespielt. Oder wie es Prömel zusammenfasste: „Klar müssen wir solche Spiele über die Zeit bringen.“