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Früh unter Feuer. Sebastian Vettel fährt gegen einen schnellen Teamkollegen.
© Thaier Al-Sudani/Reuters

Sebastian Vettel: Früh in der Defensive

Das Formel-1-Rennen in Bahrain beweist, dass Charles Leclerc bei Ferrari zu Höherem berufen ist. Für Vettel sind das keine guten Nachrichten.

Eines hat Charles Leclerc in Bahrain gelernt: Dass in der Formel 1 auch die schönsten Siegespartys noch ausfallen können. Im Prinzip war alles angerichtet. Der 21-Jährige fuhr sicher und schnell, so schnell, dass ihm kein anderer Fahrer auf dem Kurs in Sakhir folgen konnte. Bis 15 Runden vor Schluss eben. Plötzlich lahmte sein Ferrari wie ein alter Esel, der erste Grand-Prix-Sieg, der so nah schien, geriet zur Unmöglichkeit. Der Mann aus Monaco musste sich in diesem Moment vorgekommen sein wie vor dem Traualtar, auf das versprochene Ja-Wort wartend, das nie kommen sollte.

Platz drei wurde es schließlich, eine Niederlage angesichts Leclercs Überlegenheit – und doch ein kleiner Triumph. Zwar landete er hinter Sieger Lewis Hamilton und Valtteri Bottas, die beide einen zuverlässigen Mercedes fuhren, aber eben auch vor Sebastian Vettel. Jenem Vettel, der sich vor Leclerc wähnt – den Status als Ferraris Nummer eins aber schon früh in der Saison zu verspielen droht.

Leclerc ging souverän mit seinem Frust um

In Sakhir lauschte Vettel frustriert und mit verschränkten Armen seinem mit Lobeshymnen bedachten Stallrivalen. Er wird wissen, dass ihm in seinem eigenen Rennstall ein Siegfahrer im Wartestand erwächst, der gar nicht warten will. „Wir sehen in ihm einen jungen Champion, der im Entstehen begriffen ist. Er war der emotionale Sieger“, sagte Toto Wolff, Mercedes’ Sportchef, über Leclerc und bezeichnete dessen Vorstellung als „sehr, sehr beeindruckend. Er hat eine gute Persönlichkeit, ist ein bescheidener junger Mann, und er ist sehr schnell.“

Leclerc ging souverän mit seinem Frust um. „Er hat einen unglaublichen Job an diesem Wochenende abgeliefert und eine herrliche, strahlende Zukunft vor sich“, meinte Hamilton. „Auf ihn warten mit Sicherheit noch eine Menge Siege.“ Der erst in dieser Saison als Nachfolger von Kimi Räikkönen in den Ferrari beförderte Leclerc bekam in Sakhir die volle Härte des Motorsports zu spüren. Nach seiner ersten Pole Position kostete ihn ein drastischer Leistungsschwund seines Motors den Sieg. Hinter Hamilton und Bottas schleppte sich Leclerc während einer Safety-Car-Phase noch als Dritter ins Ziel. Ohne sie wäre er wohl noch weiter zurückgefallen. „Ich stand so kurz davor, mir einen Kindheitstraum zu erfüllen“, erzählte Leclerc nach seinem erst zweiten Ferrari-Rennwochenende. „Hoffentlich wird dieser Tag in der Zukunft kommen.“

Lange dürfte dieser nicht auf sich warten lassen. Für Vettel, der den gebeutelten Teamkollegen unmittelbar nach seinem eigenen Desaster tröstete, sind das keine guten Aussichten. Auf der Jagd nach seinem ersten WM-Triumph mit Ferrari, dessen Power auf den Geraden Mercedes derzeit nicht mitgehen kann, droht ihn ein Scuderia-Newcomer zu überholen. „In Leclerc geht ein Stern auf“, schmachtete die „Gazzetta dello Sport“.

Vettel verlor dagegen „La Repubblica“ zufolge unter Druck „die Nerven und den Frontflügel“. Am Persischen Golf stand sich der 31-Jährige tatsächlich auch selbst im Weg, als er sich bei einem Zweikampf mit Hamilton drehte. Dann brach an seinem Ferrari auch noch der komplette Frontflügel weg, Rang fünf war schließlich Schadensbegrenzung. „Vettel macht da weiter, wo er im vergangenen Jahr aufgehört hat: Er vermasselt es wieder“, ätzte TV-Experte Nico Rosberg. „Es ist unglaublich, dass ihm das wieder und wieder passiert.“ Der bis dato letzte deutsche Formel-1-Weltmeister konstatierte: „Er muss einen Ausweg finden.“ Vettel räumte ein: „Mit Sicherheit passt es noch nicht so ganz. Das Potenzial ist da, wir tun uns aber noch ein bisschen schwer, es rauszuholen“. Für Charles Leclerc gilt das weniger als für ihn. (Tsp/dpa)

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